Sehr geehrter Fragesteller,
Vielen Dank für die zusätzlichen Informationen. Gern beantworte ich Ihre Frage nach bestem Wissen und Gewissen unter folgenden Gesichtspunkten: (1) Ausgleichszahlung nach der Verordnung 261/2004, (2) Defekt an der Hydraulik als außergewöhnlicher Umstand und (3) Schadensersatz nach dem Montrealer Übereinkommen.
(1) Ausgleichszahlung
Wie Sie bereits selbst erkannt haben, könnten Sie einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung gem. Art. 7 der Verordnung 261/2004 haben. Die Verordnung sieht zwar keine Ausgleichszahlung für Fluggäste verspäteter Flüge vor, jedoch hat der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 19. November 2009 (C-402/07 und C-432/07) die Regelungen der Verordnung dahingehend ausgelegt, dass Fluggäste erheblich verspäteter Flüge den Fluggästen annullierter Flüge im Hinblick auf die Ausgleichszahlungsansprüche gleichgestellt werden können.
„46. Unter diesen Umständen kann nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass die Fluggäste verspäteter Flüge keinen Ausgleichsanspruch haben und im Hinblick auf die Anerkennung eines solchen Anspruchs nicht den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt werden können.“
Vgl. auch AG Rüsselsheim, Urteil v. 20.11.2012, Az. 3 C 1226/12 (32).
(2) Außergewöhnliche Umstände
Technische Probleme am Flugzeug sind regelmäßig keine außergewöhnlichen Umstände im Sinne der Erwägungsgründe 14 und 15 der Verordnung, sodass das Luftfahrtunternehmen sich nicht nach Art. 5, Abs. 3 der VO entlasten kann.
Vgl. dazu auch AG Wedding, 24. Mai 2007, Az. 22a C 38/07 – „10 Die Zahlung einer Ausgleichsleistung ist auch nicht nach Art.5 Abs. 3 VO ausgeschlossen. Selbst wenn es zutrifft, dass an dem Flugzeug unvorhergesehene technische Probleme aufgetreten sind, stellen diese keine “außergewöhnlichen Umstände” im Sinne dieser Vorschrift dar. Zur Auslegung des Begriffs der außergewöhnlichen Umstände kann hier der Erwägungsgrund 14 der Verordnung herangezogen werden […]. […] als außergewöhnliche Umstände nur solche angesehen werden können, die nicht in die betriebliche Sphäre des Luftfahrtunternehmens fallen. Da dies bei technischen Problemen aber nicht der Fall ist, kann hier selbst ein tatsächlich vorliegender Defekt an der Hydraulik nicht zu einer Entlastung der Beklagten führen.“
AG Bremen, 03. Juli 2007, Az. 4 C 393/06 – „19 Es stellte mithin eine durch nichts zu rechtfertigende Systemwidrigkeit und Übervorteilung des jeweiligen Beförderers dar, würden die in seinem Einfluss- und Organisationsbereich anzusiedelnden technischen Mängel nunmehr dem Begriff der „Flugsicherheit“ zugeschlagen werden. Hätte der Verordnungsgeber derartiges beabsichtigt, hätte es aufgrund der dargestellten Auslegung eines ausdrücklichen Hinweises bedurft.“
(3) Schadensersatz nach dem Montrealer Übereinkommen
Schließlich würde ich Ihre eigentliche Frage nach der Erstattung der zusätzlichen Kosten für den Mietwagen mit ja beantworten. Art. 19 des Montrealer Übereinkommens:
„Der Luftfrachtführer hat den Schaden zu ersetzen, der durch Verspätung bei der Luftbeförderung von Reisenden, Reisegepäck oder Gütern entsteht. Er haftet jedoch nicht für den Verspätungsschaden, wenn er nachweist, dass er und seine Leute alle zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung des Schadens getroffen haben oder dass es ihm oder ihnen nicht möglich war, solche Maßnahmen zu ergreifen.“
Vgl. dazu LG Frankfurt a.M., Urt.v. 26.07.2007 – 2-24 S 290/06, insbesondere Entscheidungsgründe 18, 19 und 20:
„Demgegenüber stehen dem Kläger aber wegen der Schlechterfüllung des Beförderungsvertrages neben dem Anspruch auf Minderung Schadensersatzansprüche zu, wobei es letztlich dahinstehen kann, ob diese aus § 280 Abs. 1 BGB oder Art 19 MÜ herzuleiten sind, da auch das Montrealer Übereinkommen dem Reisenden Schadensersatzansprüche zubilligt […]“
„Der Schadensersatzanspruch besteht zum einen in den Kosten, die der Kläger in Folge der Flugverzögerung aufwenden musste. Die Fahrtkosten für seine Heimreise und die Rückkehr zum Flughafen stellen einen adäquat kausalen Schaden aus der Flugverzögerung dar […]. „
In Ihrem Fall stellt die zusätzliche Gebühr für die Abholung des Mietwagens außerhalb der Öffnungszeiten den kausalen Schaden aus der Flugverspätung dar. Mit anderen Worten - hätte sich der Flug nicht verspätet, hätten Sie auch nicht zusätzlich zahlen müssen.
Es bleibt noch hinzuzufügen, dass Sie nach Art. 35 des MÜ eine Frist von 2 Jahren zur Klageerhebung haben ab dem Tag, an dem das Luftfahrzeug am Bestimmungsort angekommen ist oder an dem es hätte ankommen sollen oder an dem die Beförderung abgebrochen worden ist.
Ich hoffe, Ihnen hiermit die ersten Hinweise gegeben zu haben.