Sehr geehrter Fragesteller!
Bei Ihrem Sachverhalt muss zunächst die Frage geklärt werden, ob Ihr Flug im Sinne von Art. 2, lit. l) der Verordnung (EG) 261/2004 annulliert wurde.
Demnach wurde ein Flug dann annulliert, wenn:
„l) “Annullierung” die Nichtdurchführung eines geplanten Fluges, für den zumindest ein Platz reserviert war.“
In einem Grundsatzurteil zur Unterscheidung zwischen einer Verspätung und einer Annullierung hat der EuGH folgendes entschieden:
„35. Wenn daher die Fluggäste mit einem Flug befördert werden, dessen Abflugzeit sich gegenüber der ursprünglich geplanten Abflugzeit verzögert, kann der Flug nur dann als „annulliert“ angesehen werden, wenn das Luftfahrtunternehmen die Fluggäste mit einem anderen Flug befördert, dessen ursprüngliche Planung von der des ursprünglich geplanten Fluges abweicht.
36. Demnach kann grundsätzlich von einer Annullierung ausgegangen werden, wenn der ursprünglich geplante und verspätete Flug auf einen anderen Flug verlegt wird, d. h., wenn die Planung des ursprünglichen Fluges aufgegeben wird und die Fluggäste dieses Fluges zu den Fluggästen eines anderen, ebenfalls geplanten Fluges stoßen, und zwar unabhängig von dem Flug, für den die so umgebuchten Fluggäste gebucht hatten.“
(EuGH, 19. November 2009, C-402/07 und C-432/07)
Diese Überlegungen kann man, denke ich, analog anwenden, auch wenn der Flug sich eigentlich nicht verspätet hat. Wichtig ist, dass die ursprüngliche Planung des Fluges von der Fluggesellschaft aufgegeben wird.
Der Europäische Gerichtshof führt weiter aus, dass ein Flug nicht als annulliert gilt, wenn Fluggäste wieder aussteigen und ihr Gepäck sowie neue Bordkarten bekommen. Der EuGH definiert den Begriff „Flug“ wie folgt:
„Nach alledem ist der Begriff „Flug“ im Sinne der Verordnung Nr. 261/2004 dahin gehend auszulegen, dass es sich dabei im Wesentlichen um einen Luftbeförderungsvorgang handelt, der somit in gewisser Weise eine „Einheit“ dieser Beförderung darstellt, die von einem Luftfahrtunternehmen durchgeführt wird, das die entsprechende Flugroute festlegt.“
Daraus lässt sich ableiten, dass ein Flug im Wesentlichen durch eine bestimmte Flugnummer und eine bestimmte Flugroute gekennzeichnet ist. Da in Ihrem Fall die ursprünglich gebuchte Route aufgegeben wurde (womöglich wird der Flug auch unter einer anderen Flugnummer durchgeführt), handelt es sich nicht mehr um die ursprüngliche Flugplanung. Es handelt sich, meines Erachtens, um einen anderen Flug, somit ist eine Annullierung anzunehmen.
Da Sie von der Änderung mehr, als zwei Wochen vor dem geplanten Abflug informiert wurden, steht Ihnen keine Ausgleichszahlung nach Art. 5, Abs. 1, lit. c) der VO zu. Sie können jedoch die vollständige Erstattung des Flugpreises gem. Art. 8, Abs. 1, lit. a) der VO 261/2004 verlangen. Des Weiteren sind nach den Buchstaben b) und c) des Art. 8, Abs. 1 folgende Möglichkeiten denkbar:
„b) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt oder
c) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes, vorbehaltlich verfügbarer Plätze.“
sodass es sich vielleicht mit der Fluggesellschaft noch verhandeln lässt.