Sehr geehrter Fragesteller!
Ihnen könnte eine Ausgleichszahlung gem. Verordnung (EG) 261/2004 zustehen, sofern einige Voraussetzungen erfüllt sind.
(1) Anwendungsbereich der Verordnung
Die relevante Verordnung gilt dann, wenn Ihr Flug in der EU startet. Darüber hinaus greifen die Vorschriften auch bei Flügen, die im Nicht-EU-Ausland startet, jedoch in der EU landen und das ausführende Luftfahrtunternehmen ein Unternehmen der Gemeinschaft ist. Für den Flugabschnitt von München nach Dubai wäre der Anwendungsbereich der Verordnung eröffnet. Ob die VO auf den Flugabschnitt Dubai – Mahe anwendbar ist, wird im Folgenden geklärt.
(2) Dauer der Verspätung und Höhe der möglichen Ausgleichszahlung
Die nächste interessante Frage wäre, wie lange die Verspätung in München gedauert hat. Gem. Art. 6, Abs. 1, lit. c), VO 261/2004 haben Sie bei einer Entfernung von über 3.500 km bei einer Verspätung ab 4 Stunden einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung. Startete der Flug in München also mit einer Verspätung von über 4 Stunden, so können Sie vorbehaltlich Art. 5, Abs. 3, VO 261/2004 eine Ausgleichszahlung in Höhe von 600,- Euro pro Person fordern.
(3) Verspätung weniger als 4 Stunden
Die Lage könnte etwas komplizierter werden, wenn Sie mit weniger, als vier Stunden Verspätung gestartet sind, jedoch Ihren Anschlussflug verpasst und das Ziel mit einer 7-stündigen Verspätung erreicht haben. Der Europäische Gerichtshof hat in einem ähnlichen Fall entschieden (Urt. v. 26.02.2013, Az.: C-11/11), dass der Anspruch auf eine Ausgleichszahlung auch dann besteht, wenn der erste Flug mit einer Verspätung unter der gesetzlich definierten Grenze startete, das Endziel jedoch mit einer größeren Verspätung erreicht wurde. Die Anwendung dieser Entscheidung wird (unter anderem) von der Auslegung des Begriffes „Endziel“ abhängig gemacht:
„[34] 34 Der Begriff "Endziel" wird in Art. 2 Buchst. h der Verordnung Nr. 261/2004 definiert als der Zielort auf dem am Abfertigungsschalter vorgelegten Flugschein bzw. bei direkten Anschlussflügen der Zielort des letzten Fluges.“
Steht also auf Ihrem Flugschein als Endziel Mahe, so ist in erster Linie der Gesamtzeitverlust relevant, der durch die erste Verspätung entstanden ist.
(4) Beförderung durch unterschiedliche Unternehmen
Die Sache wird noch komplizierter, wenn Sie zwei separate Flüge gebucht oder der Anschlussflug von einer anderen Fluggesellschaft im Rahmen einer Code-Sharing-Vereinbarung durchgeführt wurde. Wie bereits erörtert – sollte der Flug bereits in München mit einer Verspätung von mehr als 4 Stunden gestartet sein, der Anschlussflug nicht weiter relevant, da Sie bereits aufgrund vom erstgenannten Umstand einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung haben können.
Haben Sie die Flüge separat gebucht und der erste Flug startete mit einer Verspätung von weniger, als 4 Stunden, so greift die Verordnung 261/2004 nicht, da der Anschlussflug nicht auf dem EU-Boden startete und auch nicht dort landete.
Andernfalls hängt das Bestehen (oder Nicht-Bestehen) des Ausgleichszahlungsanspruches davon ab, ob sich um einen einheitlichen Flug im Sinne der VO 261/2004 handelt oder nicht. Ob der Flug „einheitlich“ ist müsste man anhand der Buchungsbestätigung gesondert prüfen. Im Allgemeinen ist der Flug dann einheitlich, wenn „von vornherein ein Flug mit Umsteigestopp gebucht worden sei, und die jeweiligen Teilabschnitte des Fluges vereinbarungsgemäß von demselben Flugunternehmen durchgeführt werden sollten“ (LG Leipzig, Urt. v. 10. November 2008, Az.: 6 S 319/08).
Sollte der zweite Flugabschnitt von einer anderen Fluggesellschaft, als dem Vertragspartner, durchgeführt worden sein, so sind Ansprüche aus der Verordnung 261/2004 gegen das den Flug tatsächlich ausführende Luftfahrtunternehmen geltend zu machen (BGH, Urt. v. 26. November 2009, Az.: Xa ZR 132/08). In Ihrem Fall würde das heißen, dass Sie keinen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung haben, da die Fluggastrechte-Verordnung auf ausschließlich Nicht-EU-Flüge nicht anwendbar ist.
(5) Verspätung aufgrund von außergewöhnlichen Umständen
Nun, selbst wenn der Anwendungsbereich der Verordnung 261/2004 in allen anderen Punkten eröffnet wäre, könnte der Anspruch auf eine Ausgleichszahlung aufgrund von außergewöhnlichen Umständen ausgeschlossen sein. Außergewöhnliche Umstände im Sinne der Verordnung sind jene Vorkommnisse, die den gewöhnlichen Flugbetrieb hindern, in ihrer Natur unvorhersehbar und/oder nicht beherrschbar sind und nicht zum allgemeinen Betriebsrisiko eines Luftfahrtunternehmens gehören. Das sind zum Beispiel: Naturkatastrophen, extreme Wetterereignisse, Fluglotsenstreiks, unerwartete Sicherheitsmängel usw. Keine außergewöhnliche Umstände sind hingegen in aller Regel technische Defekte am Flugzeug, Nachtflugverbot, Überschreitung der maximal zulässigen Einsatzzeit für die Crew u.v.m. Ob es sich um einen solchen Umstand handelt oder nicht, ist in jedem Fall gesondert zu prüfen. Darüber hinaus muss die Fluggesellschaft nachweisen, dass sie alle ihr zur Verfügung stehende und zumutbare Maßnahmen ergriffen hat, um die Verspätung zu vermeiden. Erst wenn dies nicht möglich war, muss keine Ausgleichszahlung gezahlt werden.