Lieber Fragensteller,
in einem Fall wie Ihrem können sich mögliche Ansprüche aufgrund einer Flugverspätung grundsätzlich aus der europäischen Fluggastrechte-Verordnung ergeben. Hiernach hat der Reisende bei einer Verspätung in dort genannter Höhe gem. Art. 6 Abs. 1 VO einen Anspruch auf Unterstützungsleistungen gem. Art. 8 und 9 VO.
Ihrer Frage kann ich jedoch entnehmen, dass es Ihnen vor allem um einen Anspruch auf Ausgleichszahlung gem. Art. 7 VO geht. Ein solcher Anspruch besteht zwar nach dem Text der VO im Fall einer Verspätung des Fluges gem. Art. 6 VO nicht. Allerdings hat der EuGH in seinem Urteil in der Rechtssache Sturgeon u.a. gegen Condor Flugdienst GmbH und Air France SA (bei Google nachzulesen unter "Reise-Recht-Wiki.de C-402/07 und 432/07") entschieden, dass auch Fluggästen, die lediglich eine Verspätung auf ihrem Flug erlitten haben, grundsätzlich einen Anspruch auf Ausgleichszahlung gem. Art. 7 VO haben, wenn sie aufgrund der Verspätung ihr Endziel erst mit einer erheblichen Verspätung von 3 oder mehr Stunden erreichen. Diese Voraussetzung ist in Ihrem Fall aufgrund der erlittenen Verspätung von 5,5 h unzweifelhaft gegeben.
Einzuhaltende Fristen
Daher zunächst zu Ihrer Frage, ob Sie irgendwelche bestimmten Fristen einhalten müssen. Die VO selbst enthält solche Fristen nicht. Auch müssen Sie für die Geltendmachung eines solchen Anspruches keine Fristen als Anspruchsvoraussetzungen beachten. Die einzige Frist die es in einem solchen Fall zu beachten gilt, ist die allgemeine Verjährungsfrist von 3 Jahren nach § 195 BGB. D.h. Sie müssen einen solchen Anspruch innerhalb von 3 Jahren nachdem dieser Anspruch entstanden ist gegenüber der Airline geltend machen.
Geltendmachung des Anspruches
Im Bezug auf ihre Frage, ob Sie sich bezüglich des Anspruches mit der Airline in Verbindung setzten müssen, lautet die Antwort ganz klar: Ja. Sie müssen nämlich einen solchen Anspruch zunächst einmal gegenüber dem Anspruchsgegner geltend machen. Aus Gründen der späteren Beweisbarkeit empfiehlt es sich grundsätzlich schriftlich Kontakt mit der Airline aufzunehmen. In einem solchen Schreiben sollten Sie zunächst den zugrunde liegenden Sachverhalt schildern (Flugverspätung von 5,5 h) und außerdem die Airline dazu auffordern Ihnen die Ausgleichszahlung gem. Art. 7 VO zu zahlen. Anspruchsgegner einer solchen Forderung ist grundsätzlich die ausführende Luftfahrtgesellschaft, d.h. die Airline mit der sie tatsächlich befördert wurden.
Ausgleichszahlung und außergewöhnliche Umstände
Grundsätzlich ist in einem Fall wie Ihrem wichtig zu wissen, dass auch auf einen solchen Anspruch auf Ausgleichszahlungen aufgrund einer erheblichen Verspätung der Ausschlussgrund des Art. 5 Abs. 3 VO Anwendung findet. Hiernach ist die Airline dann nicht verpflichtet dem Reisenden eine Ausgleichszahlung aufgrund einer erheblichen Verspätung zu leisten, wenn Sie nachweisen kann, dass diese Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurück gehen, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen wurden wären. Bei einem solchen außergewöhnlichen Umstand geht es also grundsätzlich um die Frage nach dem Grund der aufgetretenen Verspätung. Ihren Ausführungen entnehme ich, dass sich die Verspätung ihres Fluges aus einer Verspätung des Vorfluges ergeben hat, die durch Maßnahmen der Flugsicherung entstanden sind.
Hierzu ist zu sagen, dass es in Ihre Fall zunächst wichtig zu wissen wäre, was der genaue Grund für die Verspätung war. Allgemein ist zu sagen, dass Maßnahmen der Flugsicherheit in bestimmten Fällen als außergewöhnlicher Umstand einzustufen sind. Z.B. stellt es einen außergewöhnlichen Umstand dar, wenn ein Flugzeug wegen Überfüllung des Luftraums nicht pünktlich auf dem vorgesehenen Flughafen landen kann. (Vergl. Urteil des BGH, nachzulesen bei Google unter "Reise-Recht-Wiki.de X ZR 115/12"). Außerdem erscheint es mir in Ihrem Fall wichtig zu sein, dass das AG Rüsselsheim mit Urteil vom 02.12.2012 (bei Google zu finden unter "Reise-Recht-Wiki.de 3 C 855/12-37") entschied, dass auch ein außergewöhnlicher Umstand auf dem Vorflug einen außergewöhnlichen Umstand auf dem betroffenen Flug darstellen kann.
Allerdings wird in der Rechtsprechung im Bezug auf außergewöhnliche Umstände auf dem Vorflug auch die Meinung vertreten, dass Störungen im vorangegangenen Flugbetrieb grundsätzlich dem Luftfahrtunternehmen zuzurechnen sind. Ist ein solches Ereignis daher auf dem Vorflug aufgetreten, muss das Luftfahrtunternehmen jedoch konkret vortragen, welche Maßnahmen es ergriffen hat, um Verspätungen bei nachfolgenden Flügen zu vermeiden oder wieso solche Maßnahmen nicht ergriffen werden konnten. Dabei ist es insbesondere entscheidend, ob die Airline zwischen den Flügen eine Zeitreserve eingeplant hatte und wie lang diese war.
Das heißt für Ihren Fall, dass es grundsätzlich eine Möglichkeit ist, dass sich die Airline durch das Vortragen und Beweisen eines außergewöhnlichen Umstandes entlasten kann, was dazu führt, dass ein möglicher Anspruch auf Ausgleichszahlungen gem. Art. 7 VO gänzlich entfällt. Um beurteilen zu können, ob dies auch in Ihrem Fall so ist, sind jedoch noch weitere genaue Angaben zu den Ursachen, getroffenen Maßnahmen ect. notwendig.