Liebe Inna,
in einem solchen Fall richten sich die Ansprüche des Reisenden zunächst einmal danach, ob es sich bei den betreffenden Flügen um einen Teil einer Pauschalreise handelt, d.h. diese zusammen mit anderen Reiseleistungen wie Unterbringung, Verpflegung, Transport ect. bei einem Reiseveranstalter gebucht wurden oder ob es sich um einen sogenannten Nur-Flug handelt, d.h. der Flug einzeln direkt bei der Airline gebucht wurde. Für beide Fälle ist daher ein Anspruch nach dem Übereinkommen von Montreal denkbar. Für den Fall der Pauschalreise können sich daneben weitere Ansprüche aus dem allgemeinen Reisevertragsrecht §§ 651a-m BGB ergeben.
Ansprüche nach dem Übereinkommen von Montreal
Im vorliegenden Fall kommen nach dem MÜ zwei verschiedene Ansprüche auf Schadenersatz in Betracht: zum einen ein Anspruch wegen der Gepäckverspätung gem. Art. 19 MÜ und zum anderen ein Anspruch wegen der Beschädigung der Koffer gem. Art. 17 Abs. 2 MÜ. Nach beiden Normen muss der Luftfrachtführer nämlich dem Reisenden denjenigen Schaden ersetzten, der durch die verspätete Beförderung bzw. die Beschädigung des Gepäcks entstanden ist.
Verschulden des Luftfrachtführers
Voraussetzung für beide Ansprüche ist es daher, dass den Luftfrachtführer, d.h. entweder ihre Vertragspartner oder alternativ die ausführende Airline sowohl die Verspätung als auch die Beschädigung zu verschulden haben. Für den Fall der Verspätung heißt dass, das es an einem solchen Verschulden gem. Art. 19 S. 2 MÜ fehlt, wenn der Luftfrachtführer nachweisen kann, dass er und seine Leute alle zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung des Schadens getroffen haben oder das es ihm oder ihnen nicht möglich war, solche Maßnahmen zu ergreifen. Für den Fall der Beschädigung des Gepäcks ist hingegen darauf abzustellen, ob das Ereignis, welches letztlich zur Beschädigung geführt hat zu einer Zeit aufgetreten ist, in der sich das Gepäck an Bord des Flugzeuges bzw. in der Obhut des Luftfrachtführers befand. Diese Obhutszeit beginnt bei Koffern regelmäßig mit der Übergabe am Check-In-Schalter und endet mit der Auslieferung am Gepäckband. D.h. für deinen Fall, es ist zum einen wichtig zu wissen, was die Airline unternommen hat um die Verspätung der Koffer zu vermeiden und wieso es überhaupt zu dieser Gepäckverspätung gekommen ist. Zum anderen solltest du in Erfahrung bringen ab welchem Zeitpunkt dein Gepäck beschädigt war.
Schaden
Außerdem ist es eine weitere Voraussetzung nach dem MÜ dass dir sowohl durch die Verspätung als auch die Beschädigung des Gepäcks ein konkreter Schaden entstanden ist. Im Fall der Gepäckbeschädigung ist dies nicht schwer festzustellen, da die Beschädigung selbst den Schaden darstellt. Um diesen der Höhe nach beziffern zu können solltest du im besten Fall die Quittungen über den Kauf der neuen Koffer zukommen lassen.
Im Fall der Gepäckverspätung ist es hingegen nicht ganz so offensichtlich, welche Schäden in diesem Zusammenhang ersatzfähig sind. Typische Schäden in einem solchen Fall sind die Kosten für die Ersatzbeschaffung von Kleidung und Hygieneartikeln. Deiner Schilderung kann ich jedoch nicht entnehmen, ob ihr solche Ersatzeinkäufe am Urlaubsort getätigt habt. Wenn ja sind die Kosten hierfür ersatzfähig, solange sie angemessen und notwendig waren. Weitere ersatzfähige Schäden können auch alle weiteren Kosten sein, die im direkten Zusammenhang mit der Verspätung stehen, wie z.B. Fahrtkosten oder Telefonkosten.
Im Rahmen eines Schadens ist unter Geltung des MÜs jedoch weiterhin zu beachten, dass ein grundsätzlich bestehender Schadenersatzanspruch seiner Höhe nach gem. Art. 20 MÜ gekürzt werden kann, wenn den Reisenden an der Entstehung des Schadens eine Mitschuld trifft. Eine solche Kürzung wird in der Rechtsprechung nämlich immer dann vorgenommen, wenn der Reisende z.B. wichtige Unterlagen, medizinische Geräte oder Medikamente im Koffer und nicht im Handgepäck transportiert, obwohl er von ihrer Wichtigkeit weiß. Vergl hierzu u.a. das Urteil des AG Stuttgart vom 11.12.90 AZ: 11 C 7998/90 oder das Urteil des LG Kölns vom 30.03.88 AZ: 10 O 445/87.
In deinem Fall kommt auf den ersten Blick auch eine solche Kürzung in Betracht, da du ja einen Großteil der Windeln für deinen Sohn im Koffer transportiert hast. Allerdings bin ich der Meinung, dass man dir hieraus keinen Vorwurf machen kann, da du ja einen Teil im Handgepäck transportiert hast und der Transport aller Windeln im Handgepäck aus Platzgründen wohl auch unmöglich war.
Schadensanzeige
Schließlich ist für beide Fälle eine weitere wichtige Voraussetzung die Aufgabe einer Schadensanzeige. Für diese hast du im Fall der Gepäckverspätung 7 Tage und für den Fall der Verspätung des Gepäcks 21 Tage Zeit. Gibst du eine solche Anzeige nicht oder nicht fristgerecht gegenüber der Airline ab, verlierst du sämtliche oben dargestellten Ansprüche. Eine solche Anzeige sollte schriftlich gegenüber der Airline erfolgen und alle wichtigen Angaben zur Verspätung bzw. Beschädigung deiner Koffer enthalten.
Sind in deinem Fall all diese Voraussetzungen erfüllt hast du sowohl gem. Art. 19 MÜ wegen der Verspätung als auch gem. Art. 17 Abs. 2 MÜ wegen der Beschädigung einen Anspruch auf Ersatz desjenigen Schadens, der dir hierdurch entstanden ist. Anspruchsgegner ist alternativ dein Vertragspartner (im Fall der Pauschalreise der Reiseveranstalter, im Fall eines Nur-Fluges, die Airline bei der du die Tickets gebucht hast).
Ansprüche nach allgemeinen Reisevertragsrecht
Handelt es sich bei dem betreffenden Flug um einen Teil einer Pauschalreise können sich für dich weitere Ansprüche aus dem BGB gegen den Reiseveranstalter ergeben. Voraussetzung hierfür ist, dass die Verspätung der Koffer bzw. die Beschädigung einen Mangel der Reise im Sinne des § 651c BGB darstellen. Im Fall der Beschädigung kann hiervon wohl nicht ausgegangen werden, da durch einen beschädigten Koffer nicht der Urlaub, sondern lediglich der Transport des Kofferinhaltes beeinträchtigt wird. Im Fall einer drei-tägigen Gepäckverspätung kann von einem solchen Mangel gemäß der Rechtsprechung jedoch durchaus ausgegangen werden. Vergl. hierzu u.a. folgende Urteile:
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AG Frankfurt AZ: 32 C 1201/97-19
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AG Frankfurt AZ: 29 C 2166/00-46 (bei Google zu finden unter "reise-recht-wiki.de 29 C 2166/00-46")
Liegt ein solcher Mangel, wie in deinem Fall vor, hast du möglicherweise gegen den Reiseveranstalter folgende Ansprüche:
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Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Selbstabhilfe gem. §651c BGB
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Anspruch auf Minderung der Reisepreises gem. §651d BGB
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Anspruch auf Schadenersatz gem. §651f Abs. 1 BGB
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Anspruch auf Schadenersatz wegen entgangener Urlaubsfreuden gem. §651f Abs. 2 BGB