Sehr geehrter Fragesteller,
Ihr Flug von Frankfurt nach London wurde annuliert. Angeführte Gründe waren sowohl die Abwesenheit eines Crew Mitglieds, als auch ein technischer Defekt am Flugzeug. Sie landeteten mit einer Verspätung von 4 Stunden und 30 Minuten in London.
Ihre Frage ist nun, ob British Airways eine Entschädigung zahlen muss.
> Annulierung
Dazu folgendes Urteil:
EuGH, Urteil vom 13.10.2011, Az C-83/10
Eine Annullierung liegt immer dann vor, wenn ein Flug nicht so durchgeführt werden kann wie geplant und der Start daher aufgegeben wird. Wird ein Flug auf einen anderen Tag verlegt, ist darin ebenfalls eine Annullierung zu sehen. Es ergeben sich somit auch Ansprüche aus der EU-Fluggastrechteverordnung. (bei Google einfach zu finden unter: „C-83/10 reise-recht-wiki“)
> Anspruch auf Ausgleichsleistungen
Ihr möglichen Ausgleichsleistungen, welche sich nach Artikel 7 der EU-Fluggastrechteverordnung richten, stellen sich deshalb wie folgt dar:
a) Bei einer Verspätung von 2 Stunden auf einer Strecke von 1500km oder weniger > 250€
b) Bei einer Verspätung von 3 Stunden bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1.500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1.500 km und 3.500 km > 300 €
c) Bei einer Verspätung von 4 oder mehr Stunden bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen > 600 €
Von diesem Anspruch auf Ausgleichsleistung kann sich die Fluggesellschaft allerdings befreien. Und zwar wenn sich die Fluggesellschaft beispielsweise auf außergewöhnliche Umstände beruft, siehe Artikel 5 der EU-VO:
„Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen ist nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.“
> Technischer Defekt als möglicher Ausschlussgrund
Dazu folgende Urteile:
EuGH, Urteil vom 22.12.2008 - Az.: C 549/07 - (einfach zu finden bei Google unter Az.: C 549/07 im "reise-recht-wiki")
Ein bei einem Flugzeug aufgetretenes technisches Problem, das zur Annullierung eines Fluges führt, fällt nicht unter den Begriff „außergewöhnliche Umstände“ im Sinne der VO 261/2004, es sei denn, das Problem geht auf Vorkommnisse zurück, die aufgrund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind. Allein der Umstand, dass ein Luftfahrtunternehmen die gesetzlich vorgeschriebenen Mindesterfordernisse an Wartungsarbeiten an einem Flugzeug durchgeführt hat, reicht nicht für den Nachweis, dass dieses Unternehmen „alle zumutbaren Maßnahmen“ im Sinne von Art. 5 Abs. 3 ergriffen hat
AG Rüsselsheim, Urteil vom 7.11.2006 – Az.: 3 C 717/06 (32) (einfach zu finden bei Google unter Az.: 3 C 717/06 (32) im "reise-recht-wiki")
Ein technischer Defekt mag zwar ungewöhnlich sein, ist aber nicht außergewöhnlich im Sinne der EU-Verordnung und ist auf jeden Fall in der Sphäre des Luftfahrtunternehmens angesiedelt und daher nicht unbeeinflussbar auf höhere Gewalt bzw. Einwirkung durch Dritte zurückzuführen.
EuGH, Urteil 19. November 2009 – Az. C-402/07 und C-432/07 (zu finden im Reise-Recht-Wiki:http://reise-recht-wiki.de/ausgleichszahlung-bei-flugverspaetung-urteil-az-c40207undc43207eugh.html)
Ausgleichansprüche für Fluggäste bestehen jedoch nicht, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass als Ursache eine „Außergewöhnlicher Umstand“ vorliegt.
Ein technischer Defekt ist also in der Regel nicht als außergewöhnlicher Umstand einzustufen. Dabei liegt die Beweislast auf Seiten der Fluggesellschaft, nicht auf Ihrer.
> Abwesenheit eines Crew Mitglieds als möglicher Ausschlussgrund
Ein Crew Mitglied könnte aus zwei Gründen abwesend sein. Zum einen wegen Krankheit, und zum anderen wegen der Überschreitung der Arbeitszeit. Fraglich ist, ob dies außergewöhnliche Umstände sind.
a) Krankheit
LG Darmstadt, Urteil vom 6.4.2011 - Az.: 7 S 122/10 (einfach zu finden bei Google unter "reise-recht-wiki")
Es ist allein der betrieblichen Sphäre der Fluggesellschaft zuzurechnen, wenn ein bei ihr beschäftigter Mitarbeiter erkrankt und deshalb seine vorgesehenen Aufgaben nicht wahrnehmen kann. Die Erkrankung eines Crew-Mitgliedes ist daher kein "außergewöhnlicher Umstand" und führt nicht nach Art. 5 Abs. 3 VO zum Wegfall der Leistungspflicht.
Ein Krankheitsfall ist deshalb wahrscheinlich schonmal kein außergewöhnlicher Umstand.
b) Überschreitung der Arbeitszeit
Womöglich ist aber eine Arbeitszeitüberschreitung zur Exkulpierung qualifiziert.
EuGH, Urteil vom 12.5. 2011 – Az.: C-294/10 (einfach zu finden über Google unter Az.: C-294/10 bei ”reise-recht-wiki”)
Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs – und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 ist dahin auszulegen, dass das Luftfahrtunternehmen, da es alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen hat, um außergewöhnliche Umstände zu vermeiden, die mit dem etwaigen Eintritt außergewöhnlicher Umstände verbundene Möglichkeit von Verspätungen bei der Flugplanung angemessen berücksichtigen muss. Es muss daher eine gewisse Zeitreserve vorsehen, um den Flug insgesamt möglichst bald nach dem Wegfall der außergewöhnlichen Umstände durchführen zu können.
Auch eine Überschreitung der Arbeitszeit ist also in der Regel kein außergewöhnlicher Umstand.
> Ergebnis
Weder die Abwesenheit eines Crew-Mitglieds, noch der durch British Airways angegebene technische Defekt sind als außergewöhnliche Umstände einzustufen, und befähigen die Fluggesellschaft wahrscheinlich nicht dazu sich von Ihrer Zahlungspflicht gegenüber Ihnen zu exkulpieren.
Ihnen könnte deshalb, angesichts der Strecke zwischen Frankfurt und London von knapp unter 800 km, ein Anspruch auf Ausgleichszahlungen über 250 Euro pro Fluggast zustehen. Sollte British Airways Ihnen diese Entschädigung nicht zahlen wollen, dann ist Ihnen zu raten sich an einen Anwalt zu wenden.