Hallo,
du hast mit deinem Freund einen gemeinsamen Urlaub gebucht. Im Zuge dessen habt ihr euch auch einen Koffer geteilt. Umso unerfreulicher war es dann, als dieser Koffer nicht mit euch im Hotel ankam, sondern erst Tage später wieder in euren Besitz geriet. Durch diese Gepäckverspätung entstand dir sowohl ein materieller, als auch ein immaterieller Schaden. Materiell im Sinne der zusätzlichen Kosten, welche du für Noteinkäufe tätigen musstest und immateriell wegen des Verlustes wertvoller Urlaubszeit. Den immateriellen Schaden kannst du leider nur geltend machen, soweit du eine Pauschalreise gebucht hast, da nur das Reisevertragsrecht des BGB diese Art von Schaden erfasst. Das Montrealer Übereinkommen, welches grundsätzlich bei Fällen der Gepäckverspätung angewandt wird, erfasst leider nur materielle Schäden. Bei einer Gepäckverspätung ist Art. 19 des Montrealer Übereinkommens heranzuziehen.
Art. 19 Verspätungen
Der Luftfrachtführer hat den Schaden zu ersetzen, der durch Verspätung bei der Luftbeförderung von Reisenden, Reisegepäck oder Gütern entsteht. Er haftet jedoch nicht für den Verspätungsschaden, wenn er nachweist, dass er und seine Leute alle zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung des Schadens getroffen haben oder dass es ihm oder ihnen nicht möglich war, solche Maßnahmen zu ergreifen.
Du hast also einen Anspruch auf Erstattung von Schäden, die kausal mit der Verspätung zusammenhängen. Dazu gehören typischerweise Ersatzkäufe für Sachen, die sich im Gepäck befinden und die der Fluggast sofort beziehungsweise täglich braucht. In Fällen in denen der Fluggast das Gepäck selbstständig am Flughafen abholen musste, kann dieser weiterhin die Transport bzw. An-und Abreisekosten geltend machen.
Je nach Airline können sich die Vorgehensweisen bei der Zahlung des Schadensersatzes unterscheiden. Teilweise handhaben es einige Fluggesellschaften so, dass diese einen Tagessatz für verspätetes Gepäck zahlen. In anderen Fällen wird die Höhe des Schadensersatzes anhand der eingesendeten Belege ermittelt. Letztes Jahr hat das Magazin Stern einen Bericht veröffentlicht, in welchem verschiedene Airlines verglichen wurden.
http://www.stern.de/tv/was-tun-bei-gepaeckverlust--liste-der-fluggesellschaften--so-unterschiedlich-entschaedigen-die-airlines-6454966.html
Falls kein Tagessatz gezahlt wird, muss beachtet werden, dass die Airlines nicht für sämtliche Ausgaben aufkommen, sondern wirklich nur die Ausgaben erstatten, welche sie für angemessen halten. Erfasst werden also nur die typischen Notkäufe und keine Anschaffung von Luxusprodukten.
Im Zuge dessen finde ich dieses Urteil besonders aussagekräftig:
AG Frankfurt, Urteil vom 13.06.2013, Az: 29 C 2518/12 (19) (Das Urteil ist sehr interessant und behandelt einige Fragen aus den EU Fluggastrechten. Du kannst das Urteil im Internet nachlesen, einfach googlen "reise-recht-wiki.de AG Frankfurt 29 C 2518/12 (19)")
Hier hat das AG Frankfurt den Klägern einen Teilanspruch zugesprochen, weil deren Koffer erst mit mehrtägiger Verspätung am Urlaubsort ankamen und sie sich Vorort um Ersatz kümmern mussten. Es entschied, dass Kleidungsstücke und Artikel zur Körperpflege ersetzt werden müssen, andere Zusatz- und Luxusprodukte hingegen nicht. Ersatzfähig seien nach Ansicht des Gerichts (bei einer mehrtägigen Verzögerung) sämtliche Gepäckstücke, die ersatzweise Anschaffung einer vollständigen Grundgarderobe und der Kauf entsprechender Pflegeprodukte.
Soweit du also auf den Kauf von Zusatz- und Luxusprodukten verzichtet hast, solltest du gemäß Art. 19 MÜ einen Anspruch auf den Ersatz der entstandenen Kosten haben. Dahingehend ist zu beachten, dass die Haftungshöchstgrenze für einen solchen Ersatz in Art. 22 Abs. 2 MÜ geregelt. Der derzeitige Maximalbetrag beträgt ca. 1416 Euro.
An dieser Stelle ist noch beachtenswert, dass dieser Betrag nicht pro Gepäckstück, sondern pro Person gilt. Demnach seid ihr also beide Schadensersatzberechtigte und könnt jeweils maximal 1416 Euro erstattet bekommen. So wurde es beispielweise auch in folgendem Urteil entschieden:
EuGH, Urteil vom 22.11.2012 Az. C-410/11 (einfach nachzulesen, wenn du bei Google folgendes eingibst: EuGH C-410/11 „reise-recht-wiki.de“)
Hier haben Reisende gegen die Fluggesellschaft Iberia geklagt. Der Gerichtshof hat den Begehren der Kläger entsprochen und somit verdeutlicht, dass eine Airline in Fällen der Gepäckverspätung nicht pro Gepäckstück, sondern pro Passagier haftet.
Das bedeutet also, dass jeder von euch einen Anspruch auf Entschädigung für eine Gepäckverspätung hat, unabhängig davon, wie viele Gepäckstücke am Check-In aufgegeben worden sind. Es wäre daher ratsam sich schnellstmöglich an das verantwortliche Luftfahrtunternehmen zu wenden und die jeweiligen Schadensersatzzahlungen zu fordern.