Hallo Nicoletta,
du hast eine Pauschalreise mit dem Reiseveranstalter L’TURS gebucht und hast nun erfahren, dass dein Rückflug um 9 Stunden vorverlegt wurde. Da du besonders auf „gute“ Flugzeiten geachtet hast, ärgert dich die Flugzeitenänderung nun sehr. Du fragst dich nun, ob du dir das so gefallen lassen musst oder möglicherwiese einen Anspruch auf Reisepreisminderung geltend machen kannst.
Dir könnte ein Anspruch auf Reisepreisminderung gemäß § 651 d BGB zustehen. Bei der Minderung gemäß § 651 d BGB handelt es sich nicht um ein Gestaltungsrecht. Die Minderung des Reiserechtes tritt vielmehr qua Gesetz ein. Dies bedeutet, dass unterschieden werden muss zwischen folgenden Konstellationen:
1) Wenn der Reisende die Reise angetreten hat ohne vollständig den Reisepreis entrichtet zu haben, erlischt der Zahlungsanspruch des Reiseveranstalters in Höhe des Minderwertes der Reise. Das bedeutet als, dass von dem eigentlichen Reisepreis die Minderung abgezogen wird.
2) Häufiger ist es jedoch so, dass der Reisende den Reisepreis bereits gezahlt hat und dann einen Rückzahlungsanspruch gemäß §§ 346 I, 638 IV, 651 d, 651 c, 651 a BGB geltend machen kann.
Dies setzt voraus, dass ein Reisevertrag geschlossen wurde und ein Mangel entstanden ist. Des Weiteren müsste dieser Mangel angezeigt worden sein. Zudem dürfte der Minderungsanspruch nicht ausgeschlossen sein und es dürften keine Einreden bestehen.
1) Ein Reisevertrag gemäß § 651 a BGB wurde von dir mit L’TURS geschlossen.
2) Es müsste ein Reisemangel vorliegen. Eine Reise ist mangelhaft, wenn sie einen Fehler aufweist oder nicht die zugesicherten Eigenschaften aufweist.
a) Fehler gemäß § 651 c Abs. 1 Fall 1
Bezüglich des Fehlers gilt der sogenannte subjektive Fehlerbegriff. Danach ist eine Reise mangelhaft, wenn die tatsächliche Beschaffenheit von der vereinbarten Beschaffenheit abweicht und dadurch der Nutzen der Reise aufgehoben oder gemindert wird. Der Urlaub soll der Erholung dienen, demnach ist der Nutzung der Reise nur dann aufgehoben oder gemindert, wenn eine Erholung nicht mehr möglich ist. Bei einer Kurzreise würde ich dies bejahen, bei einer längeren Reise jedoch ablehnen, da eine Vorverlegung von 9 Stunden dann kaum ins Gewicht fällt.
AG Hamburg, Urteil vom 22.08.1996, Az. 22b C 672/96 (ganz einfach zu finden, wenn du bei Google eingibst: " AG Hamburg 22 b C 672/96 reise-recht-wiki.de“
b) Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft gemäß § 651 c Abs. 1 Fall 2
Mangelauslösend wirkt zudem das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft. Eigenschaften sind alle tatsächlichen und rechtlichen Beziehungen zur Umwelt, sofern sie nach der Verkehrsanschauung für die Wertschätzung der Reise von Bedeutung sind. Fraglich ist wann eine Eigenschaft als zugesichert gilt. Teilweise wird angenommen, dass jede vertragliche Vereinbarung über Eigenschaften eine Zusicherung ist. In deinem Fall könnte somit auch die bei Buchung angezeigte Flugzeit eine zugesicherte Eigenschaft darstellen. Teilweise wird jedoch angenommen, dass eine Zusicherung erst dann anzunehmen sei, wen der Reiseveranstalter zum Ausdruck bringt, in verkehrsmäßig bindender Weise für das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein der Eigenschaft einstehen zu wollen. Folgt man dieser Ansicht, wäre eine zugesicherte Eigenschaft in deinem Fall abzulehnen Es kann regelmäßig nicht davon ausgegangen werden, dass ein Reiseveranstalter in verkehrsmäßig bindender Weise für die Einhaltung der Abflugs-und Ankunftszeiten einstehen will. Dies ist dem Reiseveranstalter auch häufig kaum möglich, da zumindest ein gewisser Spielraum an Flexibilität im Reiserecht unerlässlich ist. Auf Grund dessen sollte meiner Meinung nach der zweiten Ansicht gefolgt werden. Das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft würde ich daher in deinem Fall verneinen.
c) Zwischenergebnis
Ob ein Reisemangel vorliegt ist mithin immer vom Einzelfall abhängig zu machen. Falls du lediglich einen Kurztrip gebucht hast, könnte dieser bejaht werden. Andernfalls würde ich das Vorliegen eines Reisemangels eher ablehnen, soweit keine zusätzlichen erschwerenden Umstände hinzutreten.
Reine Flugzeitenänderungen werden von den Gerichten häufig als bloße Unannehmlichkeiten angesehen und stellen daher in der Regel keinen Reisemangel dar. Nur in Ausnahmefällen kommt eine Reisepreisminderung oder gar ein Kündigungsrecht des Reisenden wegen „wesentlicher Änderungen der Reiseleistung“ in Betracht. Um die Darstellung etwas praktischer zu gestalten, möchte ich hier noch ein paar vergleichbare Gerichtsentscheidungen anführen:
In diesen Fällen hat das Gericht einen Mangel bejaht:
AG Ludwigsburg, Urteil vom 18.08.2008, Az.10 C 1621/08 (bei Google einfach zu finden unter “ 10 C 1621/08 "reise-recht-wiki.de“)
„Die Vorverlegung des Rückflugs um 11 Stunden bei einer 7-tägigen Flugreise stelle einen Reisemangel dar und berechtige zur Reisepreisminderung für den Tag, der durch die Verlegung verloren ging.“
BGH Urteil vom 17. April 2012, Az. X ZR 76/11 (einfach zu finden, wenn du bei Google „reise-recht-wiki BGH X ZR 76/11“ eingibst)
„Das Entfallen der Nachtruhe durch Vorverlegung des Rückfluges stelle demnach einen Reisemangel gemäß § 651 c dar und berechtige zur Reisepreisminderung.“
In folgenden Fällen wurde ein Mangel hingegen abgelehnt:
AG Hannover, Urteil vom 20.11.2008, Az. : 519 C 7511/08 (bei Google einfach zu finden unter „519 C 7511/08 reise-recht-wiki“)
„Sobald die Flugzeitenänderungen keinen Verlust der Nachtruhe bedeuten, sind sie als bloße Unannehmlichkeiten zu werten.“
AG Bonn, Urteil vom 27.06.1996, Az.: 18 C 14/96 (ganz einfach zu finden, wenn du bei Google eingibst: “ 18 C 14/96 reise-recht-wiki")
„Eine Vorverlegung des Abfluges um 5 Stunden sei nicht als Beförderungsmangel zu qualifizieren und berechtige daher nicht zur Reisepreisminderung. Bei Charterflügen sei eine Flugzeitenverspätung von bis zu 8 Stunden zu tolerieren.“
AG Duisburg, Urteil vom 21.01.2005, Az.: 53 C 5163/04 (bei Google einfach zu finden unter “ 53 C 5163/04 reise-recht-wiki")
„Bei einer Ankunft um 01.00 Uhr nachts sei die Nachtruhe noch nicht erheblich verkürzt.“
3) Fazit
Ob in deinem Fall ein Reisemangel zu bejahen ist, kann meiner Ansicht nach, mangels einer detaillierten Beschreibung der Situation, nicht entschieden werden. Ich hoffe ich konnte dir trotzdem etwas weiterhelfen.