Guten Tag,
Sie haben einen Flug mit Air Berlin von Köln nach Olbia gebucht. Sie wurden nun, 48 Stunden vor Reiseantritt, über eine Flugzeitenveränderung informiert, bei der Ihr Abflug von 6:15 Uhr auf 17:45 verlegt wurde. Ihnen sind deshalb Kosten entstanden.
Auch wurde Ihnen mitgeteilt, dass Ihr geplanter Rückflug von 9:15 auf 13:45 verschoben wurde, und die Reisezeit 6 statt 2 Stunden dauern würde, da ein Zwischenstopp eingefügt wurde.
Sie fragen sich, ob Sie Anspruch auf eine Entschädigung haben. Sie könnten Ansprüche aus der EU-Fluggastrechteverordnung geltend machen. Fraglich ist, ob Ihre beiden Flüge annuliert wurden, oder Verspätungen anzunehmen sind. Dazu sollen Ihr Hin- und Rückflug getrennt betrachtet werden.
A. Hinflug
Ihr Hinflug wurde um 11 Stunden nach hinten verschoben, und dies könnte einer Annulierung im Sinne von Artikel 5 EU-VO gleichkommen, und Ihnen Ansprüche aus Artikel 7 EU-VO gewähren.
Es müsste also, im Sinne von Artikel 5 EU-VO, eine Annulierung vorgelegen haben. Um festzustellen wann eine Annulierung angenommen werden könnte soll das folgende Urteil des EuGH weiterhelfen:
EuGH, Urteil vom 13.10.2011, Az C-83/10 (bei Google einfach für Sie zu finden, wenn Sie eingeben: EuGH C-83/10 reise-recht-wiki.de)
Eine Annullierung liegt immer dann vor, wenn ein Flug nicht so durchgeführt werden kann wie geplant und der Start daher aufgegeben wird. Wird ein Flug auf einen anderen Tag verlegt, ist darin ebenfalls eine Annullierung zu sehen. Es ergeben sich somit auch Ansprüche aus der EU-Fluggastrechteverordnung.
AG Hannover, Urteil vom 21.04.2011, Az. 512 C 15244/10 (einfach zu finden, wenn Sie bei Google folgendes eingeben: AG Hannover 512 C 15244/10 reise-recht-wiki.de)
Hier hat das Gericht eine Annullierung des Fluges angenommen, wenn die Abflugzeit um mindestens 10 Stunden vorverlegt wurde.
Angesichts der Verschiebung von 11 Stunden könnte von einer Annulierung die Rede sein. Es könnte aber auch sein, dass diese Verschiebung noch als erhebliche Verspätung einzustufen ist:
EuGH, Urteil vom 19.11.2009, Az: C-402/07 (ganz einfach zu finden, wenn Sie bei Google eingeben: EuGH C-402/07 reise-recht-wiki.de)
Hier hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass der Abflug am nächsten Tag keine Annullierung, sondern eine Verspätung darstellte. Nach dem Urteil des Gerichtshofs kann ein verspäteter Flug unabhängig von der – auch erheblichen – Dauer der Verspätung nicht als annulliert angesehen werden, wenn er entsprechend der ursprünglichen Flugplanung des Luftfahrtunternehmens durchgeführt wird.
Landgericht Darmstadt, Urteil vom 12. 07. 2006 Az: 21 S 82/06 (ganz einfach zu finden, wenn Sie bei Google eingeben: LG Darmstadt 21-S 82/06 reise-recht-wiki.de)
Auch in diesem Urteil hat das Gericht entschieden, dass ein Abflug am nächsten Tag keine Annullierung, sondern ein Verspätung darstelle.
Prüfen können Sie dies auch über die Flugnummer Ihres Fluges, hat sich diese geändert, dann spricht dies eher für eine Annulierung. Aber vermutlich ist eine Abgrenzung, ob es sich um eine Annulierung oder eine erhebliche Verspätung handelt nicht nötig. Dazu die folgenden Urteile:
AG Rüsselsheim, Urt. v. 20.11.2012, Az: 3 C 1226/12 (32)
„Entgegen der Ansicht des beklagten Luftfahrtunternehmens ist die Abflugverspätung zur Feststellung einer Flugverspätung i. S. des Artikels 6 Abs. 1 der VO nicht ausschlaggebend. Vielmehr erhält Reisende einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung, wenn er nach Durchführung des Fluges einen Zeitverlust von mehr als drei Stunden erleidet.
EuGH, Urteil 19. November 2009 – Az. C-402/07 und C-432/07
Fluggäste verspäteter Flüge können im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 261/2004, bezüglich der Ausgleichsansprüche, den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt werden.
Folglich kann sich für Sie auch ein Anspruch aus Artikel 7 EU-VO auf eine Ausgleichszahlung ergeben wenn keine Annulierung, sondern eine Flugverspätung i.S.v. Artikel 6 EU-VO von mehr als drei Stunden vorlag.
Diese ist bei einer Verspätung um 11 Stunden meiner Ansicht nach unproblematisch gegeben, und Ansprüche aus Artikel 7 EU-VO könnten für Sie infrage kommen, soweit die Voraussetzungen vorliegen. Sie wurden weniger als 2 Wochen im Voraus informiert, daher entfällt der Anspruch nicht schon deshalb, siehe Artikel 5 Absatz 1 c). Auch können Ansprüche auf Ausgleichszahlungen entfallen, siehe Artikel 5 Absatz 3:
(3) Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen ist nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
Dazu ist Ihrer Nachricht aber nichts zu entnehmen. Meiner Ansicht nach können Sie daher einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen aus Artikel 7 EU-VO gegenüber Air Berlin geltend machen. Die Entfernung ist dabei gemäß der Großkreisberechnung zu ermitteln. Für die Strecke von Köln nach Olbia wären das etwas 1400 km, und daher vermutlich ein Anspruch auf 250 Euro pro Fluggast.
B. Rückflug
Ihr Rückflug wurde um 4,5 Stunden verschoben, wurde aber außerdem zusätzlich über Berlin geleitet. Auch hier wäre es wichtig zu wissen, ob sich die Flugnummer Ihres Fluges geändert hat, aber da sich neben den Flugzeiten auch die Flugroute geändert hat ist meiner Meinung nach ganz im Sinne des oben bereits genannten Urteils des EuGH eine Annulierung anzunehmen.
Damit würden sich aus Artikel 5 EU-VO folgend wieder Ansprüche gemäß Artikel 7 EU-VO ergeben.
Dies wären, der ursprünglichen Berechnung folgend, dann wieder 250 Euro pro Fluggast. Würde man einer alternativen Rechnung folgen, bei der die Teilstrecken, die sich wegen des Zwischenstopps ergeben, zusammenrechnen würde, kämen man aber auf eine Strecke über 1500km. Diese würde dann den Anspruch auf eine Ausgleichsleistung von 250 auf 400 Euro heben.
Dies ergibt sich aus einem noch recht jungen Urteil, und kann daher meiner Meinung nach eher nicht als gefestigte Rechtsprechung bezeichnet werden, soll aber einen Denkanstoß für deine Meldung bei Air Berlin liefern:
AG Frankfurt, Urteil vom 11.10.2013, Az. 29 C 1952/13 (81) (einfach für Sie zu finden, wenn Sie bei Google eingeben: AG Frankfurt, 29 C 1952/13 reise-recht-wiki.de)
Bei einem Zwischenstopp müssen die einzelnen Teilstrecken addiert werden. Im verhandelten Fall war dies von erheblicher Bedeutung, da der Kläger einen Flug von Luxor nach Frankfurt mit Zwischenstopp in Hurghada gebucht hatte. Der Flug wurde erst mit großer Verspätung durchgeführt. Nach der üblichen Berechnungsmethode beträgt die Flugstrecke zwischen Luxor und Frankfurt 3408 Kilometer, was eine Ausgleichszahlung in Höhe von 400,00 Euro ergibt. Wenn man jedoch die Teilstrecken von Luxor nach Hurghada und von Hurghada nach Frankfur