Guten Tag,
Sie haben einen Flug von Wien nach Faro angetreten. Ihr Flug wurde von 12:25 auf 19:05 verschoben. Dazu kam es, da die gesetzliche Arbeitsruhe eingehalten werden musste, die durch einen Streik vom vorigen Tag in Barcelona gestört war. Sie fragen sich, ob Sie einen Ausgleichsanspruch wegen der Verspätung und wegen den Taxikosten ob der späten Ankunftszeit am Zielort haben.
Sie könnten Ansprüche aus der EU-Fluggastrechteverordnung haben, besonders im Hinblick auf Artikel 7 und 9 EU-VO.
Sie kamen ob der Verschiebung knapp 6,5 Stunden später an Ihrem Zielort Faro an. Diese Verschiebung könnte als Annulierung Ihres ursprünglichen Fluges einzustufen sein.
EuGH, Urteil vom 13.10.2011, Az C-83/10 (bei Google einfach zu finden, wenn Sie eingeben: „C-83/10 reise-recht-wiki“)
Eine Annullierung liegt immer dann vor, wenn ein Flug nicht so durchgeführt werden kann wie geplant und der Start daher aufgegeben wird. Wird ein Flug auf einen anderen Tag verlegt, ist darin ebenfalls eine Annullierung zu sehen. Es ergeben sich somit auch Ansprüche aus der EU-Fluggastrechteverordnung.
Ein Hinweis darauf ob es sich hier um eine Annulierung handelt kann Ihnen auch Ihre Flugnummer liefern. Wurde diese im Vergleich zum ursprünglich gebuchten Flug geändert, handelt es sich also um einen neuen Flug, dann ist eine Annulierung anzunehmen.
Ansonsten kann lediglich von einer Verspätung im Sinne von Artikel 6 EU-VO die Rede sein.
Bei einer Verspätung von 3 Stunden oder mehr bei der Landung am Zielort zieht eine Flugverspätung dieselben Folgen nach sich wie eine Flugannulierung. Da es sich bei Ihnen um eine Verspätung von 6,5 Stunden handelt ist eine Unterscheidung meiner Meinung nach obsolet.
AG Rüsselsheim, Urt. v. 20.11.2012, Az: 3 C 1226/12 (32)
„Entgegen der Ansicht des beklagten Luftfahrtunternehmens ist die Abflugverspätung zur Feststellung einer Flugverspätung i. S. des Artikels 6 Abs. 1 der VO nicht ausschlaggebend. Vielmehr erhält Reisende einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung, wenn er nach Durchführung des Fluges einen Zeitverlust von mehr als drei Stunden erleidet.
EuGH, Urteil 19. November 2009 – Az. C-402/07 und C-432/07
Fluggäste verspäteter Flüge können im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 261/2004, bezüglich der Ausgleichsansprüche, den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt werden.
> Anspruch auf Ausgleichsleistungen
Ihre möglichen Ausgleichszahlungen richten sich nach Artikel 7 der EU-VO. Sie stellen sich wie folgt dar:
a) Bei einer Verspätung von 2 Stunden auf einer Strecke von 1500km oder weniger > 250€
b) Bei einer Verspätung von 3 Stunden bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1.500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1.500 km und 3.500 km > 300 €
c) Bei einer Verspätung von 4 oder mehr Stunden bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen > 600 €
Von diesem Anspruch auf Ausgleichsleistung kann sich die Fluggesellschaft allerdings befreien, siehe Artikel 5 Absatz 3 der EU-VO. Und zwar wenn sich die Fluggesellschaft beispielsweise auf das Vorliegen von außergewöhnlichen Umstände beruft:
„Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen ist nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.“
EuGH, Urteil 19. November 2009 – Az. C-402/07 und C-432/07
Ausgleichansprüche für Fluggäste bestehen jedoch nicht, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass als Ursache eine „Außergewöhnlicher Umstand“ vorliegt.
Genannt wurden Ihnen dazu ein Streik, und vor allem eine damit zusammenhängende Verspätung und Verschiebung der Arbeitsruhe, die eingehalten werden musste.
- Streik
Fraglich ist, ob ein Streik ein außergewöhnlicher Umstand sein kann.
AG Königs Wusterhausen, 31. Januar 2011, Az.: 4 C 308/10 (einfach zu finden, wenn Sie bei Google eingeben: "AG Königs Wusterhausen 4 C 308/10 reise-recht-wiki")
Reduzierung des Flugaufkommens um 50 % wegen Fluglotsenstreik ist ein außergewöhnlicher Umstand.
AG Frankfurt a. M., Urt. v. 8.12.2011 - 32 C 2066/11 (einfach zu finden, wenn Sie bei Google eingeben: "AG Frankfurt 32 C 2066/11 reise-recht-wiki")
Beruft sich ein Luftfahrtunternehmen auf einem Fluglotsenstreik als "außergewöhnlichen Umstand", muss es darlegen, welche konkreten Auswirkungen des Streiks hier ursächlich für die Verspätung des gebuchten Flugs gewesen sein sollen.
AG Frankfurt a. M. , Urt. v. 09.05.2006 - 31 C 2820/05-74 - (einfach zu finden, wenn Sie bei Google eingeben: "AG Frankfurt 31 C 2820/05-74 reise-recht-wiki")
Ein Streik des eigenen Personals kann nur dann als außergewöhnlicher Umstand im Sinne des Art. 5 Abs. 3 VO angesehen werden, wenn diese für die Fluggesellschaft nicht vorhersehbar war und der Fluggesellschaft im übrigen keine nicht vollkommen unzumutbare Möglichkeit blieb, auf den Streik zu reagieren und ihr Verhalten beispielsweise durch Beschaffung von Ersatz-Personal darauf einzustellen.
Eurowings muss beweisen, dass dieser Streik für sie nicht vorhersehrbar war und keine unzumutbare Möglichkeit bestand diesen zu verhindern. Aber in der Regel ist dies kein außergewöhnlicher Umstand.
(Fortsetzung folgt)