Guten Tag Axel,
ihr habt vor einiger Zeit Flüge bei Air Berlin gebucht. Nun wurde der Hinflug deiner Frau mehr als 6h nach hinten verlegt, deine Flugdaten haben sich jedoch nicht verändert. Über die Veränderung wurdet ihr 5 Wochen im Voraus informiert. Nun fragt ihr euch welche rechtlichen Möglichkeiten ihr habt.
Ich denke da zunächst an die Fluggastrechteverordnung der Europäischen Gemeinschaft Nr. 261/2004. Die Verordnung gilt für alle Flüge die aus der Gemeinschaft starten und für alle Flüge, die aus einem Drittstaat in einen Mitgliedsstaat fliegen unter der Voraussetzung, dass es sich dabei um ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft handelt. Dies sollte bei euch kein Problem darstellen.
Eine Annullierung liegt bei dem betroffenen Flug anscheinend nicht vor, da du nicht umgebucht wurdest. Ebenso kann nicht von einer großen Verspätung ausgegangen werden. Vielmehr denke ich da an eine Nichtbeförderung im Sinne von Art. 4 der EG-VO. In Art. 2 j findet sich diesbezüglich eine Begriffsbestimmung: „Nichtbeförderung“ ist die Weigerung, Fluggäste zu befördern, obwohl sie sich unter den in Artikel 3 Absatz 2 genannten Bedingungen am Flugsteig eingefunden haben, sofern keine vertretbaren Gründe für die Nichtbeförderung gegeben sind, z. B. im Zusammenhang mit der Gesundheit oder der allgemeinen oder betrieblichen Sicherheit oder unzureichenden Reiseunterlagen;
Die Verlegung auf einen anderen Flug kann ebenfalls als Nichtbeförderung angesehen werden. Fraglich ist, wie die Bedingung „sich am Flugsteig eingefunden haben“ im Bezug auf eine vorzeitige Umbuchung zu verstehen ist. Doch kann es einem Flugreisenden nicht zugemutet werden, sich schon mehrere Stunden vorher am Flugsteig zu befinden, wenn ihm die Umbuchung schon lange vorher mitgeteilt wurde. Eine Ausnahme dafür findet sich auch in Art. 3 II b EG-VO, welcher besagt, dass die VO auch unter der Bedingung gilt, dass die Fluggäste von einem Luftfahrtunternehmen oder Reiseunternehmen von einem Flug, für den sie eine Buchung besaßen, auf einen anderen Flug verlegt wurden, ungeachtet des Grundes hierfür. Wie eben erwähnt ist der Grund für die Umbuchung nicht von Bedeutung. Ich nehme mal an in Ihrem Fall wird eine Überbuchung vorliegen, aber das ist reine Spekulation.
Es gibt einige Gründe, die eine Nichtbeförderung eines Fluggastes rechtfertigen. Dies sind die sogenannten „nicht vertretbaren Gründe“. Solche können beispielsweise in der Person des Reisenden liegen, wenn sie Belange der Luftsicherheit oder die Sicherheit anderer Fluggäste berührt. Andere Gründe sind z.B. unzureichende Reisepapiere. In Ihrem Fall sollten solche Gründe ja nicht vorliegen.
Die Rechtsfolgen einer Nichtbeförderung sind in Art. 4 der EG-VO 261/2004 geregelt:
(1) Ist für ein ausführendes Luftfahrtunternehmen nach vernünftigem Ermessen absehbar, dass Fluggästen die Beförderung zu verweigern ist, so versucht es zunächst, Fluggäste gegen eine entsprechende Gegenleistung unter Bedingungen, die zwischen dem betreffenden Fluggast und dem ausführenden Luftfahrtunternehmen zu vereinbaren sind, zum freiwilligen Verzicht auf ihre Buchungen zu bewegen. Die Freiwilligen sind gemäß Artikel 8 zu unterstützen, wobei die Unterstützungsleistungen zusätzlich zu dem in diesem Absatz genannten Ausgleich zu gewähren sind.
(2) Finden sich nicht genügend Freiwillige, um die Beförderung der verbleibenden Fluggäste mit Buchungen mit dem betreffenden Flug zu ermöglichen, so kann das ausführende Luftfahrtunternehmen Fluggästen gegen ihren Willen die Beförderung verweigern.
(3) Wird Fluggästen gegen ihren Willen die Beförderung verweigert, so erbringt das ausführende Luftfahrtunternehmen diesen unverzüglich die Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 und die Unterstützungsleistungen gemäß den Artikeln 8 und 9.
Theoretisch müssten also vorerst Freiwillige gesucht werden, die auf den Flug verzichten, bevor das Luftfahrtunternehmen jemanden die Beförderung verweigert. Erst wenn sich nicht genügend Freiwillige gefunden haben, hat das Luftfahrtunternehmen ein Leistungsverweigerungsrecht gem. Art. 4 II EG-VO. Somit müsste Ihre Frau dann einen Anspruch auf Betreuungs- und Unterstützungsleistungen gem. Art. 8 und 9 der Verordnung haben, sowie einen Anspruch auf Ausgleichsleistungen gem. Art. 7 EG-VO.
Bezüglich Artikel 8 der VO hat der Fluggast ein Wahlrecht zwischen der vollständigen Rückerstattung der Flugscheinkosten binnen 7 Tagen oder einer anderweitigen Beförderung zu ähnlichen Konditionen.
Ebenso wird Bezug auf Ausgleichsleistungen gem. Art 7 genommen. In Betracht kommen:
• Ausgleichszahlungen in Höhe von 250 Euro bei einer Flugstrecke von weniger als 1.500 Kilometern
• Ausgleichszahlungen in Höhe von 400 Euro bei einer Flugstrecke zwischen 1.500 und 3.500 Kilometern
• Ausgleichszahlungen in Höhe von 600 Euro bei einer Flugstrecke von mehr als 3.500 Kilometern
Art. 5 I c i) sagt allerdings aus, dass solche Ausgleichszahlungen allerdings nicht geleistet werden müssen, wenn die Fluggäste über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet wurden. Dies wäre bei deiner Frau ja der Fall. Ich bin mir da nicht sicher, wie dies in Bezug auf die Umbuchung bzw. Nichtbeförderung gehändelt wird.
Ich würde mich an eurer Stelle schleunigst mit der Airline in Verbindung setzen und nach Alternativen suchen. Kommt natürlich drauf an, ob eine Stornierung oder Umbuchung für euch in Frage kommt oder nicht.
Hier nochmal die Leitsätze von interessanten Urteilen:
BGH, Urt. v. 17.3.2015, Az.: X ZR 34/14
1. Ein Luftverkehrsunternehmen ist grundsätzlich auch dann zu einer Ausgleichszahlung wegen Nichtbeförderung verpflichtet, wenn es dem Fluggast, der über eine bestätigte Buchung für einen Flug verfügt, die Beförderung auf dem gebuchten Flug verweigert, bevor sich der Fluggast zur vorgesehenen Zeit zur Abfertigung für den gebuchten Flug einfinden kann.
2. Ist die Luftbeförderung Bestandteil einer Reise, kann sich die bestätigte Buchung auch aus einem von dem Reiseveranstalter hierüber ausgestellten Beleg ergeben.
3. Eine vorweggenommene Beförderungsverweigerung kann darin liegen, dass der Fluggast ohne seine Zustimmung von dem geplanten und tatsächlich durchgeführten auf einen anderen Flug umgebucht und von dem Luftverkehrsunternehmen oder durch eine diesem zuzurechnende Mitteilung des Reiseveranstalters entsprechend unterrichtet wird.
LG Düsseldorf, Urt. v. 25.9.2015, Az.: 22 S 79/15
1. Einen den Ausgleichsanspruch nach Art. 7 I der VO (EG) 261/2004 begründende Nichtbeförderung iSd Art. 4 III iVm den Art. 3 II und III der VO (EG) 261/2004 setzt nicht voraus, dass sich der Fluggast am Flugsteig einfindet, wenn ihm bereits vorher seitens eines Mitarbeiters des Luftfahrtunternehmens mitgeteilt wird, dass man ihm die Mitnahme verweigere.
2. Die Tatbestandsvoraussetzung einer „bestätigten Buchung“ iSd Art. 3 II der VO (EG) 261/2004 iVm Art. 4 III der VO (EG)L 261/2004liegt vor, wenn der Fluggast über eine bestätigte Buchung verfügte, ihm diese Buchung aber vor An