Guten Tag,
sie sind gemeinsam mit ihren Eltern für ein paar Wochen nach Canada geflogen.
Der besagte Flug sollte am 14.05.15 in München starten und nach Vancouver über Frankfurt a.M. durchgeführt werden mit Air Canada.
Der Service beinhaltete die Beförderung bis zur Rampe.
Bedauerlicherweise hat sie der Rollstuhlservice verspätet zum Flugzeug gebracht, sodass sie den Flug nicht mehr rechtzeitig wahrnehmen konnten.
Die Fluggesellschaft hat nach dem Vorfall ihnen eine Unterkunft und Verpflegung bereitgestellt und einen Flug für den darauffolgenden Werktag vorgenommen.
Sie kamen schließlich in Canada mit einer Verspätung von 22 Stunden an.
Sie fragen sich nun ob und wenn ja welche Ansprüche sie ggf. gegen die Fluggesellschaft geltend machen können.
Zunächst einmal stehen ihnen meiner Meinung nach folgende Ansprüche ab einer Verspätung von 5 Stunden zu.
1. Entschädigung und Schadensersatz nach Art. 19 Montrealer Übereinkommen / Warschauer Abkommen i.V.m. VO (EG) Nr. 889/2002, MontÜG, §46 Luftverkehrsgesetz, §§631, 280 BGB
2. Betreuungs- und Unterstützungsleistungen gem. Art. 9, 8, 6 VO (EG) Nr. 261/2004 (bei Flügen von einer Entfernung bis 1.500 Kilometer; es zählt immer die Flugstrecke vom ersten Ausgangs-/Abflughafen bis zum letzten Zielort
a. Kostenfreie Verpflegung, Mahlzeiten und Erfrischungengem. Art. 9 Abs. 1 lit. a VO (EG) Nr. 261/2004 i.V.m. Art. 19 Montrealer Übereinkommen, §46 Luftverkehrsgesetz
b. Kostenfreie Telefongespräche und Kommunikations-möglichkeiten (Faxschreiben, Internet, E-Mail) gem. Art. 9 Abs. 2 VO (EG) Nr. 261/2004 i.V.m. Art. 19 Montrealer Übereinkommen, §46 Luftverkehrsgesetz
c. Kostenfreie Hotelunterbringung (einschließlich unentgeltlicher Fahrten vom/zum Flughafen vom/zum Hotel) gem. Art. 9 Abs. 1 lit. b und c VO (EG) Nr. 261/2004 i.V.m. Art. 19 Montrealer Übereinkommen, §46 Luftverkehrsgesetz
d. Besondere und bevorzugte Betreuung von älteren Menschen und Familien mit Kindern
e. Buchung auf höhere Klasse (Upgrade: Business Class, First Class) ohne Zuschlag oder Zuzahlung gem. Art. 10 VO (EG) Nr. 261/2004
3. Ab 5 Stunden Verspätung Anspruch auf vollständige Erstattung aller Flugticketkosten (einschließlich bereits zurückgelegter Reiseabschnitte, wenn der Flug im Hinblick auf den ursprünglichen Reiseplan des Fluggastes zwecklos geworden ist)
4. Kostenfreier Rückflug zum Ausgangs-/Abgangsflughafen zum frühestmöglichen Zeitpunkt
5. Ausgleichzahlung bis 600,00 EUR pro Person gem. Art. 7 Abs. 1 lit. a bis c VO (EG) Nr. 261/2004
6. Reisepreisminderung (bei Pauschalreisen – vgl.: Wann liegt eine Pauschalreise vor?) gemäß §§651d Abs. 1 i.V.m. 651c, 638 BGB.
Die Ansprüche nach Nr. 2. a,b,c,d haben sie schon geltend gemacht.
Meiner Meinung nach wäre es nun sinnvoll eine Ausgleichszahlung, aufgrund einer eine Nichtbeförderung nach Art. 4 Abs. 3 VO, gem.Nr. 5 gem. Art. 7 Abs. 1 lit. a bis c VO (EG) Nr. 261/2004 zu verlangen.
„Nichtbeförderung" nach Art. 2 lit. j VO ist die Weigerung, Fluggäste zu befördern, die sich unter den in Art. 3 Abs. 2 VO genannten Bedingungen am Flugsteig eingefunden haben.
Der Ausgleichsanspruch hat dabei drei Voraussetzungen:
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Der Fluggast verfügt entweder über eine bestätigte Buchung für den betreffenden Flug oder ist von einem anderen Flug, für den er eine solche Buchung besaß. auf den betreffenden Flug „verlegt" worden.
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Der Fluggast hat sich – außer im Fall der "Verlegung" und jedenfalls wenn ihm nicht schon vorher die Mitnahme verweigert worden ist - zur angegebenen Zeit oder mangels einer solchen Angabe 45 Minuten vor dem planmäßigen Abflug zur Abfertigung („Check-in") eingefunden.
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Dem am Flugsteig erschienenen Fluggast wird der Einstieg („Boarding") gegen seinen Willen verweigert.
Vorliegend treffen bei ihnen zumindest die Voraussetzungen aus Absatz 1 und 2 zu.
Somit liegt hier eine Nichtbeförderung seitens der Fluggesellschaft meines Erachtens nach vor.
Die Durchführung des Rollstuhlservices liegt dabei im Verantwortungsbereich des Flughafenbetreibers meiner Meinung nach und nicht in dem der Fluggesellschaft.
Sie haben lediglich meines Erachtens nach die eigenständigen Dienste des Rollstuhlservices über den Reiseveranstalter gebucht.
Es mag zwar weder sozial noch moralisch richtig klingen, aber rein rechtlich gesehen haben sie meines Erachtens nach keinen Anspruch auf Entschädigung gegen die Fluggesellschaft.
Jedoch sollten sie nicht verzweifeln und sich von einem guten Anwalt beraten lassen bzgl. möglicher Ansprüche gegen den Flughafenbetreiber.
Dies könnte meines Erachtens nach ggf. Aussicht auf Erfolg haben bzgl. Schadensersatzansprüche.
Ich hoffe ich konnte ihnen trotzdem etwas weiterhelfen und wünsche ihnen noch eine angenehme Woche und weiterhin alles gute.