Hallo,
Ihr Flug wurde also kurzfristig annulliert und die Informationen darüber erhielten Sie erst 19 h Stunden vor geplanten Abflug. Grund dafür sollte ein Fluglotsenstreik sein. Daraufhin haben Sie probiert mit der Airline Ryanair in Kontakt zu treten, doch diese wollte Ihnen nur einen Flug 9 Tage später anbieten. So entschieden Sie sich schließlich dazu auf eigene Faust einen Alternativflug mit Lufthansa zu buchen. Nun fragen Sie sich, ob Ihnen Ryanair die preisliche Differenz erstatten muss.
Bei solchen Vorfällen, insbesondere bei Annullierungen, Verspätungen oder Nichtbeförderungen gibt es einen gemeinschaftlichen Schutz der Fluggäste, welcher in der EU-Fluggastrechteverordnung 261/2004 niedergeschrieben ist.
In Ihrem Fall würde ich persönlich stark davon ausgehen, dass man in jedem Fall von einer Annullierung sprechen kann. Somit bietet Ihnen die Fluggastrechteverordnung in jedem Fall einen gewissen Mindestschutz. Bei einer Annullierung greift da insbesondere Art. 5 I EG-VO 261/2004. Im Folgenden füge ich ihnen einmal den Wortlaut an:
Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen
a) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungs- leistungen gemäß Artikel 8 angeboten,
b) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungs- leistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a) und Absatz 2 angeboten und im Fall einer anderweitigen Beför- derung, wenn die nach vernünftigem Ermessen zu erwar- tende Abflugzeit des neuen Fluges erst am Tag nach der planmäßigen Abflugzeit des annullierten Fluges liegt, Unter- stützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstaben b) und c) angeboten und
c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt, es sei denn,
i) sie werden über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet, oder
ii) sie werden über die Annullierung in einem Zeitraum zwischen zwei Wochen und sieben Tagen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als zwei Stunden vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen, oder
iii) sie werden über die Annullierung weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen.
Dies bedeutet im Grunde, dass Fluggäste, die von einer Annullierung betroffen waren im Wesentlichen große 3 Ansprüche aus der Verordnung zustehen. Dies wären zum einen der Anspruch auf Ausgleichsleistungen und zum anderen die Ansprüche auf Unterstützungs- und Betreuungsleistungen.
Bezüglich der Ausgleichsleistungen wird darauf abgestellt, zu welchem Zeitpunkt Ihnen die Mitteilung über die Annullierung bekannt gemacht wurde. In Ihrem Fall wurde diese Information nicht einmal 24 h vor Abflug erteilt. Zudem haben Sie auch keine Alternativbeförderung im Rahmen der in der VO beschriebenen Zeitangaben angeboten bekommen. Insofern wird auf Art. 7 EG-VO 261/2004 verwiesen. In diesem werden die verschiedenen Höhenordnungen der zu leistenden Ausgleichsleistungen aufgelistet:
- 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1 500 km oder weniger,
- 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 km und 3 500 km,
- 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen.
Problematisch ist in Ihrem Fall allerdings, dass sich Ryanair auf das Vorliegen eines Fluglotsenstreiks beruft. Ein solcher fällt unter Umständen auf das Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstands gem. Art. 5 III EG-VO 261/2004.
Denn die Verpflichtungen für ausführende Luftfahrtunternehmen sollen in den Fällen beschränkt oder ausgeschlossen sein, in denen ein Vorkommnis auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Solche Umstände können insbesondere bei politischer Instabilität, mit der Durchführung des betreffenden Fluges nicht zu vereinbarenden Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken, unerwarteten Flugsicherheitsmängeln und den Betrieb eines ausführenden Luftfahrtunternehmens beeinträchtigenden Streiks eintreten, so Erwägungsgrund 14 der VO. Dazu ist folgendes Urteil interessant:
BGH – Urteil 12.06.2014, Az.: X ZR 121/13
a) Beeinträchtigen außergewöhnliche Umstände (hier: ein Fluglotsenstreik) die Einhaltung des Flugplans eines Luftverkehrsunternehmens, kommt es für die Beurteilung der Frage, ob die Annullierung oder große Verspätung eines Flugs darauf zurückgeht, nicht darauf an, ob der Flug von den Umständen unmittelbar betroffen ist oder die Umstände an demselben Tag bei einem der vorangehenden Flüge des für den annullierten oder verspäteten Flugs vorgesehenen Flugzeugs eingetreten sind.
b) Welche Maßnahmen einem Luftverkehrsunternehmen zuzumuten sind, um zu vermeiden, dass außergewöhnliche Umstände zu einer großen Verspätung eines Fluges führen oder Anlass zu seiner Annullierung geben, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls; die Zumutbarkeit ist situationsabhängig zu beurteilen. Die Fluggastrechteverordnung begründet keine Verpflichtung der Luftverkehrsunternehmen, ohne konkreten Anlass Vorkehrungen wie etwa das Vorhalten von Ersatzflugzeugen zu treffen, um den Folgen außergewöhnlicher Umstände begegnen zu können.
c) Die Umbuchung von Fluggästen auf andere Flüge ist keine Maßnahme, um eine Annullierung oder eine große Verspätung zu vermeiden, sondern eine zusätzliche Möglichkeit, eine Ausgleichszahlung abzuwenden, obwohl eine Annullierung oder große Verspätung eingetreten ist. Dies gilt auch dann, wenn es im Einzelfall möglich gewesen wäre, alle Fluggäste eines annullierten oder verspäteten Flugs auf einen anderen Flug umzubuchen.
Insofern kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, ob sich Ryanair hier tatsächlich auf einen außergewöhnlichen Umstand beziehen kann.
Wie oben bereits erwähnt, haben Sie auch einen Anspruch auf Betreuungs- und Unterstützungsleistungen gem. Art. 8 und 9 der Fluggastrechteverordnung 261/2004. Daraus ergibt sich, dass man als betroffener Fluggast wählen kann zwischen
… der vollständigen Erstattung des Flugpreises binnen 7 Tagen
… ODER einer anderweitigen Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt
… ODER vorbehaltlich verfügbarer Plätze eine anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes.