Hallo,
Sie haben einen Flug von Wien über Frankfurt nach Singapur gebucht. Leider war es nun so, dass der Flug nach Frankfurt leider unter einer Verspätung litt, da aufgrund eines aufkommenden Gewitters das Betanken des Flugzeugs aufgrund einer Explosionsgefahr des Tankwagens unterbrochen werden musste. Zwar hatte auch der Folgeflug eine Verspätung, trotzdem war es Ihnen mit der ganzen Familie nicht möglich den Flug in der kurzen Zeit zu erreichen. Im Endeffekt sind Sie dann erst mit einer Verspätung von 21 Stunden in Singapur gelandet.
Bei der Frage nach einer Entschädigung ist auf die europäische Fluggastrechte-Verordnung 261/2004 zu verweisen. Zunächst muss geklärt werden, wie Ihr Fall zu bewerten ist. Dazu folgendes Urteil:
LG Berlin, Urteil vom 15.10.2013, Az 54 S 22/13 (zu finden über die Google-Suche „54 S 22/13 reise-recht-wiki“)
Wenn eine (auch nur geringe) Flugverspätung dazu führt, dass Passagiere einen anschließenden Flug verpassen und so mit großer Verspätung an ihrem Ziel ankommen, so können sie eine Ausgleichszahlung nach der EU-Fluggastrechteverordnung verlangen. Denn entscheidend ist nicht die Höhe der Verspätung an einem Zwischenflughafen, sondern nur die Verspätung am eigentlich zu erreichenden Ziel.
Daher könnten wohl tatsächlich Ausgleichsleistungen n. Art. 7 der VO in Betracht kommen. Diese ergeben sich je nach Flugstrecke in einer unterschiedlichen Höhe, die ich hier zitiere:
a) 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1 500 km oder weniger
b) 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 km und 3 500 km,
c) 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen.
Diese Ausgleichsleistungen gelten auch pro betroffener Person, also für jedes Familienmitglied.
Problematisch ist allerdings, dass hier wohlmöglich die Regelung des Art. 5 III der VO eingreifen könnte:
„Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen ist nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.“
Fraglich ist, ob ein außergewöhnlicher Umstand auch bei einem Gewitter vorliegen kann.
Gewitter zählen theoretisch zu den Vorkommnissen, die häufig im Vorfeld eines Fluges auftreten und mit denen eine Airline in der Regel zu rechnen hat. Insofern kann nicht von einem außergewöhnlichen Umstand ausgegangen werden. Denn dass ein Gewitter auch einer planmäßigen Durchführung eines Fluges entgegenstehen kann, ist kein Grund dafür von einem außergewöhnlichen Umstand auszugehen. Dazu folgende Urteile:
AG Geldern, Urteil vom 20.02.2008, Az.: 4 C 241/07
(einfach für Sie zu finden, wenn Sie bei Google eingeben: „4 C 241/07 reise-recht-wiki“)
Will sich ein Luftfahrtunternehmen, das einen bestimmten Flug annulliert hat, auf „mit der Durchführung des betreffenden Fluges nicht zu vereinbarende Wetterbedingungen“ als „außergewöhnliche Umstände“ berufen, so kann es nur die Wetterbedingungen heranziehen, die sich auf den annullierten Flug unmittelbar ausgewirkt haben.
AG Köln, Urt. v. 17.02.2016 – 114 C 208/15 (zu finden über die Google-Suche „114 C 208/15 reise-recht-wiki“)
Möchte sich ein Luftfahrtunternehmen darauf berufen, dass die Betankung des Flugzeuges wegen Brand- und Explosionsgefahr nicht vorgenommen oder unterbrochen werden musste und das Flugzeug deshalb nicht rechtzeitig zum Abflug fertig gewesen, so muss die Fluggesellschaft vortragen, wie lange das Gewitter andauerte und warum eine Betankung nicht möglich war. Dabei muss vorgetragen werden, ob eine Betankung grundsätzlich nicht möglich war oder eine solche nur an fehlenden organisatorischen Vorkehrungen scheiterte.
Ob dies jetzt einen außergewöhnlichen Umstand darstellt, kommt auf die Umstände des Einzelfalls ab.
Insofern ist es nicht ohne weiteres möglich, darüber einen klaren Zipp zu gehen. An sich sollte Sie trotzdem mit der Airline in Kontakt treten und die Ausgleichszahlungen erstmal anfordern. Danach könnten Sie sich evetl. immer noch mit einem Fachanwalt austauschen.