Sie haben einen Flug bei SLM über ein Reiseportal gebucht. Sie wurden vom Reisevermittler 10 Tage vor Abreise darüber informiert, dass der Flug annulliert wurde. Nun fragen Sie sich, ob Sie dadurch einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen gegen die Fluggesellschaft oder ersatzweise den Reisevermittler haben.
Zunächst ergeben sich mögliche Ansprüche aus der Europäischen Fluggastrechte Verordnung. Diese regelt verschiedene Ansprüche von Fluggästen bei einem Nur-Flug gegenüber der Fluggesellschaft.
So ergibt sich bei einer Annullierung des Fluges ein Anspruch auf Ausgleichszahlungen aus Art. 7 VO Nr. 261/2004. Dieser entfällt wie Sie schon festegestellt haben, jedoch dann, wenn der Fluggast mindestens 2 Wochen vor dem Flug über die Annullierung informiert wurde. Dieses stellt sich in Ihrem Fall ein wenig problematisch dar. Sie haben von der Annullierung weniger als 2 Wochen im Vorraus durch den Reisevermittler erfahren. Die Frist wurde also eigentlich nicht eingehalten. Jedoch hat die Fluggesellschaft den Reisevermittler rechtzeitig informiert. Fraglich ist also, ob Sie trotzdem einen Anspruch gegen die Fluggesellschaft haben.
Zu diesem Fall hat der EuGH im Jahre 2017 eine Entscheidung getroffen (EuGH, Urteil v. 11.05.2017, Az.: C‑302/16):
Information an den Reisevermittler reicht nicht aus
Der EuGH stellte in seiner Entscheidung fest, dass die Vorschrift über die Ausgleichszahlung bei Flugannullierungen so ausgestaltet ist, dass Flugreisende grundsätzlich die Zahlung der Entschädigung immer verlangen können. Nur wenn die Airline nachweist, dass der Fluggast mindestens zwei Wochen vor Abflug des annullierten Flugs über die Annullierung informiert war, entfällt der Anspruch. Aus diesem Grund genügt es nicht, den Reisevermittler zu informieren, denn die Kenntnis des Reisevermittlers ist nicht gleichzusetzen mit der Kenntnis des Fluggastes. Um sich erfolgreich von der ihr obliegenden Pflicht zur Zahlung der Entschädigung zu befreien, muss die Airline sicherstellen, dass die Information über die Flugannullierung auch beim Fluggast rechtzeitig innerhalb der Zwei-Wochen-Frist ankommt.
Beweislast trägt die Airline
Der EuGH weist in seiner Entscheidung explizit darauf hin, dass die europäische Fluggastrechteverordnung bezweckt, für Fluggäste ein möglichst hohes Schutzniveau zu garantieren. Deshalb trägt die Airline grundsätzlich die Beweislast dafür, dass ein Fluggast rechtzeitig die Information über die Annullierung seines Flugs erhalten hat. Sie muss ihn hierzu zwar nicht persönlich informieren, sie kann sich aber eben auch nicht darauf berufen, den Reisevermittler rechtzeitig informiert zu haben. Informiert eine Airline nicht den Reisenden selbst, sondern z. B. nur das vermittelnde Online-Portal, trägt sie das Risiko, dass das Portal die Information zu spät an den Reisenden weiterleitet. Sie wird deshalb in diesem Fall nicht von ihrer Verpflichtung zur Zahlung der Entschädigungszahlung befreit, auch wenn sie die Information über einen Monat vor Ablauf der Zwei-Wochen-Frist an den Reisevermittler weitergeben hat. Der EuGH wies aber zugleich darauf hin, dass die Airline in einem derartigen Fall jedoch möglicherweise die von ihr zu zahlende Entschädigung vom Reisvermittler ersetzt verlangen kann.
Fazit
Es spielt also nach der jüngsten Entscheidung des EuGH keine Rolle, ob Fluggäste den Flug direkt bei der Airline buchen oder über einen Reisevermittler wie etwa eines der zahlreichen Online-Portale. In beiden Fällen muss die Airline sicherstellen, dass der Reisende zwei Wochen vor Abflug des Fluges über die Annullierung informiert ist. Kann sie dies nicht beweisen, muss sie die Entschädigung von 250 Euro bis 600 Euro nach der europäischen Fluggastrechteverordnung zahlen. Für Sie bedeutet das, dass Sie einen Anspruch auf Ausgleichszahlung gegenüber SLM haben.