Hallo,
auf eurem Flug in die Türkei von München aus kam es leider zu einer Verzögerung. Zunächst kam es zu einem technischen Fehler, der allerdings recht schnell wieder behoben wurde. Daraufhin bekam ein älteres Pärchen leider deutliche Flugangst, sodass dieses wieder ausgestiegen ist und auch das Gepäck ausgeladen musste. Letztendlich seid ihr mit einer Verspätung von 3 h und 15 Minuten in Antalya angekommen. Nun möchtest du wissen, ob ihr ein Anrecht auf eine Entschädigung habt.
Zunächst ist zu sagen, dass der EuGH entschieden hat, das Fluggästen, die mit einer Verspätung von über 3 Stunden am Endziel ankommen, ebenfalls Ansprüche aus der europäischen Fluggastrechteverordnung zustehen können. Daher könnte bei euch tatsächlich ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gem. Art. 7 der Verordnung anfallen. Je nach zurückgelegter Flugstrecke kommt ein Anspruch in unterschiedlicher Höhe in Betracht. Diese sind wie folgt:
a) 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1 500 km oder weniger,
b) 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 km und 3 500 km,
c) 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen.
Nun beschreibst du aber, dass zunächst ein technischer Defekt vorlag und daraufhin ein paar Fluggäste aussteigen wollten, weshalb sich die Wartezeit verlängert hat. Insofern müsste man prüfen, ob eventuell ein Ausschlussgrund gem. Art 5. III der Verordnung vorlag. Denn das Luftfahrtunternehmen muss die oben aufgelisteten Entschädigungszahlungen nicht leisten, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
(1) Technischer Defekt
Zunächst zu der Frage, ob ein technischer Defekt einen außergewöhnlichen Umstand darstellt. Oftmals wird ein technisches Problem nicht als Begründung für die Befreiung zur Zahlungspflicht angenommen. Dies ist aber immer Einzelfallabhängig. Zum besseren Verständnis möchte ich auf diese Urteile verweisen:
AG Rüsselsheim, Urteil vom 7.11.2006 – Az.: 3 C 717/06 (einfach zu finden bei Google unter "reise-recht-wiki")
Ein technischer Defekt mag zwar ungewöhnlich sein, ist aber nicht außergewöhnlich im Sinne der EU-Verordnung und ist auf jeden Fall in der Sphäre des Luftfahrtunternehmens angesiedelt und daher nicht unbeeinflussbar auf höhere Gewalt bzw. Einwirkung durch Dritte zurückzuführen.
LG Darmstadt, Urteil vom 20.7.2011 – Az.: 7 S 46/11 (einfach zu finden bei Google unter "reise-recht-wiki")
Für das Vorliegen „außergewöhnlicher Umstände” ist – unabhängig von der Kategorisierung als „technischer Defekt” oder „unerwarteter Sicherheitsmangel” – entscheidend, ob das zugrundeliegende Geschehen ein typisches und in Ausübung der betrieblichen Tätigkeit vorkommendes Ereignis darstellt oder ob es der Beherrschbarkeit der Fluggesellschaft völlig entzogen ist.
AG Köln, Urteil vom 5.4.2006 - Az.: 118 C 595/05 (einfach zu finden bei Google unter "reise-recht-wiki")
Auch wenn ein technisches Problem als ein „außerordentlicher Umstand i.S.d. Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 angesehen wird, muss das Luftfahrtunternehmen substantiiert vortragen, woraus sich ergeben könnte, dass der angegebene technische Defekt unerwartet und unvermeidbar gewesen ist. Die Behauptung, das streitbefangene Flugzeug sei regelmäßig gewartet worden, ist ersichtlich zu pauschal gehalten, um die gemäß Art. 5 Abs. 3 VO (EG) 261/2004 erforderliche Exkulpation bewirken zu können.
(2) Flugangst
Zuletzt muss noch geklärt werden, wie dies bezüglich der Flugangst der anderen Passagiere zu werten ist. Dazu folgendes Urteil:
AG Erding, Az.: 8 C 2378/16 (einfach zu finden bei Google unter "reise-recht-wiki")
Kommt es bei Fluggästen zu Flugangst aufgrund eines vorangegangenen technischen Defekts, so ist dieses Geschehnis nicht als sonderlich außergewöhnlich zu beurteilen.
Insofern gehe ich davon aus, dass tatsächlich ein Anspruch gegeben sein könnte. Wendet euch dahingehend am besten direkt an die Airline. Oftmals findet man Formulare auf der jeweiligen Website.