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Und wieder einmal wurde gestreikt, weshalb ich meinen Urlaub zu Hause verbringen musste. Über den allgemein bekannten Reiseveranstalter TUI buchte ich eine Pauschalreise 5.10.2016-17.10.2016 nach Fuerteventura für 2 Personen (Hin- und Rückflug + Hotelaufenthalt für 2.550 €).
Flug sollte laut Reisebestätigung, die wir am 6.1.2016 erhielten, von TUIfly durchgeführt werden (X32138).
Am Flughafen in Frankfurt angekommen, teilte uns TUI mit, dass unser Reisevertrag von TUI gekündigt worden ist. Alternativen hat sie uns nicht angeboten. Nach langen und wütenden Diskussionen fuhren wir wieder zurück nach Hause. Unseren Urlaub verbrachten wir deshalb in den eignen 4 bekannten Wänden, anstatt am Strand in Fuerteventura.
Angeblich hat TUI die Reise wegen höherer Gewalt kündigen müssen („extreme Welle von Krankmeldungen sind eingegangen“ = wilder Streik).
TUIfly konnte ihre Beförderungsleistung nicht erbringen, weil sie kein Personal zur Verfügung stehen hatte (ca. 70% des Cockpitpersonals seien betroffen gewesen und ca. 40% des Kabinenpersonals). Dadurch wurde der Flugbetrieb lahmgelegt. Wir schalteten umgehend einen Anwalt ein, weil wir auf den ganzen Kosten nicht sitzen bleiben wollten (Ticketpreise, Fahrtkosten zum Flughafen und zurück, Portokosten bis zum 12.11.).
Am 22.10. forderte deshalb unser Anwalt TUI zu einer Ausgleichsleistung auf.
Und am 26.10. wiederum forderte er nach gemeinsamer Absprache, TUI zu einer Entschädigung wegen vertaner Urlaubszeit auf (Zahlungsfrist: innerhalb 15 Tage). TUI zahlte natürlich nicht, sonst würde ich mich hier nicht an euch wenden.
TUI antwortete, dass Ansprüche gem. §651g Abs. 1 BGB ausgeschlossen seien. Angeblich hätten wir die Monatsfrist nicht eingehalten.

Außerdem bestünden so oder so keinerlei Ansprüche, weil höhere Gewalt im Spiel war und deshalb Haftung ausgeschlossen ist.

Von dieser 1 Monatsfrist wussten wir jedoch nichts, noch ist sie irgendwo aus den Unterlagen zu entnehmen.

Wegen einiger Differenzen und auch privaten Gründen, mussten wir uns von unserem ersten Anwalt trennen, weshalb sich die ganze Sache so lange hinzieht! Nun möchten wir das ganze jedoch wieder in Angriff nehmen und hoffentlich bald zum Abschluss bringen. Unser neuer Anwalt befasst sich momentan mit der ganzen Angelegenheit, nur haben wir noch kein 100% Vertrauen ihn ihm und dem was er bisher erzählt hat, weshalb ich mich hier an euch wenden möchte und eure erfahrene Meinung dazu gerne hören möchte, um es einfach mit dem Gesagten von unserem Anwalt vergleichen zu können.


Wie würdet ihr diesen Fall rechtlich beurteilen?
Können wir Entschädigung verlangen? Wenn ja, für was alles und in welcher Höhe (ungefähr)?

Gefragt in Europäische Fluggastrechte von
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1 Antwort

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Hallo,

dein Urlaub auf Fuerteventura wurde von TUI aufgrund einer Massenerkrankung storniert. Das ist sehr schade und ärgerlich. Du fragst dich also zurecht, ob du einen Anspruch auf Entschädigung hast oder ob sich TUI von dieser Zahlungspflicht befreien kann. Zunächst sei darauf hingewiesen, dass in diesem Forum die Frage einer Entschädigung beim wilden Streik schon oft gestellt und beantwortet wurde. Zum Beispiel hier:

Liegt ein außergewöhnlicher Umstand vor wenn TUIfly meint dass sie selbst von den Maßnahmen ihrer Mitarbeiter überrascht gewesen sei und dies für sie unerwartet kam (wilder Streik)??

Deine Reise wurde komplett storniert. Bei einer Annullierung der Flüge ist es so, dass den Reisenden aus Artikel 5 in Verbindung mit Artikel 7 der Europäischen Fluggastrechteverordnung zusteht. In diesen Artikel steht folgendes:

Artikel 5:
(1) Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen

a) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 8 angeboten,

(…)

c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt (…)

Artikel 7:
Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:

a.250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1 500 km oder weniger,

b. 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 km und 3 500 km,

c.600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen

Aus deiner Schilderung entnehme ich, dass die Frist zur Bekanntgabe der Annullierung nicht eingehalten wurde und du erst am Flughafen über die Annullierung erfahren hast. Eine weitere Voraussetzung dafür, dass die Fluggesellschaft nicht zu leisten braucht, steht in Artikel 5 Absatz 3:

(3) Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen ist nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

Die genaue Definition des außergewöhnlichen Umstands kannst du hier nachlesen:

http://passagierrechte.org/Au%C3%9Fergew%C3%B6hnliche_Umst%C3%A4nde

Da sich TUI bei der Massenerkrankung auf einen außergewöhnlichen Umstand beruft, muss erst untersucht werden, ob der Streik ein außergewöhnlicher Umstand darstellt. Hierzu haben Gerichte schon einige Urteile gesprochen, von denen ich dir hier einmal 4 aufzähle:

AG Frankfurt a.M., Urt. v. 03.05.2017, Az.: 29 C 3361/16 (40)
Meldet sich ein erheblicher Teil des Flugpersonals krank, stellt dies unabhängig davon, ob dies als "Wilder Streik" oder tatsächliche Fluguntauglichkeit zu bewerten ist, einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne von Art. 5 III der Fluggastrechteverordnung dar. Ist ein Fluggast davon in Form einer Flugannullierung betroffen, besteht kein Anspruch auf Ausgleichszahlung nach Art. 7 VO.

AG Frankfurt a.M., Urt. v. 03.03.2017, Az.: 31 C 117/17 (16)
Kommt es zu einer Flugverspätung aufgrund massenhafter angeblicher Krankmeldungen des Flugpersonals, so kann sich die Airline nicht auf außergewöhnliche Umstände berufen.

AG Brühl, Urt. v. 20.02.2017, Az.: 3 C 480/16
Ein außergewöhnlicher Umstand gem. Art. 5 III der VO liegt selbst bei massenhaften unberechtigten Krankmeldungen von Mitarbeitern nicht vor. Ein solcher "Wilder Streik" ist nicht vergleichbar mit einem regulären, von einer Gewerkschaft organisierten Streik.

AG Hannover, Urt. v. 03.05.2017, Az.: 425 C 1171/17
Kommt es zu einem wilden Streik des Personals eines Luftfahrtunternehmens, so kann dieses sich nicht auf außergewöhnliche Umstände im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung (VO) stützen. Einem betroffenen Fluggast steht daher ein Anspruch auf Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 VO zu.

Wie du siehst, waren sich die Gerichte über den Umgang des wilden Streiks uneinig, weshalb sich der EuGH der Frage angenommen hat. Im April 2018 wurde ein Urteil gesprochen, das du unter diesem Link nachlesen kannst:

http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=201149&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1

Ob ein Streik also ein außergewöhnlicher Umstand ist, wird nach den folgenden Kriterien beurteilt: Das Ereignis, das zur Behinderung führt, darf nicht Teil der normalen Betriebstätigkeit sein und das Ereignis darf nicht von der Airline beherrschbar sein.

Hier hat der EuGH folgendermaßen zum wilden Streik Stellung genommen:

Den Medien ist zu entnehmen, dass der wilde Streik bei TUI durch den sogenannten „Management Letter“ ausgelöst wurde. dieser enthielt eine Mitteilung über eine überraschende Umstrukturierung bei TUI. Ein Streik der Mitarbeiter als Reaktion auf diese Mitteilung ist ein Ereignis, mit dem gerechnet werden konnte.

Aufgrund dessen entschied der EuGH, dass der Streik als Teil der normalen Geschäftstätigkeit einzuordnen ist.

Über die Beherrschbarkeit des Streiks lässt sich sagen, dass dieser durch eine Einigung zwischen Konzern und Betriebsrat sofort beigelegt wurde. Der Streik war also durchaus von TUI beherrschbar.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der wilde Streik kein außergewöhnlicher Umstand ist, der TUI von seiner Zahlungspflicht befreit. Meiner Meinung nach, hast du einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung.

Das Reiserecht ist sehr komplex, weswegen ich dir trotzdem rate, einen Anwalt zu Hilfe zu holen, wenn es um die Geltendmachung der Ansprüche geht. Er kennt sich mit der rechtlichen Beurteilung solcher Fälle aus.
 

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