Du hast eine Pauschalreise in Sri Lanka gebucht. Bestandteil dieser Reise war auch der Flug von Frankfurt nach Colombo.
Der Rückflug machte einen Zwischenstopp in Abu Dhabi. Der Flug von Colombo nach Abu Dhabi wurde mit Etihad Airways ausgeführt und hatte die Flugnummer EY 287. Dieser Flug hob erst 3 Stunden später als geplant ab. Dadurch habt ihr in Abu Dhabi euren Anschlussflug verpasst. Dadurch habt ihr Frankfurt erst mit einer Verspätung von 13 Stunden erreicht. Jetzt Fragst du dich, ob dir eine Entschädigung zusteht.
Der Europäische Gerichtshof in Brüssel hat am 26.02.2013 in einem Urteil die Passagierrechte deutlich gestärkt. Demnach haben Reisende nun auch Recht auf Entschädigungszahlung durch die Fluggesellschaft, wenn sie wegen eines nur leicht verspäteten Zubringerfluges ihren Anschlussflug verpasst haben.
Laut Urteil ist für den Anspruch auf eine Ausgleichszahlung allein die Verspätung am Endziel entscheidend. Bisher war die Rechtsprechung davon ausgegangen, dass im Fall mehrteiliger Flüge eine getrennte Betrachtung jeder einzelnen Flugstrecke erfolgen muss. Dies galt bisher auch, wenn beide Flüge in Verbindung gebucht wurden. Im Fall einer Verspätung des Zubringerfluges unter einer Verspätungszeit von drei Stunden konnten Fluggäste bis zu dem Urteil vom 26. Februar 2013 keine Rechte geltend machen – auch wenn die Verspätung am Endziel wegen des verpassten Anschlussfluges erheblich war, sprich mehr als drei Stunden. Die verspätete Landung am Endziel war also nicht relevant für einen Entschädigungsanspruch.
Es ist demnach alleine die Verspätung am Endziel beachtenswert und diese beträgt in Ihrem Fall 13 Stunden. Damit steht Ihnen ein Anspruch auf Ausgleichszahlungen aus der europäischen Fluggastrechte Verordnung zu. Damit lässt sich auch Ihre erste Frage beantworten. Etihad Airways muss Ihnen die Flugentschädigung nach der Fluggastverordnung Nr. 261/2004 auch zahlen, wenn der Hinflug nur 90 Minuten Verspätung hatte und dadurch aber der Weiterflug verpasst wurde.
Dazu auch das folgende Urteil:
LG Frankfurt, Urteil vom 26.07.2013 – Az.: 2-24 S 47/12
Es ist davon auszugehen, dass ein verpasster Anschlussflug und einer entsprechenden Verspätung von mindestens 3 Stunden am Endziel grundsätzlich einen Ausgleichsanspruch auslöst – auch dann, wenn der Umsteigeflughafen außerhalb der EU liegt oder die Zubringer- und Anschlussflug von verschiedenen Fluggesellschaften durchgeführt wurden.
Die Höhe der Ausgleichszahlungen bemisst sich nach der Entfernung und der Verspätung-wie folgt:
- Bei einer Verspätung von 2 Stunden auf einer Strecke von 1500km oder weniger: 250€
- Bei einer Verspätung von 3 Stunden auf einer Strecke innerhalb der EU oder bis 3500km: 400€
- Bei einer Verspätung von 4 oder mehr Stunden auf einer Strecke außerhalb der EU von 3500km oder mehr: 600€
Damit würde Ihnen tatsächlich ein Anspruch in Höhe von 600 Euro je Fluggast zustehen.
Kommen wir zu ihrer zweiten Frage, der Reisepreisminderung.
Ansprüche gegen den Reiseveranstalter ergeben sich aus dem Reisevertragsrecht des BGB gem. §§ 651 a-y, wenn ein Reisemangel vorliegt. Ab wann das der Fall ist, ist in § 651 i II BGB definiert:
(2) Die Pauschalreise ist frei von Reisemängeln, wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Pauschalreise frei von Reisemängeln,
| 1. | wenn sie sich für den nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen eignet, ansonsten |
| 2. | wenn sie sich für den gewöhnlichen Nutzen eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Pauschalreisen der gleichen Art üblich ist und die der Reisende nach der Art der Pauschalreise erwarten kann. |
Ein Reisemangel liegt auch vor, wenn der Reiseveranstalter Reiseleistungen nicht oder mit unangemessener Verspätung verschafft.
Dazu gibt es zahlreiche Urteile:
OLG Düsseldorf, Urteil vom 02.05.2013, Az. I-6 U 123/12
Geringere Verschiebungen sind als hinnehmbar anzusehen. So kann eine Verschiebung von 4 bis 8 Stunden noch zulässig sein. Von Bedeutung ist, ob die Veränderungen für den Fluggast noch zumutbar sind.
Aus den Urteilen lässt sich entnehmen, dass ein Reisemangel grundsätzlich ab einer Flugzeitenverschiebung von 8 Stunden angenommen werden kann. Da in Ihrem Fall der Flug um weit mehr als 8 Stunden verspätet war, gehe ich davon aus, dass ein Reisemangel i.S.v. § 651 i BGB vorliegt.
Die Gewährleistungsrechte ergeben sich dann aus § 651 i Abs. 3. Am sinnvollsten scheint für Sie die Reispreisminderung gem. § 651m BGB.
Fraglich ist, wie sich die beiden Ansprüche zueinander verhalten. Hier hilft zunächst ein Blick auf Art. 12 VO Nr. 261/2004 Weitergehender Schadensersatz:
(1) Diese Verordnung gilt unbeschadet eines weiter gehenden Schadensersatzanspruchs des Fluggastes. Die nach dieser Verordnung gewährte Ausgleichsleistung kann auf einen solchen Schadensersatzanspruch angerechnet werden.
Demnach können die Ansprüche aus der EU-Fluggastrechte Verordnung auf andere Ansprüche angerechnet werden. Hierzu auch folgende Urteile:
BGH, Urteil vom 30.9.2014, Az. X ZR 126/13
Hat ein Reisender bereits eine Ausgleichszahlung im Sinne des Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 erhalten, so steht ihm kein Anspruch auf eine Reisepreisminderung aus dem Reisevertrag zu.
LG Frankfurt, Urteil vom 29.11.2012, Az. 2-24 S 67/12
Auch Ansprüche die gegenüber dem Reiseveranstalter geltend gemacht werden und auf einem Minderungsanspruch beruhen, sind von Artikel 12 Absatz 1 der EU-Fluggastrechteverordnug betroffen und werden auf eine zu leistende bzw. auf eine bereits geleistete Ausgleichsleistung angerechnet.
Demnach erlischt der Anspruch auf Ansprüche aus dem Reisevertragsrecht mit dem Leisten der Ausgleichszahlungen. Daher ist dirzu raten, zunächst die Ansprüche aus dem BGB und danach die Ansprüche aus der Verordnung geltend zu machen, da diese nicht auf die Ausgleichszahlungen angerechnet werden.
Zum Schluss möchte ich noch anbringen, dass dieser Beitrag lediglich eine Rechtseinschätzung darstellt. Für eine professionelle Rechtsberatung wäre es vielleicht von Vorteil zusätzlich noch einen Anwalt zu Rate zu ziehen.