Guten Tag,
dass klingt ja leider nach einem stressigen Rückflug. Die Airline verhält sich jetzt auch nicht sonderlich kooperativ, weshalb ihr eure Ansprüche abgetreten habt. Trotzdem stellen sich euch noch weitere fragen, welche ich nun nach meinem Wissen beantworten werde.
Steht eine große Verspätung einer Annullierung gleich?
Um diese Frage zu beantworten möchte ich gerne auf ein Urteil verweisen, welches diese Frage eigentlich klären sollte.
EuGH, Urteil vom 26.2.2013, Az. C-11/11 (bei Google zu finden unter: "C-11/11 reise-recht-wiki.de")
Verspätet sich eine Zubringerflug so, dass der Anschlussflug nicht mehr erreicht werden kann und somit den Zielflughafen mit einer Verspätung von mehr als 3 Stunden, steht den Fluggästen eine Ausgleichszahlung gemäß Artikel 7 der Verordnung.
Somit wurde höchstrichterlich festgestellt, dass eine große Verspätung ab drei Stunden, was bei euch auch eindeutig der Fall war, einer Annullierung im Sinne der Verordnung gleichsteht bzw. Die gleichen rechtlichen Folgen auslöst.
Liegt ein außergewöhnlicher Umstand vor?
Was ein außergewöhnlicher Umstand ist, kann in Erwägungsgrund 14 der Verordnung nachgelesen werden.
„Wie nach dem Übereinkommen von Montreal sollten die Verpflichtungen für ausführende Luftfahrtunternehmen in den Fällen beschränkt oder ausgeschlossen sein, in denen ein Vorkommnis auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Solche Umstände können insbesondere bei politischer Instabilität, mit der Durchführung des betreffenden Fluges nicht zu vereinbarenden Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken, unerwarteten Flugsicherheitsmängeln und den Betrieb eines ausführenden Luft- fahrtunternehmens beeinträchtigenden Streiks eintreten.“
Zwar kann man dort etwas von Flugsicherheitsmängeln lesen, jedoch ist fraglich, ob der defekte Reifen einen solchen darstellt.
Generell ist darauf hinzuweisen, dass Fluggesellschaften sich oftmals auf das Vorliegen von technischen Defekten berufen, um die Verpflichtung zur Zahlung von Ausgleichsleistungen nach Art. 7 der VO zu vermeiden. Dazu auch folgende Urteile:
AG Rüsselsheim, Urt. v. 11.08.2010, Az.: 3 C 774/10 (Google-Suche: „reise-recht-wiki 3 C 774/10“)
Das Risiko, dass an dem eingesetzten Fluggerät selbst ein Defekt auftritt, fällt grundsätzlich in den betrieblichen Einflussbereich von Luftfahrtunternehmen und begründet keinen außergewöhnlichen Umstand im Sinne der Fluggastrechtverordnung. Die Seltenheit eines Defekts steht dieser Auffassung nicht entgegen.
AG Königs Wusterhausen, Urt. v. 31.05.2011, Az.: 20 C 84/11 (Google-Suche: „reise-recht-wiki 20 C 84/11“)
Ein Fluggast nahm ein Luftverkehrsunternehmen auf Ausgleichszahlung nach Art. 7 der EGV 261/2004 in Anspruch, weil sein Flug, wegen eines geplatzten Flugzeugreifens, verspätet durchgeführt wurde. Das Luftverkehrsunternehmen verweigert die Zahlung mit der Begründung, dass ein geplatzter Flugzeugreifen ein Außergewöhnlicher Umstand i.S.d. Art. 5 der EGV 261/2004 sei. Das AG Königs Wusterhausen hat dem Kläger Recht zugesprochen und entschieden, dass ein geplatzter Reifen keinen außergewöhnlichen Umstand i.S.d. Art. 5 der EGV 261/2004 darstellt,da sich bei diesem Ereignis ein Risiko verwirklicht hat, was zu dem normalen Betriebsablauf im Luftverkehr gehört.
Wie man aus diesen Urteilen entnehmen kann, ist ein technischer Defekt oftmals kein außergewöhnlicher Umstand. Deshalb ist die Aussage der Airline wohl sehr provokativ.
Können Ansprüche abgetreten werden?
Natürlich können Forderungen abgetreten werden. Dahingehend sollten Sie sich keine Gedanken machen.
Fragen Sie allerdings bei konkreten rechtlichen Themen gerne einen Fachanwalt, da ein solcher sich mit den Einzelheiten natürlich besser auskennt und ich hier nur meine Meinung kund geben kann. Viel Erfolg!