Ihr Flug mit Condor wurde aufgrund eines technischen Defekts um 2,5 Std nach hinten verschoben. Auf Ihrem Ersatzflug konnte das Flugzeug jedoch aufgrund starker Winde nur auf der Nebeninsel landen. Sie kamen mit einer Verspätung von 19 Stunden an Ihrem Zielflughafen an.
Ihnen können Ansprüche auf Ausgleichsleistungen gegenüber Condor zustehen. Dazu ist zunächst festzustellen, ob eine Annulierung Ihres Fluges vorliegt.
> Annulierung
EuGH, Urteil vom 13.10.2011, Az C-83/10 (bei Google einfach zu finden unter, wenn Sie eingeben: „C-83/10 reise-recht-wiki“)
Eine Annullierung liegt immer dann vor, wenn ein Flug nicht so durchgeführt werden kann wie geplant und der Start daher aufgegeben wird. Wird ein Flug auf einen anderen Tag verlegt, ist darin ebenfalls eine Annullierung zu sehen. Es ergeben sich somit auch Ansprüche aus der EU-Fluggastrechteverordnung.
Sie sind mit einer Verspätung von 19 Stunden angekommen. Es ist bei einer so erheblichen Verspätung bereits von einer Annulierung Ihres Fluges auszugehen.
> Ausgleichsleistungen nach Artikel 7 EU-VO
Ihre möglichen Ausgleichsleistungen, welche sich nach Artikel 7 der EU-Fluggastrechteverordnung richten, stellen sich deshalb wie folgt dar:
a) Bei einer Verspätung von 2 Stunden auf einer Strecke von 1500km oder weniger > 250€
b) Bei einer Verspätung von 3 Stunden bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1.500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1.500 km und 3.500 km > 300 €
c) Bei einer Verspätung von 4 oder mehr Stunden bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen > 600 €.
Von diesem Anspruch auf Ausgleichsleistung kann sich die Fluggesellschaft allerdings befreien. Und zwar wenn sich die Fluggesellschaft beispielsweise auf außergewöhnliche Umstände beruft, siehe Art. 5, Abs. 3, VO 261/2004 der EU-VO:
„Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen ist nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.“
In Ihrem Fall war erster Grund für die Verspätung ein technischer Defekt, welcher keinen außergewöhnlichen Umstand darstellt. Auf dem Ersatzflug herrschten jedoch starke Winde, welche die Fluggesellschaft nicht hätte vermeiden können, also ein außergewöhnlicher Umstand. Fraglich ist nun, welcher Umstand anzunehmen ist, denn der Wind hätte Sie ja auf ihrem ursprünglichen Flug nicht beeinflusst.
Dazu hat das AG Hannover folgendes entschieden:
AG Hannover, Urt. v. 23.10.2015, Az: 506 C 2269/15 (Das Urteil können Sie im Volltext im Internet finden. Dazu einfach: "Az: 506 C 2269/15 reise-recht-wiki" bei Google eingeben)
Vorliegend nimmt der Kläger ein Luffahrtunternehmen auf eine Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 Verordnung (EG) Nr. 261/2004 in Anspruch. Er buchte bei der beklagten Fluggesellschaft einen Flug, welcher aufgrund eines technischen Defekts Verspätung hatte. Bei der Landung herrschten derart schlechte Wetterbedingungen, dass diese umgeleitet werden musste und der Zielort erst mit einer Verspätung von 18h und 50 Minuten erreicht wurde.
Das Amtsgericht Hannover setzt das Verfahren vorerst aus und legt dem EuGH Fragen zur Entscheidung des Falles vor.
Vom EuGH zu entscheiden ist, ob eine Inanspruchnahme des Luftfahrtunternehmens entfällt, wenn ein nicht vermeidbarer außergewöhnlichen Umstand nur deshalb eingreift, weil der betroffene Flug bereits vorher Verspätung hatte.
Die Sachlage scheint also so kompliziert zu sein, dass das AG Hannover keine Entscheidung treffen konnte. Für eine abschließende Bewertung der Frage müsste auf ein Urteil des EuGH gewartet werden.