Guten Tag,
du hast einen Flug nach Antalya über ein Reisebüro gebucht. Leider hast du einen Tag vor der Abreise erfahren, dass der Flug annulliert wurde, weshalb du erst einen Tag später fliegen konntest. Du hast dich wegen einer Entschädigung sowohl an Condor, als auch an das Reisebüro gewandt und beide haben die Schuld dem jeweils anderen zugeschoben. Jetzt fragst du dich, an wen du dich wenden sollst.
Eine ähnliche Frage wurde hier bereits beantwortet:
Wer ist für die Entschädigung verantwortlich wenn Condor den Flug DE2786 von Köln/Bonn nach Antalya stornierte nur das Reisebüro darüber informierte und das Reisebüro mir keine Auskunft gegeben hatte?
Auch in diesem Fall wurde ein Flug über ein Reisebüro gebucht, der dann annulliert wurde. Fluggesellschaft und Reisebüro haben den jeweils anderen beschuldigt.
Zunächst wäre sinnvoll herauszufinden, ob ein Anspruch auf Entschädigung besteht.
Eine Annullierung lieg vor, wenn der geplante Flug, für den mindestens ein Sitzplatz reserviert wurde, nicht durchgeführt wird. Die genaue Definition kannst du hier nachlesen.
Du hast für den geplanten Flug mit Condor von Köln/Bonn nach Antalya einen Sitzplatz reserviert. Dieser Flug wurde nicht durchgeführt, weshalb hier eine Annullierung vorliegt. Demnach begründen sich die Ansprüche aus Artikel 5 der Europäischen Fluggastrechteverordnung:
(1) Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen
(…)
c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt, es sei denn,
i) sie werden über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet, oder
ii) sie werden über die Annullierung in einem Zeitraum zwischen zwei Wochen und sieben Tagen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als zwei Stunden vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen, oder
iii) sie werden über die Annullierung weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen.
Da du erst einen Tag vor der Abreise von der Annullierung erfahren hast, wurdest du nicht rechtzeitig informiert und euch steht ein Anspruch aus Artikel 7 der Verordnung zu. Dort heißt es:
(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:
a) 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1500 km oder weniger,
b) 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1500 km und 3500 km,
c) 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen.
Bei der Ermittlung der Entfernung wird der letzte Zielort zugrunde gelegt, an dem der Fluggast infolge der Nichtbeförderung oder der Annullierung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt.
Die Entfernung Köln – Antalya beträgt etwa 2.400 km (kann man einfach auf luftlinie.org berechnen lassen), wonach dir eine Entschädigung in Höhe von 400€ zustehen würde.
Allerdings stellt sich die Frage, ob die Information von Condor an das Reisebüro ausreicht, um die Entschädigung nicht zahlen zu müssen. Dazu habe ich folgendes Urteil gefunden:
LG Frankfurt, Urt. v. 01.09.2011, Az: 2-24 S 92/11 (einfach zu finden, wenn du bei Google „LG Frankfurt 2-24 S 92/11 reise-recht-wiki.de“ eingibst)
Der Reiseveranstalter sei nicht zur Weiterleitung der Fluginformationen verpflichtet. Es sei Aufgabe der Airline die Fluggäste über Flugplanänderungen in Kenntnis zu setzen.
Nach diesem Urteil reicht eine Mitteilung an den Reiseveranstalter oder das Reisebüro nicht aus.
Auch der EuGH hat dazu ein Urteil gefällt:
EuGH, Urt. v. 11.05.2017, Az. C-302/16 (einfach bei Google „C-302/16 reise-recht-wiki.de“ eingeben)
Es genügt nicht, wenn die Fluggesellschaft nur den Vermittler informiert. Denn die Fluggesellschaft trägt auch die Beweislast dafür, ob und wann der Fluggast über die Flugannullierung unterrichtet wurde. Ist es dem ausführenden Luftfahrtunternehmen nicht möglich.
Kann das Unternehmen nicht beweisen, dass der Fluggast mindestens zwei Wochen vor Abflug unterrichtet worden ist, sei es zur Zahlung des Ausgleichs verpflichtet.
Meiner Meinung nach, hast du also einen Anspruch auf 400€ Ausgleichszahlung. Wenn du den Anspruch gegenüber Condor geltend machen möchtest, rate ich dir dennoch, einen Anwalt aufzusuchen. Er kennt sich besser mit der komplizierten Problematik des Flugrechts aus.