Hallo.
Aus dem konkret geschilderten Fall ergeben sich mehrere Rechtsfragen:
Zum einen stellt sich die Frage, ob (1) die Airline generell dazu verpflichtet ist, verspätetes Gepäck an den Urlaubsort nachzuliefern, oder ob der Reisende das Gepäck selbst am Flughafen abholen muss.
Außerdem ist fraglich, welche (2) Ansprüche der Flugpassagier auf Grund welcher gesetzlichen Grundlage geltend machen kann, und mit (3) welcher Ersatzsumme im Allgemeinen gerechnet werden darf.
(1) Verpflichtung der Airline zur Gepäcknachlieferung
Generell gilt, dass die Airline dazu verpflichtet ist, dem Reisenden das Gepäck schnellstmöglich nachzuliefern.
Der Reisende hat die Verspätung eben nicht zu vertreten, und so muss die Airline dafür Sorge tragen, dem Passagier das Gepäck nachzuliefern. Mit Abschluss des Beförderungsvertrages verpflichtet sich die Fluggesellschaft nicht nur, den Reisenden und sein Gepäck sicher zu transportieren, sondern auch dazu, dem Passagier sein aufgegebenes Gepäck wieder auszuhändigen. Ist dies nicht zu dem geplanten Zeitpunkt, der Ankunft am Zielflughafen, möglich, so entsteht die Pflicht der Fluggesellschaft, das Gepäck dem Betroffenen später anderweitig nachzusenden.
Der Obhuts- und Haftungszeitraum der Airline endete dabei übrigens erst mit der tatsächlichen Auslieferung der Gepäckstücke bei dem Passagier.
Die Fluggesellschaft haftet demnach auch für Schäden am Gepäck, die sich während der Nachlieferung ereignen. Dass die Nachlieferung dabei von Dritten übernommen wird, ist irrelevant.
AG Hamburg, Urteil vom 13.01.2009, Az. 18B C 2-08
Für den bei der Nachlieferung von verspätetem Gepäck entstandenen Schaden (Beschädigung) muss die Fluggesellschaft aufkommen, auch wenn die Nachlieferung selbst nicht durch die Fluggesellschaft erfolgte, sondern von Dritten für die Airline übernommen wurde.
(2) Ansprüche bei einer Gepäckverspätung
Welche Ansprüche der Betroffene infolge einer Gepäckverspätung geltend machen kann, hängt von der Art des Reisevertrages ab.
Dabei wird unterschieden zwischen einem
1. Pauschalreisevertrag
gebucht wird ein komplettes Paket an Reiseleistungen bei einem Reiseveranstalter; meist bestehend aus Flug, Unterkunft, (teilweise) Verpflegung und diversen Ausflügen
Anspruchsgrundlage ist hier Art. 17 Abs. 2 Montrealer Übereinkommen in Verbindung mit Art. 19 Montrealer Übereinkommen
und einem
2. Individualreisevertrag
Gebucht wird nur die Flugbeförderung; unabhängig von dieser bucht der Reisenden eigenverantwortlich auch die Unterkunft und kümmert sich beispielsweise auch um die Verpflegung
Anspruchsgrundlage ist hier § 651 a-f BGB
Während das Montrealer Übereinkommen nur auf den Ausgleich von einem sogenannten (unfreiwilligen) Vermögensopfer gerichtet ist, also nur die Wiedergutmachung von materiellen Schäden regelt, kann nach § 651 f Abs. 2 BGB zudem auch Schadensersatz wegen vergangener Urlaubsfreude oder sogar Minderung des Reisepreises verlangt werden.
AG Hamburg, Urteil vom 01.06.2011, Az. 20A C 359-10
Infolge eines Gepäckverlustes während einer Individualreise wurden die Kosten für Ersatzkleidung und sogar Telefonkosten ersetzt. Die Rückerstattung des Flugpreises und die Kompensation immaterieller Schäden sind nicht durch das Montrealer Übereinkommen, dessen Anwendbarkeit bei einer Individualreise einschlägig ist, vorgesehen.
(3) Höhe der Ersatzsumme
Wie also ausgeführt wurde ist die Höhe des Ausgleichsanspruchs zunächst einmal abhängig von der geltenden Anspruchsgrundlage. Darüber hinaus ist auch der Schadensumfang generell, also das Ausmaß der Verspätung und die daraus entstehenden individuellen Umstände, für die Schadensersatzberechnung relevant.
Als erster Anhaltspunkt kann die Kemptener Tabelle dienen. Anhand mehrerer Urteile wird hier ein Überblick über die Schadensarten und die daraus folgenden Ansprüche gegeben.
Generell gilt, dass sowohl nach Art. 19 Montrealer Übereinkommen, als auch nach §§ 651 c Abs. 3, 651 f Abs. 1 BGB die Kosten für Ersatzkleidung ersatzfähig sind. Dabei gilt die Einschränkung, dass die Fluggesellschaft nur die Noteinkäufe ersetzten muss, welche der Reisende auch billigerweise tätigen durfte.
AG Frankfurt, Urteil vom 13.06.2013, Az. 29 C 2518/12 (19)
Die Fluggesellschaft ist dazu verpflichtet, die infolge einer mehrtägigen Gepäckverspätung entstehenden Kosten für die nötige und den Umständen angemessene Ersatzgarderobe zu ersetzten. Darunter fällt die Grundausstattung (Über- und Unterkleidung; diverse Kosmetika), nicht jedoch Luxusgüter und andere übermäßige Ausgaben (Abendschuhe, Strandtasche).
Als Pauschalreisender können bei einer Gepäckverspätung dann noch Ansprüche auf
(a) Schadensersatz wegen vergangener Urlaubsfreude/ nutzlos aufgewendete Urlaubszeit nach § 651 Abs. 2 BGB und (b) Minderung vom Reisepreis gemäß § 651 d Abs. 1 BGB gerechtfertigt sein. Ausschlaggebend ist hier die Stärke der Beeinträchtigung, welche durch die Gepäckverspätung entstand.
In der Regel kann bei verspätetem Gepäck mit einer Minderungsquote von zwischen 20% und 50% pro Urlaubstag gerechnet werden. Ab wiederum einer gerechtfertigten Minderung von 30% bis 50% kann oftmals auch Schadensersatz wegen vergangener Urlaubsfreude verlangt werden.
Ob die Verspätung eine starke Beeinträchtigung darstellte, und welche Minderungsquote genau gerechtfertigt ist, wird vor Gericht je nach Einzelfall durch den Richter entschieden.
LG Frankfurt 24. Zivilkammer, Urteil vom 05.06.2007, Az. 2-24 S 44/06
Bei einer Gepäckverspätung wurde eine Minderungsquote von 50% des Reisepreises für die Tage, in denen das Gepäck fehlte angesetzt. Die Höhe Quote war dadurch gerechtfertigt, dass das Gepäck die Spezialausrüstung für eine Arktis-Reise enthielt. Zudem konnte die Klägerin Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit verlangen.
AG Frankfurt, Urteil vom 29.05.2001, Az. 29 C 2166/00-46
Minderung von 30% des Reisepreises für die 3 Tage, in denen sich das Gepäck verspätete. Niedrige Minderungsquote durch die nur geringe Beeinträchtigung – den Klägern stand