Zu Ihrer Frage:
A) Rechtsgrundlage
Da mehrere Parteien (Reiseveranstalter im Inland, ausländische Fluggesellschaft) stellt sich zunächst einmal die Frage danach, welche Normen überhaupt zur Anwendung kommen.
Ausschlaggebend ist zunächst einmal, ob es sich bei dem verspäteten Flug um
1. einen Teil einer Pauschalreise – die Reise also als ganzes Paket, inklusive der Luftbeförderung, bei einem Reiseveranstalter gebucht worden ist, oder
2. einen separat gebuchten Flug – die Luftbeförderung wurde dann mittels eines „Nur-Flug-Vertrages“ mit der Fluggesellschaft direkt vereinbart (Individualreise)
handelt.
Nach diesen Kriterien bestimmt sich nicht nur, wer Anspruchspartner ist, sondern auch, auf welcher Anspruchsgrundlage was genau von diesem verlangt werden kann.
Bei einem Pauschalreisevertrag richten sich die Ansprüche auch gegen den Reiseveranstalter gemäß § 651 a-m BGB.
Bei einem „Nur-Flug-Vertrag“ hingegen kann sich der Passagier (fast) nie auf nationales Recht (BGB) berufen. Es gelten dann jedoch die Normen aus dem Montrealer Übereinkommen und aus den VO (EG) Nr. 2027/97 - Verordnung zur Regelung der Haftung bei Schäden von Fluggästen und Gepäck und VO (EG) Nr. 261/2004 - Verordnung zur Regelung von Ausgleichszahlungen bei Nichtbeförderung, Annullierung oder großer Verspätung. Hier ist anzumerken, dass die VO (EG) Nr. 261/2004 nicht nur für Linienflüge, sondern auch für sogenannte Charterflüge gilt.
Bei Charterflügen (in der hier relevanten Unterform genauer Inclusive-Tour-Charter oder touristischer Charterflug) mietet der Reiseveranstalter das Flugzeug an. Dieses fliegt dann für den touristischen Verkehr eine festgelegte Route für längere Zeit. Die Fluggesellschaft führt die Beförderung dabei im Auftrag des Reiseveranstalters durch.
So kommt es, dass auch der Pauschalreisende neben seinen Ansprüchen gegen den Reiseveranstalter aus § 651 a-m BGB auch Ansprüche gegen das ausführende Flugunternehmen gemäß VO (EG) Nr. 261/2004 hat.
Wie aber verhalten sich die verschiedenen Ansprüche zueinander? Es gilt der Anwendungsvorrang der spezielleren lüftbeförderungsrechtlichen Vorschriften.
B) Die verschiedenen Ansprüche
I. Anspruch auf Unterstützungsleistung - VO (EG) Nr. 261/2004
Bei einer verspäteten Beförderung hat der Reisende nach VO (EG) Nr. 261/2004 zunächst gegenüber dem ausführenden Luftfahrtunternehmen Anspruch auf Ausgleichs- und Unterstützungsleistung.
Zum Vergleich: Das Montrealer Übereinkommen und die VO (EG) Nr. 2027/97 sind auf den Schadensausgleich, nicht auf Unterstützungsleistungen gerichtet, stehen also nicht mit den Ansprüchen aus der VO (EG) Nr. 261/2004 in Konkurrenz. Relevant wird die Überschneidung der verschiedenen Vorschriften erst bei der Bestimmung der Ansprüche infolge des tatsächlichen Verspätungsschadens. Gleichzeitig regelt das BGB als einziges mit § 651 d BGB die Möglichkeit der Reisepreisminderung. Eine Minderung ist in keiner anderen Vorschrift vorgesehen, und sofern die Voraussetzungen des § 651 d BGB vorliegen, kann also Minderung ohne Auswirkungen auf die anderen Ansprüche verlangt werden.
Bei einer großen Verspätung (nach Art. 6 Abs. 1 VO (EG) Nr. 261/2004 zwischen zwei und vier Stunden, abhängig von der Entfernung) hat der Passagier Anspruch auf
1. Rücktritt vom Flug mit Erstattung der Flugscheinkosten oder auf anderweitige Beförderung, sowie auf
2. diverse Betreuungsleistungen (Mahlzeiten, Unterbringung im Hotel sofern notwendig, Beförderung zum Hotel).
(3. eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 der VO (EG) Nr. 261/2004 zwischen 250 € und 600 €, abhängig von der Entfernung bei letztendlicher Annullierung – bei einer Verspätung ist eine solche Ausgleichszahlung nach Art. 7 der VO (EG) Nr. 261/2004 ausgeschlossen)
Anmerkung: Diese Verordnung gilt unter anderem für alle Flüge, die in der EU beginnen, unabhängig davon, ob der die Fluggesellschaft ihren Sitz in der EU hat.
II. Schadensersatz und Minderung durch Reiseveranstalter - BGB
Darüber hinaus stehen dem Pauschalreisenden noch Ansprüche aus § 651 a-m BGB gegen den Reiseveranstalter infolge von Reisemängeln zu.
Es besteht
1. Anspruch auf Schadensersatz in bestimmten Fällen auch für vergangene Urlaubsfreude (§ 651 f BGB)
2. Anspruch auf Reisepreisminderung wegen Pflichtverletzung bei einer Verspätung (§ 651 d BGB)
3. Anspruch auf Kündigung der Reise (§ 651 e BGB)
Anmerkung: Für die Schadensersatzleistungen aus § 651 f BGB gelten nach § 651 h BGB die Haftungsgrenzen von internationalen Übereinkommen (z. B. Montrealer Übereinkommen). Zudem können bereits von der Fluggesellschaft getätigte Ausgleichszahlungen auf weiter bestehende Schadensersatzansprüche angerechnet werden.
Beispielhaft dafür AG Rostock, Urteil vom 14.01.2013, Az. 47 C 256/12 ((bei Google einfach zu finden mit "AG Rostock und Aktenzeichen + Reise-Recht-Wiki.de" steht dann sofort als erstes Ergebnis in der Ergebnisliste)– Die Ausgleichszahlung einer Fluggesellschaft infolge einer Flugverspätung war ist auf den Anspruch auf Reisepreisminderung anzurechnen.
III. Schadensersatz nach Montrealer Übereinkommen
Solch ein Schadensersatzanspruch stellt beispielsweise der Anspruch aus Art. 19 Montrealer Übereinkommen dar. Der Luftfrachtführer hat nach Art. 19 MÜ den Schaden zu ersetzten, der infolge einer Verspätung von Reisenden entsteht. Dieser Schadensersatzanspruch steht den Ansprüchen aus VO (EG) Nr. 261/2004 nicht entgegen.
AG Frankfurt, Urteil vom 25.09.2012, Az. 30 C 1275/12 (71) (ebenfalls bei Google einfach zu finden mit "AG Frankfurt und Aktenzeichen + Reise-Recht-Wiki.de" steht dann sofort als erstes Ergebnis in der Ergebnisliste)– Die Ausgleichszahlung einer Fluggesellschaft infolge einer Flugverspätung war ist auf den Anspruch auf – Die Ausgleichsansprüche aus VO (EG) Nr. 261/2004 können neben den Schadensersatzansprüchen aus dem Montrealer Übereinkommen geltend gemacht werden.