Fluggutscheine und Gutscheine aller Art sind aus rechtlicher Sicht immer mit Vorsicht zu genießen und ohne Einverständnis der Verbraucher nicht erfüllungstauglich!
Zunächst haben Sie grundsätzlich eine Forderung (also einen Anspruch aus einem Gesetz, z.B. der EG VO Nr. 261/2004) gegen einen Anspruchsgegner (meistens die Fluggesellschaft). Der Anspruch auf Ausgleichszahlung und Entschädigung wegen einer Flugverspätung gegen eine Fluggesellschaft über 250, 400 oder 600 Euro pro Person nach Art. 7 iVm 5 der VO 261/2004 lautet gesetzlich auf Geldzahlung (also "Barzahlung, elektronische oder gewöhnliche Überweisung") wie Art. 7 Abs. III VO 261/2004 eindeutig und klar gesetzlich festlegt. Nur mit dem SCHRIFTLICHEN EINVERSTÄNDNIS DES FLUGGASTS darf eine Fluggesellschaft die gesetzliche Schuld in Form von Reisegutscheinen, Fluggutschein oder Gutschein für einen Flug leisten.
Warum lieben Fluggesellschaften Fluggutscheine?
Ganz einfach: Der Bilanzierungsvorteil (Mischkalkulation durch eigene Erbringung von Dienstleistungen zum tatsächlichen Preis und nicht höhere Geldleistung zum "gesetzlichen Nominal- / Nennwert") ist enorm. Hinzu kommt, dass Verbraucher die Möglichkeiten der Einlösung häufig zu optimistisch einschätzen. Unter größter Vorfreude auf den nächsten Urlaub im nächsten Jahr akzeptieren Verbraucher vorschnell Gutscheine und Fluggutscheine. Kommt dann in einem Jahr etwas dazwischen, steht der Verbraucher dumm da. Eine Geldzahlung kann er nicht mehr fordern. Und der Fluggutschein ist dann wertlos. Zudem schummeln Fluggesellschaften häufig irgendwelche - rechtlich mehr oder weniger zweifelhafte - Voraussetzungen zur Einlösung von Fluggutscheinen ein. Das Landgericht Berlin urteilte gegen die Ryanair Ltd., dass eine Einlösungsfrist (Antritt des Fluges innerhalb von 6 Monaten (186 Tagen oder 12 Monaten)) rechtswidrig ist (LG Berlin, Urt. v. 5.8.2009, Az 4 O 532/08).
Air France bot in einem Fall Flugpassagieren "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht einen nicht erstattbaren Reisegutschein über 350,00 EUR an. Alternativ bot die Air France ihnen pro Person einen Barbetrag von 100,00 EUR an". Letztlich hat die Air France vor Gericht verloren und musste jeweils die gesetzlich festgelegten 250,00 EUR pro Person zahlen: AG Bremen, Urt. v. 18.1.2013, Az 4 C 0516/11.
Richtig machten es auch Flugpassagiere, die von der US Airways Geldzahlung verlangten und angebotene Fluggutscheine ablehnten: "Außergerichtliche Vergleichsversuche, die unter anderem eine Entschädigung in Form von Fluggutscheinen beinhalteten, scheiterten, da die Flugreisenden Barzahlung begehrten" und auch gerichtlich zugesprochen bekamen: 5 x 600,00 EUR = 3000,00 EUR (vgl. AG Frankfurt am Main, Urt. v. 7.10.2010, Az 29 C 1352/10 (46).
Wer sich mit dem Angebot der Fluggesellschaft auf Leistung der Schuld durch Gutschein oder Fluggutschein einverstanden erklärt, akzeptiert ein (weitaus schlechteres ungünstigeres) Aliud zum gesetzlichen Geld-Anspruch und stellt sich rechtlich - ohne Not und Anlass sehr viel schlechter. Flugpassagiere sollten sich gut überlegen, ob sie einen Fluggutschein an Stelle der Überweisung/Geld von Seiten der Fluggesellschaft akzeptieren. Kommt es bei der Einlösung des Gutscheins (die ja häufig zeitlich viel später liegt) zu Problemen, setzt sich der Rechtsstreit mit noch größeren Schwierigkeiten (und größerem Aufwand, höheren Kosten, schlechteren Erfolgsaussichten) fort.
Jeder Fluggast sollte sich die Worte der Richter des Landgericht Frankfurt am Main zu Herzen nehmen: (LG Frankfurt am Main, Urteil vom 13.10.2006, Aktenzeichen 3-2 O 51/06 gegen Air France): "Auf eine Befriedigung aus den Gutscheinen brauchen sich die Kunden jedoch nicht verweisen zu lassen. Der Anspruch aus Art. 7 VO 261/2004 stellt seinem Zweck nach einen pauschalierten Schadensersatzanspruch dar, dessen Durchsetzung in der Regel nicht durch eine weitere Flugleistung des Anspruchsgegners abgegolten werden kann, da dies den Fluggast in seiner Wahlfreiheit zu sehr einschränkte. Diese Wertung kommt auch im Erfordernis des schriftlichen Einverständnisses der Fluggäste zur Leistung der Ausgleichszahlung in Form von Gutscheinen nach Art. 7 Abs. 3 VO 261/2004 zum Ausdruck, das hier nicht vorliegt. Die Gutscheine waren demnach nach der Wertung des europäischen Gesetzgebers bereits nicht erfüllungstauglich".