Guten Tag,
zu Ihren Fragen:
1.) Wegen einer Flugverspätung können Sie keine Entschädigung fordern, da der Flug selbst nicht verspätet war. In Betracht kommt aber tatsächlich eine Entschädigung wegen einer Beförderungsverweigerung nach der EU-Fluggastrechteverordnung. Diese liegt dann vor, wenn Sie nicht befördert wurden, obwohl kein sachlicher Grund hierfür bestand und Sie sich zudem rechtzeitig zur Abfertigung eingefunden haben. Sofern keine Zeit von TUIfly angegeben wurde, müssen Sie tatsächlich spätestens 45 Minuten vor Abflug zur Abfertigung erscheinen, tun Sie dies, hat TUIfly auch kein Recht, Sie wegen Verspätung nicht mehr zuzulassen. Allerdings darf TUIfly nach Art. 3 Abs 2a der Fluggastrechteverordnung auch verlangen, dass Sie noch früher (oder später) dort erscheinen. Dies müsste die Airline Ihnen schriftlich (oder z.B. per E-Mail) mitgeteilt haben – überprüfen Sie also, ob dies geschehen ist.
Hat TUIfly kein früheres Erscheinen verlangt, so haben Sie theoretisch einen Anspruch auf eine Ausgleichsleistung. Allerdings wird es schwer sein, diesen auch durchzusetzen (siehe unten).
2.) Mir sind zu Ihrem Fall keine Urteile über Fälle bekannt, die exakt so abgelaufen sind, allerdings können Urteile aus anderen Fällen möglicherweise einen Anhaltspunkt geben, wie sich ein Gericht entscheiden würde. Ich verweise im Text darauf.
3.) Sollten Sie nicht beweisen können, dass Sie nicht verspätet erschienen sind, haben Sie auch keine Rechte. Für den Fall, dass Ihnen der Beweis möglich ist, haben Sie das Recht auf eine Ausgleichszahlung nach der EU-Fluggastrechteverordnung, da ein Fall der ungerechtfertigten Nichtbeförderung vorläge. Diese bemisst sich nach der zurückzulegenden Flugstrecke. Falls Ihr Flug weniger als 1500 km betragen sollte, hätten Sie einen Anspruch auf 250€ pro Person, andernfalls bekämen Sie 400€ pro Person zugesprochen.
Weiterhin hätten Sie nach Art. 8 der Verordnung einen Anspruch auf Erstattung Ihrer Flugkosten von 1150€, die Sie für den Alternativflug zahlen mussten.
4.) Häufig lässt sich vor Gericht schwer nachvollziehen, ob der Check-In-Schalter rechtzeitig erreicht wurde. Sie haben im Regelfall kaum Möglichkeiten, Ihre rechtzeitige Ankunft belegen zu können – was Sie jedoch tun müssten, da Ihnen hier die Beweislast obliegt. Es sind allerdings Fälle vorgekommen, in denen vor Gericht die am Schalter eingespeicherte Zeit, in der etwa ein Passagier sich eingefunden hatte, verwendet wurde (so etwa im Verfahren vor dem AG Lübeck, Urteil vom 19.11.2009, Az 28 C 1081/09 – zu finden unter Google mit "28 C 1081/09 reise-recht-wiki"). Sie können daher versuchen, sich auf diese Daten zu berufen.
Fazit: Es ist insgesamt also schwer abzusehen, ob Sie letztendlich Ihre Kosten ersetzt bekommen und darüber hinaus eine Ausgleichszahlung erhalten. Überprüfen Sie zunächst, ob TUIfly eine frühere Check-In-Zeit genannt hatte. Anschließende empfehle ich angesichts der schwierigen Beweislage anwaltliche Hilfe.
Weitere Urteile:
AG Köln, Urteil vom 28.03.2007, Az 118 C 397/06k
(zu finden mit der Google-Suche unter "118 C 397/06k reise-recht-wiki"
Chaotische Zustände allein können nicht rechtfertigen, dass ein Passagier zu spät am Abfertigungsschalter erscheint. Selbst wenn das Flugzeug noch nicht abgehoben ist und daher faktisch es noch möglich wäre, Passagiere aufzunehmen, muss eine Airline dies nicht tun, wenn der Passagier nicht zur vorgegebenen Zeit am Check-In-Schalter ist (vergleichbar auch AG Offenbach, Urteil vom 06.01.2006, Az 33 C 2/06 [zu finden über Google mit der Suche "33 C 2/06 reise-recht-wiki"])
AG Homburg, Urteil vom 30.10.2003, Az 2 C 1562/03 (10)
(zu finden über Google mit der Suche "2 C 1562/03 (10) reise-recht-wiki")
Die EU-Fluggastrechteverordnung sieht grundsätzlich einen Zeitraum von 45 Minuten vor Abflug vor, zu dem sich Passagiere spätestens am Check-In einfinden müssen. Es steht Airlines jedoch frei, diesen Zeitraum zu erhöhen, sofern sie ihren Passagieren dies schriftlich mitteilen.