Lieber Fragesteller,
du hast einen Flug mit der Condor Flugdienst GmbH gebucht. Leider konnte Condor die geplante Abflugzeit nicht einhalten, sodass du erst mit einer Verspätung von ca. 19 Stunden an deinem Heimatflughafen ankamst. Als Grund für die Verspätung gaben Mitarbeiter der Condor an, dass ein technisches Problem vorliege, nämlich die Hydraulik des Flugzeugs beschädigt sei.
Aufgrund der Verspätung könnte dir ein Anspruch auf Ausgleichzahlung gemäß Art. 7 Abs. 1 VO zustehen.
Die Ausgleichszahlungen richten sich nach folgender Staffelung:
- Bei einer Verspätung von 2 Stunden auf einer Strecke von 1500km oder weniger: 250€
- Bei einer Verspätung von 3 Stunden auf einer Strecke innerhalb der EU oder bis 3500km: 400€
- Bei einer Verspätung von 4 oder mehr Stunden auf einer Strecke außerhalb der EU von 3500km oder mehr: 600€
Condor könnte sich jedoch der Haftung entziehen, wenn ein außergewöhnlicher Umstand gemäß Art. 5 Abs. 3 VO vorliegt. Demnach müsste Condor beweisen, dass die Flugverspätung auf einen außergewöhnlichen Umstand zurückzuführen ist, welcher auch dann nicht vermeidbar gewesen wäre, wenn sie alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hätte. Deinen Ausführungen ist zu entnehmen, dass Condor eine beschädigte Hydraulik als Verspätungsursache angab. Eine beschädigte Hydraulik ist meiner Ansicht nach ein technischer Defekt. Es ist umstritten inwiefern ein technischer Defekt einen außergewöhnlichen Umstand darstellen kann.
Mit einem ganz ähnlichen Problem beschäftige sich erst kürzlich der Europäische Gerichtshof.
EuGH, Urteil vom 17.09.2015 Az. C-257/14 (Das ist ein äußerst aktuelles und interessantes Thema im Bereich der Fluggastrechte. Ganz einfach zu finden, wenn du „EuGH C 257/14 bei reise-recht-wiki“ eingibst)
In diesem Fall, landete das Flugzeug der Klägerin in Amsterdam mit einer Verspätung von 29 Stunden. Nach Angaben der Fluggesellschaft war die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände, nämlich eine Kombination von Mängeln zurückzuführen: Zwei Teile, die Kraftstoffpumpe und die hydromechanische Einheit, seien defekt gewesen. Diese Teile, die nicht verfügbar gewesen seien, hätten per Flugzeug aus Amsterdam geliefert werden müssen, um sodann in das betreffende Flugzeug eingebaut zu werden. Die Fluggesellschaft wies ferner darauf hin, dass bei den defekten Teilen die durchschnittliche Lebensdauer nicht überschritten gewesen sei. Auch habe deren Hersteller keinen spezifischen Hinweis gegeben, der darauf hindeutete, dass bei diesen Teilen ab einem bestimmten Alter Mängel auftreten könnten.
Der EuGH hat diesbezüglich ausgeführt, dass ein technischer Defekt zwar grundsätzlich einen außergewöhnlichen Umstand darstellen kann, dies jedoch in diesem Fall verneint. Zur Begründung führte er aus, dass der genannte Umstand zwar nicht vorhersehbar war, aber ein solcher Schaden untrennbar mit der Komplexität eines Flugzeugbetriebes verbunden sei und daher kein außergewöhnlicher Umstand angenommen werden könne.
Folgendermaßen könnte eine vereinfachte Unterteilung aussehen:
Außergewöhnliche Umstände
Außergewöhnliche Umstände sind nach Auffassung des Gerichtshofs dann zu bejahen, wenn der Hersteller der Maschinen, aus denen die Flotte des betroffenen Luftfahrtunternehmens besteht, oder eine zuständige Behörde entdeckte, dass diese bereits in Betrieb genommenen Maschinen einen versteckten Fabrikationsfehler aufweisen, der die Flugsicherheit beeinträchtigt. Gleiches gelte auch bei durch Sabotageakte oder terroristische Handlungen verursachten Schäden an den Flugzeugen.
Keine außergewöhnlichen Umstände
Keine außergewöhnlichen Umstände liegen jedoch in Bereichen vor, die der Betrieb von Flugzeugen unausweichlich in sich birgt. Es ist zwangsläufig so, dass der Flugbetrieb technische Probleme mit sich bringt. Daher sehen sich Luftfahrtunternehmen im Rahmen ihrer Tätigkeit gewöhnlich solchen Problemen gegenübergestellt. Im Hinblick hierauf können technische Probleme, die sich bei der Wartung von Flugzeugen zeigen oder infolge einer unterbliebenen Wartung auftreten, als solche keine "außergewöhnlichen Umstände" darstellen.
Meiner Ansicht nach wird ein technischer Defekt meistens nicht als außergewöhnlicher Umstand anerkannt. Ist dies nicht der Fall, kann sich Condor nicht von der Haftung lossagen, sodass ein Anspruch aus Art. 7 Abs. 1 VO bestünde.