Lieber Fragensteller,
die Antwort auf die Frage, gegen wen eventuelle Ansprüche aufgrund von Flugverspätung zu richten sind, richtet sich grundsätzlich nach der anwendbaren Rechtsgrundlage und danach, was für Ansprüche du geltend machen möchtest.
Grundsätzlich würden im Fall der Flugverspätung 3 verschiedene Rechtsgrundlagen in Betracht kommen:
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Ansprüche nach dem Übereinkommen von Montreal, dem Warschauer Übereinkommen und dem Zusatzabkommen von Guadalajara
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Ansprüche nach der EU Verordnung VO (EG) 261/2004
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Ansprüche nach Reisevertragsrecht §§ 651a ff BGB.
Übereinkommen von Montreal, Warschau und ZAG
Zunächst einmal kommen bei einer Flugverspätung Ansprüche nach Artikel 19 des Übereinkommens von Montreal in Betracht. Voraussetzung für dessen Anwendbarkeit ist jedoch, dass sowohl Abflugstaat als auch Ankunftsstaat Vertragsstaaten sind. In deinem Fall handelt es sich um Deutschland und Marokko. Marokko ist jedoch kein Vertragsstaat des MÜ. Daher kannst du keine Ansprüche nach diesem Übereinkommen geltend machen.
Allerdings ist Marokko Vertragsstaat des Vorgängerübereinkommens: dem Übereinkommen von Warschau. Auch Artikel 19 dieses Übereinkommens enthält die Haftung des vertraglichen Luftfrachtführers für Verspätungsschäden. Dies sind Schäden, die allein dadurch entstanden sind, dass deine Flüge verspätet waren wie z.B. zusätzliche Fahrtkosten, Übernachtungskosten ect. Im Fall einer Pauschalreise, bei der der Reiseveranstalter sich vertraglich zur Erbringung der Reiseleistungen verpflichtet hat und zur Ausführung jedoch ein Flugunternehmen beautragt, ist der vertragliche Luftfrachtführer der Reiseveranstalter. D.h. sind dir durch die Verspätung konkrete Schäden entstanden kannst du diese vom Reiseveranstalter gem. Artikel 19 WA ersetzt verlangen. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass den Reiseveranstalter ein Verschulden für die Schäden treffen muss und er nur Schäden bis zu einer bestimmten Haftungshöchstgrenze zu ersetzten hat.
Weiterhin ist Marokko auch Vertragsstaat des Zusatzübereinkommens von Guadalajara. In diesem Übereinkommen wird bestimmt, dass auch der ausführende Luftfrachtführer der Haftung nach dem Übereinkommen von Warschau unterworfen ist. Im Fall der Pauschalreise ist die Airline, hier also Sun Express, das ausführende Luftfahrtunternehmen. Für deinen Fall heißt das, dass du die Verspätungsschäden auch von Sun Express ersetzt verlangen kannst. In diesem Zusatzabkommen ist nämlich geregelt, dass sowohl der vertragliche als auch der ausführende Luftfahrtunternehmer gesamtschuldnerisch haften. Das bedeutet bezüglich etwaiger Verspätungsschäden kannst du dir aussuchen, ob du sie vom Reiseveranstalter oder der Airline ersetzt verlangen möchtetst.
Verordnung (EG) 261/2004
Bei Ansprüchen wegen Verspätung kommt als Anspruchsgrundlage daneben auch die Fluggastrechte-Verordnung in Betracht. Diese wäre in deinem Fall sowohl auf den Hinflug als auch auf den Rückflug gem. Artikel 3 Abs. 1 anwendbar und die Ansprüche dieser Verordnung richten sich gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen. In deinem Fall ist dies Sun Express.
Nach Artikel 6 hat der Reisende grundsätzlich ab einer gewissen Dauer der Verspätung einen Anspruch auf Unterstützungs- und Betreuungsleistungen nach den Artikeln 8 und 9 und seit dem Urteil des EuGHs in der Rechtssache Sturgeon ./. Condor C-402/07 und Böck ./. Air France C-432/07 (zu finden unter http://reise-recht-wiki.de/ausgleichszahlung-bei-flugverspaetung-urteil-az-c40207undc43207eugh.html) auch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7. Diese Ausgleichsleisung beträgt bei einem Flug aus der EU heraus bei einer Entfernung bis zu 3.500 km 400 € pro Reisenden. Bei einem Flug zu einem Flughafen außerhalb der EU, der eine Länge zwischen 1.500 und 3.500 km aufweist, besteht ein solcher Anspruch bei einer Verspätung ab 3 h. Daher ist es entscheidend zu wissen, zwischen welchen beiden Flughäfen euer Flug statt fand und welche Entfernung zurückgelegt wurde. Bezüglich des Anspruches auf Ausgleichsleistungen ist jedoch zu beachten, dass dieser entfallen kann, wenn die Airline nachweist, dass die Verspätung auf unvermeidbaren außergewöhnlichen Umständen beruhte. Daher ist bei diesem Anspruch auch wichtig zu wissen, was der Grund für die Verspätung war.
Reisevertragsrecht §§ 651a ff BGB
In einem Fall wie deinem, bei dem der verspätete Flug Teil einer Pauschalreise ist, kommen grundsätzlich auch Ansprüche nach Reisevertragsrecht gegen den Reiseveranstalter in Betracht, insbesondere ein Anspruch auf Minderung des Reisepreises gem. § 651d BGB. Voraussetzung hierfür wäre jedoch, dass die Flugverspätung einen Reisemangel darstellt. In der Rechtsprechung herrscht jedoch Einigkeit darüber, dass ein solcher Reisemangel erst ab einer Flugverspätung von mind. 4 h gegeben ist. Verspätung darunter sind ersatzlos vom Reisenden als bloße Unnanehmlichkeiten hinzunehmen. (vergl. z.B. LG Frankfurt, zu finden unter http://reise-recht-wiki.de/LG-Frankfurt-Flugverspaetung-Verspaetung-Abflug-Rueckflug-Reisemangel-Schadensersatz-Entschaedigung-Urlaub.html) Aus diesem Grund kommt in deinem Fall ein Anspruch auf Reisepreisminderung nicht in Betracht.
Zusammenfassung
Daher ist zusammenfassend festzustellen, dass du einen Anspruch auf Ersatz der konkreten Verspätungsschäden nach dem Warschauer Übereinkommen bzw. ZAG wahlweise gegen den Reiseveranstalter oder die Airline geltend machen kannst.
Einen Anspruch nach der Fluggastrechte-Verordnung auf Ausgleichsleistungen und/oder Unterstützungs- und Betreuungsleistungen kannst du allein gegen die Airline geltend machen.
Zu beachten ist hierbei jedoch, dass du ein und den selben Schaden nicht mehrfach geltend machen kannst. D.h. du kannst z.B. Ersatz von Fahrtkosten entweder nach dem WA oder der VO (EG) 261/2004 geltend machen.