Guten Tag,
die Erkrankung eines Crewmitgliedes ist generell kein außergewöhnlicher Umstand.
Für eine Airline ist es zwar für gewöhnlich nicht vorhersehbar, dass ein Crewmitglied plötzlich erkrankt, allerdings gehört die Erkrankung der eigenen Mitarbeiter zum Risiko der Airline. Sie muss für solche Fälle Sorge tragen, dass ein anderer Mitarbeiter einspringen kann – notfalls muss TUIfly sich darum kümmern, dass eine zusätzliche Stewardess von außerhalb eingeflogen wird. Doch selbst wenn dies nicht möglich sein sollte, liegt noch kein außergewöhnlicher Umstand vor – in diesem Fall ist TUIfly das Risiko einer Krankheit eingegangen und muss auch die Konsequenzen dafür tragen, die in diesem Fall in der Zahlung einer Ausgleichsleistung bestehen.
Die Höhe der Ausgleichszahlung richtet sich nach der zurückgelegten Flugstrecke. Da es sich um einen Flug innerhalb Europas mit einer Distanz von mehr als 1.500km handelte, erhalten Sie pro Passagier eine Ausgleichszahlung in Höhe von 400€. Hiervon ausgenommen sind jedoch Passagiere, die gratis fliegen durften (was bei Kindern denkbar ist).
Das Standardschreiben von TUIfly sagt zwar etwas anderes aus, dies ist jedoch nicht ungewöhnlich. Airlines versuchen häufig, sich mit dem Hinweis auf „außergewöhnliche Umstände“ nach der EU-Fluggastrechteverordnung von Ansprüchen der Fluggäste zu befreien. Dies ist jedoch rechtlich hier nicht möglich. Um dennoch an Ihre Ausgleichszahlung zu gelangen, müssen Sie diese weiterhin von TUIfly einfordern. Weisen Sie darauf hin, dass eine Erkrankung eines Crewmitgliedes kein außergewöhnlicher Umstand nach der EU-Fluggastrechteverordnung ist. Entsprechende Urteile habe ich unten angegeben.
Wenn auch das nichts hilft, können Sie anwaltliche Hilfe einschalten. Häufig bewirkt dies ein Umdenken bei der Airline. Die Anwaltskosten müssen ebenfalls von TUIfly getragen werden, sofern es notwendig war, einen Anwalt hinzuzuziehen – dies ist etwa dann der Fall, wenn TUIfly endgültig eine Zahlung verweigert.
Zusätzliche Ansprüche gegen den Reiseveranstalter wegen entgangener Urlaubsfreude o.ä. können Sie nach dieser Reise nicht geltend machen. Zwar könnte man von einem Reisemangel ausgehen, wenn einer der Flüge erheblich verspätet ist, in Ihrem Fall wurde die gesamte Reise (anders als der Flug) jedoch nicht entscheidend genug beeinträchtigt, um eine Minderung des Reisepreises oder Schadensersatz fordern zu können.
Urteile:
LG Darmstadt, Urteil vom 06.04.2011, Az 7 S 122/10
(zu finden über die Google-Suche „7 S 122/10 reise-recht-wiki“)
Es gehört ausschließlich zum Betriebsrisiko einer Airline, wenn Angestellte – also auch Mitglieder einer in Kürze startenden Crew – wegen Krankheit ausfallen. Die Airline kann sich grundsätzlich auf solche Fälle vorbereiten, indem etwa zusätzliche Angestellte bereit gehalten werden. Tut sie dies nicht oder ist dies nicht möglich, so liegt kein außergewöhnlicher Umstand vor, bei einer daraus entstehenden Verspätung muss daher eine Ausgleichszahlung erbracht werden.
Ebenso auch LG Darmstadt, Urteil vom 23.05.2012, Az 7 S 250/11
(zu finden über die Google-Suche „7 S 250/11 reise-recht-wiki“)
Das LG Darmstadt bestätigt mit diesem Urteil seine oben zitierte Rechtsprechung. Es wird bekräftigt, dass das Unternehmen auch dann eine Ausgleichsleistung zu erbringen hat, wenn nachweislich keine Ersatzcrew beschafft werden konnte – denn durch die Krankheit verwirklicht sich ausschließlich unternehmerisches Risiko.
Ebenso AG Königs Wusterhausen, Urteil vom 01.06.2012, Az 9 C 138/12
(zu finden über die Google-Suche „9 C 138/12 reise-recht-wiki“)
Andere Gerichte bestätigen diese Auffassung: Die Krankheit eines Crew-Mitgliedes – egal, wie unvorhersehbar oder spontan sie war – kann kein außergewöhnlicher Umstand sein, da dies zu Lasten der Passagiere ginge.
Diese Auffassung ist also in der Rechtsprechung allgemein anerkannt.