Lieber Fragesteller,
Sie hatten mit der Fluggesellschaft Condor Flugdienst GmbH einen Flug mit der Flugnummer DE 5454 von LEJ nach ACE gebucht. Dabei konnte Condor die festgelegte Abflugzeit nicht einhalten, sodass Sie erst mit einer Verspätung von 14 Stunden in Lanzarote landeten.
Ganz allgemein steht Ihnen, meiner Ansicht nach, ein Anspruch auf Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 Abs. 1 der Fluggastrechte Verordnung zu.
Folgende Preistabelle dürfte Sie interessieren:
- Bei einer Verspätung von 2 Stunden auf einer Strecke von 1500km oder weniger: 250€
- Bei einer Verspätung von 3 Stunden auf einer Strecke innerhalb der EU oder bis 3500km: 400€
- Bei einer Verspätung von 4 oder mehr Stunden auf einer Strecke außerhalb der EU von 3500km oder mehr: 600€
Der Zahlung könnte sich die Fluggesellschaft jedoch gemäß Art. 5 Abs. 3 VO entziehen. Aufgrund Ihrer Ausführungen und der Tatsache, dass die Condor sich auf einen Haftungsausschluss gemäß Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung beruft, möchte ich besonders auf das Tatbestandsmerkmal des außergewöhnlichen Umstandes eingehen.
Haftungsausschluss nach Art. 5 Abs. 3 VO
Demnach entfällt der Anspruch, wenn die Fluggesellschaft nachweisen kann, dass die große Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
In Ihrem Fall wird als außergewöhnlicher Umstand ein technischer Defekt am Flugzeug angegeben.
1. Die Nachweispflicht liegt bei der Fluggesellschaft.
Dies bedeutet, dass die Fluggesellschaft vortragen und nachweisen muss, dass sie den technischen Defekt nicht hätte verhindern können.
LG Darmstadt, Urteil vom 01.12.2010, 7 S 66/10, (ganz einfach zu finden, wenn Sie bei Google „LG Darmstadt 7 S 66/10 Reise-Recht-Wiki.de eingeben“)
Hier hat das Gericht festgestellt, dass es noch nicht als ausreichend erachtet werden könne, falls sich die Fluggesellschaft darauf beruft, dass sie alle vorgeschriebenen Wartungsarbeiten ordnungsgemäß durchgeführt hat. Allein dieser Nachweise sei noch nicht ausreichend um zu beweisen, dass alle zumutbaren Maßnahmen im Sinne des Art. 5 Abs. 3VO ergriffen wurden, um die große Verspätung zu verhindern.
AG Frankfurt, Urteil vom 17.01.14, 30 C 2462/13, (auch ganz einfach zu googlen unter "AG Frankfurt 30 C 2462/13 Reise-Recht-Wiki.de")
In diesem Urteil wird noch einmal hervorgehoben, dass die Fluggesellschaft substantiiert vortragen und darlegen muss , wie es zu dem außergewöhnlichem Umstand gekommen ist, wenn sie sich darauf berufen möchte.
Folglich kann sich die Fluggesellschaft solange nicht der Haftung entziehen, bis sie genauestens nachweisen kann, warum das Auftreten des technischen Defektes nicht vermeidbar gewesen wäre. Die alleinige Aussage „ es lag ein technischer Defekt vor“, ist dabei keineswegs ausreichend.
2. Bestehen außergewöhnlicher Umstände
Ein außergewöhnlicher Umstand kann grundsätzlich immer dann angenommen werden, wenn ein Vorkommnis nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entspricht, sondern sich außerhalb dessen bewegt, was üblicherweise mit dem Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr verbunden ist oder verbunden sein kann. Ein technischer Defekt an einem Flugzeug stellt dabei regelmäßig keinen außergewöhnlichen Umstand dar.
AG Köln, Urteil vom 05.04.2006, Az. 118 C 595/05 (einfach zu finden bei Google unter "Az. 118 C 595/05 reise-recht-wiki")
In diesem Urteil wurde ein technischer Defekt als außergewöhnlicher Umstand verneint. Das Gericht kam zu dem Entschluss, dass die Behauptung, dass streitbefangene Flugzeug sei regelmäßig gewartet worden, zu pauschal sei, um den Haftungsausschluss gemäß Artikel 5 Abs.3 VO bewirken zu können.
EuGH vom 22.12.2008, C 549/07 (einfach zu finden bei Google unter "C 549/07 reise-recht-wiki")
Hier hat das Gericht entschieden, dass ein auftretendes technisches Problem am Flugzeug, nur dann unter den Begriff der "außergewöhnlichen Umstände" zu subsumieren seien, wenn das Problem auf Vorkommnisse zurückgeht, die aufgrund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Ausübung
Es dürfte häufig kein leichtes Unterfangen für die Fluggesellschaft sein nachzuweisen, dass ein technischer Defekt kein Teil der normalen Ausübung ist, da an einem Flugzeug naturgemäß technische Probleme auftreten können.
3. Vermeidbarkeit des Umstandes
Der außergewöhnliche Umstand hätte nicht vermeidbar gewesen sein dürfen. Eine Vermeidbarkeit eines technischen Defekts wird regelmäßig bejaht, wenn es sich bei diesem um ein typisches und in Ausübung der betrieblichen Tätigkeit zu erwartendes Vorkommnis handelt. Von einer Unvermeidbarkeit ist hingegen auszugehen, wenn der Defekt nicht im Verantwortungsbereich der Fluggesellschaft liegt und für diese auch nicht beherrschbar ist.
AG Rüsselsheim, Urteil vom 20.07.2011, Az. 3 C 739/11 (36)(ganz einfach zu finden, wenn Du bei Google eingibst“ AG Rüsselsheim 3 C 739/11 (36) reise-recht.wiki")
Das Gericht verdeutlicht mit diesem Urteil, dass die "außergewöhnlichen Umstände" außerhalb des Verantwortungsbereichs der Fluggesellschaft liegen müssen. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn Sabotage oder terroristische Handlungen Ursache des technischen Defektes sind.
Die Instandhaltung und Reparatur von Flugzeugen liegt im Verantwortungsbereich des Luftfahrtunternehmens, sodass ein technischer Defekt in der Regel als beherrschbar anzusehen ist.
4. Zumutbarkeit der Maßnahmen
Die Maßnahme ist zumutbar, wenn sie für das Luftfahrtunternehmen nicht in untragbarer Weise belastend ist und die Ausführung der Maßnahme für dieses generell möglich ist, da diese in ihrem Machtbereich liegt.
Nicht zumutbar ist beispielsweise ein technischer Defekt, welcher durch einen Vogelschlag ausgelöst wird.
BGH, Urteil vom 24.09.2013Az. X ZR 160/12 (ganz einfach zu finden, wenn du bei Google „BGH X ZR 160/12 reise-recht-wiki“ eingibst)
Hier wurde durch einen Vogelschlag ein Turbinenschaden verursacht. In diesem Fall entschied das Gericht, dass ein außergewöhnlicher Umstand zu bejahen sei, da der Umstand nicht vermieden werden konnte und auch keine zumutbaren Gegenmaßnahmen ersichtlich waren.