Lieber Fragesteller.
Aufgrund der Verspätung von Berlin nach London, verpassten Sie Ihren Anschlussflug, sodass sie erst mit dem nächsten Flieger an ihrem Zielort New York eintrafen. Dies führte insgesamt zu einer Verzögerung von 5 Stunden. British Airways verweigert die Zahlung einer Entschädigung mit der Begründung, dass der Flug BA 983 nur um eine halbe Stunde verspätet gewesen sei und die weitere Verspätung durch das Verpassen des Anschlussfluges BA115 nicht von ihnen zu vertreten sei, da der Flug BA115 ja pünktlich geflogen wäre. Sie fragen sich nun, ob British Airways Ihnen eine Entschädigung von 2400 € (wir waren insgesamt 4 Personen) zahlen muss.
British Airways muss die Entschädigungsleistung erbringen, wenn Sie einen Anspruch darauf haben. Eine passende Anspruchsgrundlage könnte sich aus der Fluggastrechte Verordnung ergeben. Die Fluggastrechte Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 ist eine gemeinsame Regelung, welche dem Schutz der Fluggäste dienen soll. Niedergeschrieben sind Regelungen für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen.
I. Anwendbarkeit der Flugastrechte Verordnung
Art. 3 Anwendungsbereich.
„(1) Diese Verordnung gilt
a) für Fluggäste, die auf Flughäfen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, einen Flug antreten;
b) sofern das ausführende Luftfahrtunternehmen ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft ist, für Fluggäste, die von einem Flughafen in einem Drittstaat einen Flug zu einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, antreten, es sei denn, sie haben in diesem Drittstaat Gegen- oder Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen erhalten.“
Die Anwendbarkeit der Fluggastrechte Verordnung könnte für die „große Verspätung“ in New York ausgeschlossen sein, da die Verspätung nicht in einem Mitgliedstaat stattfand. Hier ist jedoch das Urteil vom 26.07.2013 des LG Frankfurt beachtenswert. (Aktenzeichen: 2-24 S 47/12) Dieses hat folgendes entschieden: Da die Flugverspätung, die der Grund für die verzögerte Ankunft der Kläger am Zielflughafen war, sich noch auf dem Gebiet der Europäischen Union ereignete, sei es nicht von Belang, dass das Endziel außerhalb des Geltungsbereichs der anspruchsbegründenden Norm lag.
In Ihrem Fall ist der Anwendungsbereich somit eröffnet.
II. Maßgeblicher Zeitpunkt für die genaue Berechnung der Verspätung
Zudem ist noch einmal auf die Berechnung der Verspätung einzugehen. Fraglich könnte sein, ob bei der Berechnung der Verspätung auf die Ankunft in London oder die Ankunft in den USA abzustellen ist.
Folgendes Urteil hilft in Ihrem Fall weiter:
EuGH, Urteil vom 26.02.2013, Az: C-11/11 (ganz einfach zu finden, wenn Du bei Google eingibst “ EuGH C 11/11 reise-recht-wiki.de“)
Hier hat der EuGH entschieden, dass für die Höhe des Schadensersatzanspruches im Sinne des Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 nicht die Verspätung des Zubringerfluges, sondern die tatsächliche Verspätung am Zielflughafen ausschlaggebend ist. Folglich sei auf das „Endziel“ abzustellen. Dieses meint den Zielort auf dem am Abfertigungsschalter vorgelegten Flugschein bzw. bei direkten Anschlussflügen den Zielort des letzten Fluges.
Mithin ist auf den Zeitpunkt abzustellen, zu welchem Sie an Ihrem Zielflughafen eingetroffen sind. Sie trafen mit 5 Stunden Verzögerung in den USA ein, sodass eine Verspätung zu bejahen ist.
III. Anspruchsgrundlage
Abzustellen ist hier zunächst auf die verspätete Ankunft, sodass sich die Anspruchsgrundlage aus Art. 6 Abs. 1 VO i.V.m. Art. 7 VO analog ergibt.
IV. Höhe der Ausgleichszahlung
- Bei einer Verspätung von 2 Stunden auf einer Strecke von 1500km oder weniger: 250€
- Bei einer Verspätung von 3 Stunden auf einer Strecke innerhalb der EU oder bis 3500km: 400€
- Bei einer Verspätung von 4 oder mehr Stunden auf einer Strecke außerhalb der EU von 3500km oder mehr: 600€
Näheres zur Berechnung der Ausgleichszahlung finden Sie in folgendem Urteil:
EuGH, Urteil vom 10.2012, Az: C-629/10 (ganz einfach zu finden, wenn Du bei Google eingibst “ EuGH C 629/10 reise-recht-wiki.de“)
In diesem Urteil hat der EuGH mehrfach darauf hingewiesen, dass Grund für die Anwendungen der Ausgleichszahlungen der Umstand sei, dass ein Zeitverlust von mehr als 3 Stunden entstanden ist und die damit einhergehenden Unannehmlichkeiten ausgeglichen werden sollen. Für den Passagier ist es nämlich allein entscheidend, wann er an seinem Zielort eintrifft und nicht, ob die Verspätung vor oder nach Abflug entsteht.
Sie kamen mit einer Verspätung von 5 Stunden am Flughafen JFK an, sodass meiner Meinung nach ein Anspruch auf Ausgleichszahlung in Höhe von 2400 Euro gemäß Art. 7 Abs. 1 VO besteht.