Sie sind mit EasyJet nach Spanien geflogen. Ihr Flug hatte eine Verspätung von 5 Stunden auf dem Hinflug und eine Verspätung von 6 Stunden auf dem Rückflug.
SIe haben richtigerweise erkannt, dass bei Ihnen bei einer Verspätung ein Anspruch aus Ausgleichszahlungen zustehen kann. Dabei reicht es jedoch nicht aus, dass Sie mit einer Verspätung losgeflogen sind. Maßgeblich ist allein die Verspätung am Zielflughafen an.
EuGH, Urteil vom 04.09.2014, Az.: C-452/13 8 (Das Urteil kann man im Volltext im Internet finden. Dazu einfach bei Google „Az.: C-452/13 8 reise-recht-wiki“ eingeben)
Der EuGH hat nun klargestellt, dass eine Verspätung beim Abflug keine Voraussetzung für die Entschädigung ist. Es kommt also allein auf die Ankunftsverspätung am Zielflughafen an. Für den Ankunftszeitpunkt ist das Öffnen einer Tür des Flugzeugs maßgebend, und nicht wie bisher von den Gerichten angenommen das Berühren des Bodens (Touch-Down) oder das Erreichen der Parkposition (on-block).
Ich nehme an, dass bei Ihnen auch von einer Verspätung am Zielflughafen ausgegangen werden kann.
Sie könnten also prinzipiell einen Anspruch auf Ausgleichszahlung aus der VO Nr. 261/2004 haben. DIeser ergibt sich aus Artikel 7 und bestimmt sich aus der Entfernung. Sie haben bereits richtig ermittelt, dass Ihnen ein Anspruch auf 400 EUR zustehen könnte.
Beachten Sie jedoch, dass die Fluggesellschaft keine Ausgleichszahlung leisten muss, wenn außergewöhnliche Umstände im Sinne des Artikel 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004/EG Ursache der Verspätung waren.
Im vorliegenden Fall beruft sich EasyJet auf einen technischen Defekt. Ein technischer Defekt ist aber in der Regel kein außergewöhnlicher Umstand, der die Fluggesellschaft von Ausgleichszahlungen freistellt. Dies gilt selbst dann, wenn die Fluggesellschaft alle Wartungsarbeiten am Flugzeug frist- und ordnungsgemäß durchgeführt hat.
Dazu die folgenden Urteile:
EuGH vom 22.12.2008 - C 549/07 - (Das Urteil kann man im Volltext im Internet finden. Dazu einfach bei Google unter "C 549/07 reise-recht-wiki")
Ein bei einem Flugzeug aufgetretenes technisches Problem, das zur Annullierung eines Fluges führt, fällt nicht unter den Begriff „außergewöhnliche Umstände“ im Sinne der VO 261/2004, es sei denn, das Problem geht auf Vorkommnisse zurück, die aufgrund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind.
Allein der Umstand, dass ein Luftfahrtunternehmen die gesetzlich vorgeschriebenen Mindesterfordernisse an Wartungsarbeiten an einem Flugzeug durchgeführt hat, reicht nicht für den Nachweis, dass dieses Unternehmen „alle zumutbaren Maßnahmen“ im Sinne von Art. 5 Abs. 3 ergriffen hat.
LG Darmstadt, Urteil vom 20.7.2011 –Az.: 7 S 46/11 (Das Urteil kann man im Volltext im Internet finden. Dazu einfach bei Google "Az.: 7 S 46/11 reise-recht-wiki")
Für das Vorliegen „außergewöhnlicher Umstände” ist – unabhängig von der Kategorisierung als „technischer Defekt” oder „unerwarteter Sicherheitsmangel” – entscheidend, ob das zugrundeliegende Geschehen ein typisches und in Ausübung der betrieblichen Tätigkeit vorkommendes Ereignis darstellt oder ob es der Beherrschbarkeit der Fluggesellschaft völlig entzogen ist.
Allein die Seltenheit eines derartigen Defekts und/oder der zeitliche bzw. logistische Aufwand zur Beseitigung dieses Mangels, vor dessen Behebung offenbar aus zwingenden Sicherheitsgründen nicht gestartet werden durfte, entlastet den Luftfrachtführer nach Art. 5 Abs. 3 VO nicht.
AG Köln, Urteil vom 5.4.2006 - Az.: 118 C 595/05 (Das Urteil kann man im Volltext im Internet finden. Dazu einfach bei Google "Az.: 118 C 595/05 reise-recht-wiki")
Auch wenn ein technisches Problem als ein „außerordentlicher Umstand i.S.d. Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 angesehen wird, muss das Luftfahrtunternehmen substantiiert vortragen, woraus sich ergeben könnte, dass der angegebene technische Defekt unerwartet und unvermeidbar gewesen ist. Die Behauptung, das streitbefangene Flugzeug sei regelmäßig gewartet worden, ist ersichtlich zu pauschal gehalten, um die gemäß Art. 5 Abs. 3 VO (EG) 261/2004 erforderliche Exkulpation bewirken zu können.
AG Rüsselsheim, Urteil vom 7.11.2006 – Az.: 3 C 717/06 (Das Urteil kann man im Volltext im Internet finden. Dazu einfach bei Google "Az.: 3 C 717/06 reise-recht-wiki" eingeben)
Ein technischer Defekt mag zwar ungewöhnlich sein, ist aber nicht außergewöhnlich im Sinne der EU-Verordnung und ist auf jeden Fall in der Sphäre des Luftfahrtunternehmens angesiedelt und daher nicht unbeeinflussbar auf höhere Gewalt bzw. Einwirkung durch Dritte zurückzuführen.
AG Frankfurt, Urteil vom 3. 2. 2010 - Az.: 29 C 2088/09 (Das Urteil kann man im Volltext im Internet finden. Dazu einfach bei Google "Az.: 29 C 2088/09 reise-recht-wiki" eingeben)
Für das Vorliegen „außergewöhnlicher Umstände” ist – unabhängig von der Kategorisierung als „technischer Defekt” oder „unerwarteter Flugsicherheitsmangel” – maßgeblich, ob das zu Grunde liegende Geschehen ein typisches und in Ausübung der betrieblichen Tätigkeit zu erwartendes Vorkommnis darstellt oder ob es der Beherrschbarkeit der Fluggesellschaft entzogen ist.
EasyJet kann sich also durch Vorliegen eines technischen Defekts nicht durch Leisten der Ausgleichszahlung befreien. Da bei Ihnen auf beiden Strecken eine Verspätung eingetreten ist, ist davon auszugehen, dass Sie für beide Flüge Ansprüche geltend machen könnten.