Liebe Nadine,
du hast im Juni einen Sommerurlaub mit der Familie nach Ägypten geplant. Leider musstest du nun erfahren, dass ihr Opfer einer Flugzeitenverlegung wurdet. Der Abflug wurde von 9.25 Uhr auf 21: 05 verschoben. Du fragst dich nun, ob du dies hinnehmen musst oder gegebenenfalls Ansprüche geltend machen kannst. Mangels weiterer Ausführungen gehe ich davon aus, dass du lediglich die Flüge gebucht hast.
Ansprüche lassen sich bei „Nur-Flug Buchungen“ aus der Fluggastrechte Verordnung herleiten. Die Verordnung ist eine gemeinsame Regelung des Europäischen Parlaments und Rates, welche sich mit der Problematik der Nichtbeförderung, Annullierung und großen Verspätung von Flügen auseinandersetzt. Sie dient der Geltendmachung von Rechten der Fluggäste gegenüber dem ausführenden Luftfahrtunternehmen.
In deinem Fall wurde die Abflugzeit um 11, 5 Stunden verschoben. Dies kann sowohl eine große Verspätung, als auch eine Annullierung darstellen. Die beiden Begrifflichkeiten unterscheiden sich darin, dass es bei der großen Verspätung (wortgerecht) auf die verspätete Ankunft am Zielflughafen ankommt. Eine Annullierung wird hingegen angenommen, wenn das Luftfahrtunternehmen seine ursprüngliche Flugplanung für die vorgesehene Strecke aufgeben muss.
Meiner Ansicht ist es jedoch völlig egal, ob man eine Verspätung von 11,5 Stunden nun als große Verspätung oder als Annullierung zu betrachten ist. Laut einem Urteil des EuGH ist es nämlich so, dass auch bei einer großen Verspätung die Ansprüche, welche sich aus der Annullierung ergeben, analog herangezogen werden können. Das bedeutet, dass du bei einer Verspätung von 11, 5 Stunden die in Art. 5 VO (Annullierung) genannten Ansprüche geltend machen kannst, soweit deren Voraussetzungen erfüllt sind.
Vgl. EuGH, Urteil vom 19.11.2009, Az.: C-402/07 (ganz einfach zu finden, wenn Du bei Google eingibst: "EuGH C-402/07 reise-recht-wiki.de“)
In Art. 5 stehen nun Verweise auf die Art. 7, 8 und 9 der Verordnung. Aus diesen könnte sich eine passende Anspruchsgrundlage ergeben.
Artikel 7, Ausgleichsanspruch
„(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:
a) 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1 500 km oder weniger,
b) 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 km und 3 500 km,
c) 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen.
Bei der Ermittlung der Entfernung wird der letzte Zielort zugrunde gelegt, an dem der Fluggast infolge der Nichtbeförderung oder der Annullierung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt“.
Ein Anspruch auf Ausgleichszahlung besteht also, wenn:
du nicht spätestens 14 Tage vor Abflug Bescheid bekommen hast,
die Fluggesellschaft für die Annullierung verantwortlich war und
dir kein Alternativflug angeboten wurde, der innerhalb der Annullierungsfristen nur eine geringe Verspätung hat.
Ich gehe davon aus, dass die 2 Wochen noch nicht unterschritten wurden. Des Weiteren kommt aber auch ein Anspruch gemäß Art. 8 VO in Betracht.
Art. 8, Anspruch auf Erstattung oder anderweitige Beförderung
(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so können Fluggäste wählen
zwischen
a) – der binnen sieben Tagen zu leistenden vollständigen Erstattung der Flugscheinkosten
nach den in Artikel 7 Absatz 3 genannten Modalitäten zu dem Preis, zu dem der Flugschein erworben wurde, für nicht zurückgelegte Reiseabschnitte sowie für bereits zurückgelegte Reiseabschnitte, wenn der Flug im Hinblick auf den ursprünglichen Reiseplan des Fluggastes zwecklos geworden ist, gegebenenfalls in Verbindung mit
– einem Rückflug zum ersten Abflugort zum frühestmöglichen Zeitpunkt,
b) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt oder
c) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes, vorbehaltlich verfügbarer Plätze.
(2) Absatz 1 Buchstabe a) gilt auch für Fluggäste, deren Flüge Bestandteil einer Pauschalreise sind, mit Ausnahme des Anspruchs auf Erstattung, sofern dieser sich aus der Richtlinie 90/314/EWG1) ergibt.
(3) Befinden sich an einem Ort, in einer Stadt oder Region mehrere Flughäfen und bietet ein ausführendes Luftfahrtunternehmen einem Fluggast einen Flug zu einem anderen als dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen an, so trägt das ausführende Luftfahrtunternehmen die Kosten für die Beförderung des Fluggastes von dem anderen Flughafen entweder zu dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen oder zu einem sonstigen nahe gelegenen, mit dem Fluggast vereinbarten Zielort.
Es ist davon auszugehen, dass der Flug der dir angeboten wurde, der Flug zum frühestmöglichen Zeitpunkt ist. Daher bleibt dir meiner Ansicht nur die Möglichkeiten die Flugscheinkosten zurückerstatten zu lassen.
Ein Anspruch nach Art. 9 VO scheidet als Anspruchsgrundlage von vornherein aus, da er einen Zeitpunkt betrifft, zu welchem sich der Fluggast schon am Flughafen oder zumindest in einem Hotel befinden muss.
Ich komme abschließend zu dem Ergebnis, dass es meiner Ansicht nach am sinnvollsten wäre sich die Flugscheinkosten gemäß Art. 8 Abs.1 a VO zurückerstatten zu lassen. Dies spiegelt lediglich meine persönliche Meinung wider und soll keinen Rechtsrat darstellen.