Liebe Familie Kreittner,
Sie wollten mit der Fluggesellschaft Eurowings mit der Flugnummer EW 145 ihre Heimreise antreten. Leider war dies nicht so unproblematisch wie erhofft. Vielmehr gelangten sie zum einen erst unter erheblichen Strapazen zum Flughafen und mussten dann auch noch eine verspätete Ankunft hinnehmen, sodass sie erst über 25 Stunden später ihren Zielflughafen erreichten. Des Weiteren kam es zu einer Änderung der ausführenden Airline und sie haben die gebuchten Komfortsitze nicht erhalten. Sie fragen sich nun. Welche Ansprüche sie geltend machen können.
Ein Anspruch könnte sich aus der Fluggastrechte Verordnung ergeben. Diese dient dem Schutz der Fluggäste in Fällen der Nichtbeförderung, Annullierung und großen Verspätung.
Anwendungsbereich
Der Anwendungsbereich ist gemäß Art. 3 Abs. 1 a VO eröffnet, wenn es sich um Fluggäste, die auf Flughäfen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, einen Flug antreten. Dies ist hier zu bejahen, da die Fluggesellschaft ihren Hauptsitz in einem Mitgliedstaat hat. Somit ist der Anwendungsbereich eröffnet.
Anspruchsgegener
Anspruchsgegner ist gemäß Art. 3 Abs. 5 VO immer das ausführende Luftfahrtunternehmen. Sie müssen also jenes Unternehmen kontaktieren, welches den Flug auch tatsächlich ausgeführt hat.
Anspruchsgrundlage
Die Ihnen entstandene Verspätung, könnte etwaige Zahlungsansprüche begründen. Sie geben an, dass der Flieger mit einer Verspätung von über 25 Stunden abflog. Auf Grund der Tatsache, dass die ausführende Airline, der Abflughafen, die Crew und die Flugzeit geändert wurden, würde auch ich von einer Annullierung ausgehen.
Art. 7 Ausgleichsanspruch
„(1) 1Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:
a) 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1 500 km oder weniger,
b) 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 km und 3 500 km,
c) 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen.
Bei der Ermittlung der Entfernung wird der letzte Zielort zugrunde gelegt, an dem der Fluggast infolge der Nichtbeförderung oder der Annullierung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt.“
Die Entfernung Ihres Abflugs-und Ankunftsflughafens übersteigt die Anzahl von 3500 km erheblich. Demnach können sie einen Anspruch auf 600 Euro pro Person geltend machen.
Nachzuprüfen unter folgendem Link:
http://www.entfernung.org/santo%20domingo/deutschland
Fraglich ist jedoch, ob sich die Airline der Haftung gemäß Art. 5 Abs. 3 VO entziehen kann.
Dies wäre dann der Fall, wenn für die Verzögerung ein außergewöhnlicher Umstand verantwortlich war, welchen die Fluggesellschaft auch dann nicht hätte vermeiden können, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
In Ihrem Fall wird auf die Crew Rest Time und die Wetterbedingungen verwiesen. Zunächst müsste die Airline den außergewöhnlichen Umstand darlegen und nachweisen:
AG Frankfurt, Urteil vom 17.01.14, 30 C 2462/13, (ganz einfach zu googlen unter "AG Frankfurt 30 C 2462/13 Reise-Recht-Wiki.de")
In diesem Urteil wird noch einmal hervorgehoben, dass die Fluggesellschaft substantiiert vortragen und darlegen muss , wie es zu dem außergewöhnlichem Umstand gekommen ist, wenn sie sich darauf berufen möchte.
Des Weiteren müssten die genannten Umstände außergewöhnlich sein. Ein außergewöhnlicher Umstand kann im Allgemeinen immer dann angenommen werden, wenn ein Vorkommnis nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entspricht, sondern sich außerhalb dessen bewegt, was üblicherweise mit dem Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr verbunden ist oder verbunden sein kann. Dies ist bezüglich der Crew Rest Time abzulehnen. Diese Einhaltung ist gesetzlich geregelt und gehört zum Alltag des Flugbetriebes. Daher ist ein außergewöhnlicher Umstand hier abzulehnen. Schwerste Wetterbedingungen können unter bestimmten Umständen einen außergewöhnlichen Umstand darstellen.
Außergewöhnlich waren beispielsweise die Flugverbote aufgrund des Ausbruchs des Vulkans Eyjafjallajökull in Island im Jahr 2010.
Vgl. EuGH, Urteil vom 31.01.2013, Az. C 12/11 (ganz einfach zu finden, wenn Sie bei Google „Reise-Recht-Wiki EuGH C 12/11“ eingeben)
Hier hat der EuGH entschieden, dass die Schließung eines Teils des europäischen Luftraums nach Vulkanausbruch einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne der Fluggastrechte Verordnung darstellt.
Des Weiteren kann auch ein Blitzschlag einen außergewöhnlichen Umstand darstellen.
AG Erding, Urteil vom 23.07.2012, Aktenzeichen 3 C 719/12 (auch einfach zu finden unter „Reise-Recht-Wiki AG Erding 3 C 719/12“)
Hier ging es um eine Verspätung von 3:40 h auf einem Flug von München nach Rom. Das dafür vorgesehen Flugzeug wurde auf dem Vorflug von einem Blitz getroffen. Daraufhin musste das Flugzeug auf Schäden überprüft werden, was zu Verspätungen auf Folgeflügen führte. Zwar sei ein Blitzschlag ein außergewöhnlicher Umstand, dieser dürfe aber nur für den Flug gelten, zu welchem der Blitz tatsächlich einschlug. Darüber hinaus konnte die Fluggesellschaft nicht ausreichend darlegen, dass sie alles unter personellen, materiellen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten mögliche unternommen hat, um die Verspätung zu vermeiden.
Auch eine Nebelbildung am Zielflughafen kann einen außergewöhnlichen Umstand begründen.
Vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 11. Januar 2008, Az. 10 U 385/0 (Das Urteil kann man wieder ganz einfach finden unter „OLG Koblenz Az. 10 U 385/0 reise-recht-wiki")
Hier konnte wegen Nebel der Zielflughafen nicht angeflogen werden. Die Klägerin konnte keine Ausgleichszahlungen verlangen, da ein außergewöhnlicher Umstand bejaht wurde.
Die Fluggesellschaft könnte wegen schlechter Wetterbedingungen also tatsächlich von Ausgleichszahlungen befreit sein. Dies hängt jedoch maßgeblich von den tatsächlichen Wetterverhältnissen im Einzelfall ab und muss daher, mangels genauer Angaben, zunächst offen bleiben.
Betrachtet man diese Urteile und vergleicht sie mit Ihrem Fall, lässt es meiner Ansicht nach den Schluss zu, dass ein außergewöhnlicher Umstand zu verneinen wäre. Die Fluggesellschaft hat weder präzise geschildert, inwiefern der außergewöhnliche Umstand nicht vermeidbar gewesen wäre, noch hat sie diesen nachgewiesen. Zudem wurde die Verspätung durch die Wetterbedingungen nur vergrößert. Es wäre jedoch auch bei guten Wetter zu einer Verspätung gekommen, welche auf der Crew Rest Time beruhte. Mithin ist ein Anspruch auf Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 Abs. 1 VO meiner Meinung nach zu bejahen.
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