Hallo Petra,
du hast einen Flug von Köln nach Olbia mit der Fluggesellschaft Air Berlin gebucht. Leider musstet ihr am 20. Juni erfahren, dass dieser Flug von 6:15 Uhr auf 17:45 Uhr verlegt wurde. Dadurch wurden euch 11 Stunden eures Urlaubes genommen. Mitgeteilt wurde euch das am 18. Juni, also erst t Tage vor eurem Reiseantritt. Wegen dieser Flugzeitenverlegung musstet ihr euer gebuchtes Hotel mit Parkplatz in Köln storniere. Ersatzweise musstet ihr dann kurzfristig einen anderen Parkplatz buchen, welcher äußerst teuer war.
Zudem ereilten euch auch noch negative Nachrichten bezüglich eures Rückfluges. Dieser sollte am 30. Juni um 9:15 den Flughafen in Olbia verlassen und direkt nach Köln fliegen. Dieser wurde dann jedoch auf 13:45 Uhr verlegt und zudem über Berlin Tegel umgeleitet. Die Reisezeit erhöhte sich durch dieses Unterfangen auf 6 Stunden anstatt 2 Stunden. Du bist der Ansicht, dass dies für eine Für so kurze Flugdistanz eine unakzeptable Reisezeit darstellt. Insbesondere hättest du die Reise nicht gebucht, wenn die Flugzeiten im Vorfeld so ausgeschildert gewesen worden wären. Du fragst dich daher, ob und gegebenenfalls welche Ansprüche du geltend machen kannst.
Du hast eine reine Flugbuchung vorgenommen, sodass als gesetzliche Grundlage die Fluggastrechte Verordnung (VO) heranzuziehen ist. Bei dieser Verordnung handelt es sich um eine gemeinsame Regelung des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates, welche die Fluggastrechte bei Nichtbeförderung, Annullierung und (großer) Verspätung festigt. Fraglich ist daher zunächst unter welchen der genannten Begriffe dein Fall zu subsumieren ist. Eine Nichtbeförderung scheidet aus, da du grundsätzlich befördert wurdest, nur nicht zu den vereinbarten Konditionen. Fraglich ist vielmehr, ob dein Flug annulliert wurde, oder mit einer erheblichen Verspätung eintraf. Da du sowohl auf deinem Hinflug, als auch auf deinem Rückflug von Veränderungen betroffen warst, möchte ich die Prüfung in zwei Teile untergliedern.
I. Der Hinflug
Dein Hinflug wurde 11 Stunden nach hinten verschoben. Dies könnte einer Annullierung gleichkommen. Von einer Annullierung kann ausgegangen werden, wenn die Fluggesellschaft ihre ursprüngliche Flugplanung aufgeben muss. Indizien, welche für eine Annullierung sprechen sind beispielsweise Änderungen bezüglich der Fluggesellschaft, der Flugnummer, der Route, des Abflugortes und der Abflugzeit. In deinem Fall wurde lediglich die Abflugzeit verschoben, dies könnte für die Annahme der Annullierung regelmäßig nicht ausreichen. Vor allem die Beibehaltung der Flugnummer deutet meist daraufhin, dass die ursprüngliche Flugplanung eben nicht aufgegeben wurde.
Zu beachten ist jedoch die ständige Rechtsprechung in Fällen der Flugzeitenverlegung:
Vgl. EuGH, Urteil vom 13.10.2011, Az. C-83/10 (einfach zu finden wenn du wieder bei Google eingibst: reise-recht-wiki EuGH C-83/10)
Hier wurde bestätigt, dass beispielsweise auch dann eine Annullierung anzunehmen sei, wenn ein Flug auf den nächsten Tag verlegt werde.
AG Hannover, Urteil vom 21.04.2011, Az. 512 C 15244/10 (einfach zu finden, wenn du bei Google folgendes eingibst: „reise-recht-wiki AG Hannover 512 C 15244/10)
Hier hat das Gericht eine Annullierung des Fluges angenommen, wenn die Abflugzeit um mindestens 10 Stunden vorverlegt wurde.
AG Rüsselsheim, Urteil vom 17. 03 2006 Az: 3 C 109/06 (33) (ganz einfach zu finden, wenn Du bei Google eingibst “AG Rüsselsheim 3 C-109/06 (33) reise-recht-wiki.de“)
In diesem Urteil wird die Abgrenzung von Annullierung und Verspätung sehr gut herausgearbeitet.
Teilweise wird jedoch auch in der Rechtsprechung vertreten, dass eine Verlegung der Flugzeit keine Annullierung, sondern eine (große) Verspätung darstellt und auch solche behandelt werden muss.
EuGH, Urteil vom 19.11.2009, Az: C-402/07 (ganz einfach zu finden, wenn Du bei Google eingibst “EuGH C-402/07 reise-recht-wiki.de)
Hier hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass der Abflug am nächsten Tag keine Annullierung, sondern eine Verspätung darstellte. Nach dem Urteil des Gerichtshofs kann ein verspäteter Flug unabhängig von der – auch erheblichen – Dauer der Verspätung nicht als annulliert angesehen werden, wenn er entsprechend der ursprünglichen Flugplanung des Luftfahrtunternehmens durchgeführt wird.
Landgericht Darmstadt, Urteil vom 12. 07. 2006 Az: 21 S 82/06 (ganz einfach zu finden, wenn Du bei Google eingibst “LG Darmstadt 21-S 82/06 reise-recht-wiki.de)
Auch in diesem Urteil hat das Gericht entschieden, dass ein Abflug am nächsten Tag keine Annullierung, sondern ein Verspätung darstelle.
Wenn selbst die Rechtsprechung sich nicht einig ist, maße auch ich mir nicht an, eine Zuordnungsentscheidung zu treffen. Ich denke jedoch, dass dies auch gar nicht notwendig ist, da beide Ansichten zum gleichen Ergebnis führen. Laut eines Urteils des EuGH ist es nämlich so, dass auch bei einer großen Verspätung die Ansprüche, welche sich aus der Annullierung ergeben, analog herangezogen werden können. Das bedeutet, dass du bei einer Verspätung von 11 Stunden die in Art. 5 VO (Annullierung) genannten Ansprüche geltend machen kannst, soweit deren Voraussetzungen erfüllt sind.
Vgl. EuGH, Urteil vom 19.11.2009, Az.: C-402/07 (ganz einfach zu finden, wenn Du bei Google eingibst: "EuGH C-402/07 reise-recht-wiki.de“)
In Art. 5 stehen nun Verweise auf die Art. 7, 8 und 9 der Verordnung. Aus diesen könnte sich eine passende Anspruchsgrundlage ergeben. Da du bereits im Vorfeld über die Änderung informiert wurdest und den angebotenen Alternativflug angenommen hast, scheiden Ansprüche aus Art. 8 und 9 VO meiner Ansicht nach aus. Vielmehr erwartet dich eine Entschädigungszahlung gemäß Art. 7 VO.
Artikel 7, Ausgleichsanspruch (gekürzt)
„(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:
a) 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1 500 km oder weniger,
b) 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 km und 3 500 km,
c) 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen.
Bei der Ermittlung der Entfernung wird der letzte Zielort zugrunde gelegt, an dem der Fluggast infolge der Nichtbeförderung oder der Annullierung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt“.
Ein Anspruch auf Ausgleichszahlung besteht also, wenn:
du nicht spätestens 14 Tage vor Abflug Bescheid bekommen hast,
die Fluggesellschaft für die Annullierung verantwortlich war und
dir kein Alternativflug angeboten wurde, der innerhalb der Annullierungsfristen nur eine geringe Verspätung hat.
Fortsetzung folgt...