Guten Tag,
Sie haben einen Flug mit Germanwings von Dublin nach Dresden über Köln/Bonn gebucht.
Ihr Flug in Dublin wurde annuliert, Sie wurden darüber informiert, dass keine Crew zur Verfügung stand. Sie sollten auf einen Flug am nächsten Tag umgebucht werden, welcher für Sie ein Arbeitstag gewesen wäre, und Sie deshalb bei einer anderen Fluggesellschaft Flüge buchen mussten.
Sie fragen sich nun, mit welchen Entschädigungen Sie rechnen könnten.
Bei der Buchung von Nur-Flügen können sich für Sie Ansprüche aus der EU-Fluggastrechteverordnung ergeben.
Sie wurden darüber informiert, dass Ihr Flug annuliert wurde.
EuGH, Urteil vom 13.10.2011, Az C-83/10 (bei Google einfach zu finden, wenn Sie eingeben: „C-83/10 reise-recht-wiki“)
Eine Annullierung liegt immer dann vor, wenn ein Flug nicht so durchgeführt werden kann wie geplant und der Start daher aufgegeben wird. Wird ein Flug auf einen anderen Tag verlegt, ist darin ebenfalls eine Annullierung zu sehen. Es ergeben sich somit auch Ansprüche aus der EU-Fluggastrechteverordnung.
In diesem Fall ergeben sich für Sie Möglichkeiten aus Artikel 5 EU-VO.
Besonders interessant für Sie ist in diesem Fall Artikel 7 EU-VO, nach diesem Artikel können Ihnen nämlich Ausgleichszahlungen zustehen:
(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:
a) 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1500 km oder weniger,
b) 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1500 km und 3500 km,
c) 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen.
Da die Entfernung zwischen Dublin und Köln/Bonn knapp 1000km beträgt könnten Ihnen 250 Euro pro Fluggast zustehen.
Von dieser Zahlungspflicht kann sich eine Fluggesellschaft aber befreien, wenn Sie nachweisen kann, dass ein außergewöhnlicher Umstand vorlag. Genannt wurde Ihnen hier, dass keine Crew da war.
Dies kann unterschiedliche Gründe haben, zu denken ist meiner Meinung nach aber in erster Linie an eine Arbeitszeitüberschreitung, die dann dazu führt, dass eine möglicherweise eigentlich geplante Crew nicht mehr arbeiten kann.
Fraglich ist, ob dies ein außergewöhnlicher Umstand sein kann.
Dazu folgendes Urteil:
EuGH, Urteil vom 12.5. 2011 – Az.: C-294/10 (einfach zu finden über Google unter Az.: C-294/10 bei ”reise-recht-wiki.de”)
Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs – und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 ist dahin auszulegen, dass das Luftfahrtunternehmen, da es alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen hat, um außergewöhnliche Umstände zu vermeiden, die mit dem etwaigen Eintritt außergewöhnlicher Umstände verbundene Möglichkeit von Verspätungen bei der Flugplanung angemessen berücksichtigen muss. Es muss daher eine gewisse Zeitreserve vorsehen, um den Flug insgesamt möglichst bald nach dem Wegfall der außergewöhnlichen Umstände durchführen zu können.
Außerdem:
Amtsgericht Hannover, Urteil vom 31.01.2011, Az.: 426 C 12868/10 (einfach zu finden unter dem Aktenzeichen über Google bei ”reise-recht-wiki.de”)
Die Berufung eines Luftverkehrsunternehmens auf einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 EGV 261/2004 kann nicht damit begründet werden, dass die für den Flug vorgesehene Crew nach einem verspäteten Flug zuerst eine Mindestruhezeit einhalten muss. Es obliegt dem Luftverkehrsunternehmen hier darzulegen, aus welchen Gründen keine Ersatz-Crew gestellt werden konnte.
Eine Überschreitung der Arbeitszeit ist also in der Regel kein außergewöhnlicher Umstand. Dem obigen Urteil folgend wäre das Luftverkehrsunternehmen nämlich verpflichtet gewesen im Falle der Verspätung eine Ersatz-Crew zu stellen. Fraglich ist natürlich, ob die Fluggesellschaft begründen kann, wieso keine Ersatz-Crew gestellt werden konnte. Man darf aber wohl davon ausgehen, dass eine Fluggesellschaft für solche Fälle eine Ersatz-Crew parat haben sollte, und es für diese schwierig sein könnte nachzuweisen, welche schwerwiegenden Gründe eine Bereitstellung verhindert haben. Dabei liegt die Beweislast eindeutig auf Seiten der Fluggesellschaft, nicht auf Ihrer.
So viel zu Ihrem ursprünglich gebuchten Flug, für den Sie meiner Meinung nach eine geldwerte Entschädigung nach Artikel 7 EU-VO von Germanwings verlangen können.
Darüber hinaus haben Sie auch neue Flüge buchen müssen. Ihnen wurden Alternativflüge im Sinne von Artikel 8 EU-VO angeboten:
(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so können Fluggäste wählen zwischen
a) – der binnen sieben Tagen zu leistenden vollständigen Erstattung der Flugscheinkosten nach den in Artikel 7 Absatz 3 genannten Modalitäten zu dem Preis, zu dem der Flugschein erworben wurde, (...)
b) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt oder
c) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes, vorbehaltlich verfügbarer Plätze.
Diese neuen Flüge haben Sie auf eigene Faust gebucht, unabhängig von Germanwings. Eine Verbindung ist deshalb auch über die EU-VO nicht herzustellen. Sie hätten möglicherweise an Ort und Stelle eine Rückerstattung Ihrer Flüge im Sinne von Artikel 8 EU-VO Absatz 1 a) erwirken können, aber dies wäre eine entweder oder Entscheidung mit Blick auf mögliche Ansprüche aus Artikel 7 EU-VO gewesen.
Ihnen raten würde ich dennoch Ihren Fall Germanwings darzulegen, also dass Sie diese Alternativangebote wegen Ihrer Arbeit nicht annehmen konnten und dergestalt auf ein Entgegenkommen hinwirken was Ihre neu gebuchten Flüge angeht.