Guten Tag,
Sie haben einen Flug von München nach Mallorca mit Sunexpress für den 28.08.16 gebucht. Durch eine 2-malige Verschiebung kamen Sie erst 36 Stunden später als geplant in Mallorca an. Sie fragen sich jetzt welche Entschädigungen Sie zu erwarten haben.
Ihnen könnten Ansprüche aus der EU-Fluggastrechteverordnung zukommen.
EuGH, Urteil vom 13.10.2011, Az C-83/10 (bei Google einfach zu finden, wenn Sie eingeben: „C-83/10 reise-recht-wiki“)
Eine Annullierung liegt immer dann vor, wenn ein Flug nicht so durchgeführt werden kann wie geplant und der Start daher aufgegeben wird. Wird ein Flug auf einen anderen Tag verlegt, ist darin ebenfalls eine Annullierung zu sehen. Es ergeben sich somit auch Ansprüche aus der EU-Fluggastrechteverordnung.
AG Rüsselsheim, Urt. v. 20.11.2012, Az: 3 C 1226/12 (32)
Entgegen der Ansicht des beklagten Luftfahrtunternehmens ist die Abflugverspätung zur Feststellung einer Flugverspätung i. S. des Artikels 6 Abs. 1 der VO nicht ausschlaggebend. Vielmehr erhält Reisende einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung, wenn er nach Durchführung des Fluges einen Zeitverlust von mehr als drei Stunden erleidet.
Ihr Flug wurde nicht durchgeführt wie geplant, Sie wurden stattdessen auf einen Flug am nächsten Tag umgebucht - ein Hinweis darauf kann auch eine veränderte Flugnummer sein. Es ist meiner Meinung nach von einer Annulierung zu sprechen.
Dann haben Sie die in Artikel 5 EU-VO aufgeführten Möglichkeiten. Interessant für Sie dürften die dort aufgeführten Artikel 7 und 9 sein.
> Nach Artikel 7 haben sie einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen bei einer Annulierung:
(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:
a) 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1500 km oder weniger,
b) 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1500 km und 3500 km,
c) 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen.
Dies aber auch nur, siehe Artikel 5 Absatz 3, wenn und soweit sich die Fluggesellschaft nicht auf außergewöhnliche Umstände berufen kann:
(3) Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen ist nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
Diese muss Sunexpress aber im Zweifel substantiiert darlegen, da diese in der Beweislast stehen. In Ihrer Nachricht ist von einer defekten Tür, also einem technischen Defekt die Rede.
Möglicherweise ist dies ein außergewöhnlicher Umstand.
AG Rüsselsheim, Urteil vom 20.07.2011, Az. 3 C 739/11 (36) (ganz einfach zu finden, wenn Sie bei Google eingeben: AG Rüsselsheim 3 C 739/11 (36) reise-recht-wiki.de)
"Außergewöhnlichen Umstände" müsse außerhalb des Verantwortungsbereichs der Fluggesellschaft liegen. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn Sabotage oder terroristische Handlungen Ursache des technischen Defektes sind.
EuGH, Urteil 19. November 2009 – Az. C-402/07 und C-432/07 (zu finden im Reise-Recht-Wiki:http://reise-recht-wiki.de/ausgleichszahlung-bei-flugverspaetung-urteil-az-c40207undc43207eugh.html)
Ausgleichansprüche für Fluggäste bestehen jedoch nicht, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass als Ursache eine „Außergewöhnlicher Umstand“ vorliegt. Ein technischer Defekt des Flugzeugs zählt nicht als „Außergewöhnlicher Umstand“.
AG Rüsselsheim, Urteil vom 7.11.2006 – Az.: 3 C 717/06 (32) (einfach zu finden bei Google unter Az.: 3 C 717/06 (32) im "reise-recht-wiki")
Ein technischer Defekt mag zwar ungewöhnlich sein, ist aber nicht außergewöhnlich im Sinne der EU-Verordnung und ist auf jeden Fall in der Sphäre des Luftfahrtunternehmens angesiedelt und daher nicht unbeeinflussbar auf höhere Gewalt bzw. Einwirkung durch Dritte zurückzuführen.
EuGH, Urteil vom 22.12.2008 - Az.: C 549/07 - (einfach zu finden bei Google unter Az.: C 549/07 im "reise-recht-wiki")
Ein bei einem Flugzeug aufgetretenes technisches Problem, das zur Annullierung eines Fluges führt, fällt nicht unter den Begriff „außergewöhnliche Umstände“ im Sinne der VO 261/2004, es sei denn, das Problem geht auf Vorkommnisse zurück, die aufgrund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind. Allein der Umstand, dass ein Luftfahrtunternehmen die gesetzlich vorgeschriebenen Mindesterfordernisse an Wartungsarbeiten an einem Flugzeug durchgeführt hat, reicht nicht für den Nachweis, dass dieses Unternehmen „alle zumutbaren Maßnahmen“ im Sinne von Art. 5 Abs. 3 ergriffen hat.
Ein technischer Defekt ist also in der Regel nicht als außergewöhnlicher Umstand einzustufen. Dabei liegt die Beweislast auf Seiten der Fluggesellschaft.
Sie könnten also meiner Meinung nach bei einer Entfernung von knapp 1500km zwischen München und Mallorca durchaus einen Anspruch aus Ausgleichszahlungen in Höhe von 400 Euro haben.
> Außerdem könnte Artikel 9 EU-VO für Sie interessant sein:
(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so sind Fluggästen folgende Leistungen unentgeltlich anzubieten:
a) Mahlzeiten und Erfrischungen in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit,
b) Hotelunterbringung, falls
– ein Aufenthalt von einer Nacht oder mehreren Nächten notwendig ist oder
– ein Aufenthalt zusätzlich zu dem vom Fluggast beabsichtigten Aufenthalt notwendig ist,
c) Beförderung zwischen dem Flughafen und dem Ort der Unterbringung (Hotel oder Sonstiges).
Danach ist Ihnen eine Hotelunterbringung zu stellen oder zu erstatten, ebenso wie die Beförderung zwischen dem Flughafen und dem Hotel.
Diese Ansprüche aus Artikel 7 und 9 haben Sie meiner Meinung nach, und müssten Sie gegenüber Ihrer Fluggesellschaft so schnell wie möglich, also ohne schuldhaftes Zögern, geltend machen.