Hallo,
du hast mit deiner Mutter einen Flug von LEJ nach AGA mit der Airline Sun Express gebucht. Leider kam es aufgrund einer Zwischenlandung zu einer verspäteten Ankunft. Die Zwischenlandung war bedingt durch einen medizinischen Notfall und wurde in Malaga durchgeführt. Du bist nun verstimmt, da du insgesamt mehr als 6 Stunden in dem Flugzeug sitzen musstest und dir während der Warterei keine Erfrischungsgetränke gereicht wurden. Du fragst dich daher, ob dir ein Anspruch auf Entschädigungsleistungen zustehen könnte.
Bei eine reinen Flugbuchung ist die passende Anspruchsgrundlage in der Fluggastrechte Verordnung, nachfolgend VO genannt, zu suchen. Diese seit 2004 bestehende Verordnung regelt den Umgang mit den Passagierrechten im Raum der Europäischen Union. Sie kommt zur Anwendung, wenn ein Fluggast von einer Nichtbeförderung, Annullierung oder großen Verspätung betroffen ist und daraus resultierend Ausleichs- und Unterstützungsleistungen in Anspruch nehmen möchte. Etwaige Ansprüche sind dann immer gegenüber dem ausführenden Luftfahrtunternehmen geltend zu machen. Im Falle einer Zwischenlandung kann meiner Ansicht gerade nicht von einer Nichtbeförderung oder Annullierung ausgegangen werden, da der Passagier befördert wurde und es auch an einer Flugaufgabe seitens der Airline mangelt. Infrage kommt daher lediglich den Umstand der Zwischenlandung unter den Begriff der großen Verspätung zu subsumieren. Die Verspätung ist in Art. 6 VO geregelt. Laut diesem Artikel ist eine Verspätung nach 2 Stunden anzunehmen. Seitens der Rechtsprechung wurde weiterhin folgende Auslistung der Höhe der möglichen Ausgleichszahlungen entwickelt:
- Bei einer Verspätung von 2 Stunden auf einer Strecke von 1500km oder weniger: 250€
- Bei einer Verspätung von 3 Stunden auf einer Strecke innerhalb der EU oder bis 3500km: 400€
- Bei einer Verspätung von 4 oder mehr Stunden auf einer Strecke außerhalb der EU von 3500km oder mehr: 600€
Bei der Verspätung kommt es auf den Ankunftszeitpunkt am Zielflughafen an.
EuGH, Urteil vom 04.09.2014, Az: C-452/13 (ganz einfach zu finden, wenn du bei Google eingibst “ EuGH C 452/13 reise-recht-wiki.de“)
Hier hat der EuGH noch einmal verdeutlicht, dass es nicht auf die Verspätung zum Zeitpunkt des Abfluges ankommt. Vielmehr sei der Zeitpunkt maßgeblich, an dem die Türen geöffnet werden. Während des Fluges hätten sich Passagiere in einem geschlossenen Raum aufzuhalten, in dem ihre Möglichkeiten, mit der Außenwelt zu kommunizieren, aus technischen und aus Sicherheitsgründen erheblich beschränkt sein. Unter solchen Umständen könnten sich die Fluggäste nicht weiter um ihre persönlichen, familiären, sozialen oder beruflichen Angelegenheiten kümmern. Daher stelle ein Aufenthalt im Flugzeug, der über die normale Flugzeit hinausgehe, verlorene Zeit dar.
Falls die Türen am Zielort also mindestens 2 Stunden später, als geplant, geöffnet wurden, kann ein Anspruch auf Ausgleichszahlung bestehen. Ein solcher Anspruch ist jedoch ausgeschlossen, wenn das Ereignis, welche für die Verspätung verantwortlich ist, auf einen außergewöhnlichen Umstand zurückgeht. . Ein außergewöhnlicher Umstand ist zu bejahen, wenn ein Ereignis nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entspricht, sondern außerhalb dessen liegt, was üblicherweise mit dem Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr verbunden ist oder verbunden sein kann. Es sollen Vorfälle erfasst werden, die nicht zum Luftverkehr gehören, sondern als - jedenfalls in der Regel von außen kommende - besondere Umstände seine ordnungs- und plangemäße Durchführung beeinträchtigen oder unmöglich machen können. Ich bin der Ansicht, dass ein medizinischer Notfall unter den Begriff des außergewöhnlichen Umstandes subsumiert werden kann. Ferner wäre meiner Ansicht nach eine Gegenteilige Auffassung fatal, da man sonst zu der Annahme gelangen könnte, dass ein Menschenleben einen Geldwert hat. Es darf nicht vergessen werden, dass eine solche Zwischenlandung nur dann angeordnet wird, wenn diese nicht vermeidbar ist. Es ist daher immer von einer gewissen Dringlichkeit auszugehen. Wenn es um das eigene Leben geht, würde man auch wollen, dass der Kommandant seine Entscheidung nicht von der Wirtschaftlichkeit abhängig macht. Mithin liegt meiner Ansicht nach ein außergewöhnlicher Umstand vor, sodass ein Anspruch auf Ausgleichszahlung entfällt.
Grundsätzlich kann zudem auch nicht erwartet werden, dass die Flugbegleiter bei einer solchen Zwischenlandung Getränke reichen. Das Kabinenpersonal ist in erster Linie für die Sicherheit der Passagiere zuständig und muss auch in einer stehenden Maschine die Ausgänge überwachen, da es jederzeit zu einer Evakuierung oder einem kontrollierten Aussteigen kommen kann. Mit einem Wagen durch die Kabine zu gehen, um Getränke anzureichen wäre zudem auch verboten, da bei einer „geparkten“ Maschine der Gang zu den Evakuierungsmöglichkeiten freigehalten werden muss. Da die Airline Sun Express bekannt dafür ist, dass sämtliche Getränke bezahlt werden müssen, kann auch dies meiner Ansicht nach nicht zu einer Entschädigungszahlung führen.
Mithin komme auch ich zu dem Ergebnis, dass hier kein Anspruch auf Entschädigungszahlungen besteht.