Hallo Hirse,
du bist mit Airberlin geflogen. Eigentlich von Miami nach Berlin Tegel, doch wegen eines technischen Defekt konntet ihr nicht am 01.12. starten, sondern erst nach einer bezahlten Übernachtung am 02.12. um 20:40 mit Air France über Paris Charles de Gaulle. Ihr seid um 14:30 angekommen, eure Koffer jeweils als Nachzügler um 16:50 und um 21:30. Du fragst dich nun, ob du eine Entschädigung geltend machen kannst.
1. Flüge
Du könntest Ansprüche aus der EU-VO was die Verspätung und Umbuchung angeht geltend machen. Dazu müsste von einer Annulierung auszugehen sein:
EuGH, Urteil vom 13.10.2011, Az C-83/10 (bei Google einfach für Sie zu finden, wenn Sie eingeben: EuGH C-83/10 reise-recht-wiki.de)
Eine Annullierung liegt immer dann vor, wenn ein Flug nicht so durchgeführt werden kann wie geplant und der Start daher aufgegeben wird. Wird ein Flug auf einen anderen Tag verlegt, ist darin ebenfalls eine Annullierung zu sehen. Es ergeben sich somit auch Ansprüche aus der EU-Fluggastrechteverordnung.
Du wurdest darüber informiert, dass dein Flug gestrichen wurde, und wurdest auch umgebucht. Eine Annulierung ist meiner Meinung nach anzunehmen.
Dann ergeben sich möglicherweise für dich Ansprüche gemäß Artikel 5 EU-VO. In Frage kommen Ansprüche aus Artikel 7 und 9 EU-VO.
> Aus Artikel 7 EU-VO können sich für dich Airberlin gegenüber Ansprüche auf Ausgleichszahlungen ergeben:
(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:
a) 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1500 km oder weniger,
b) 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1500 km und 3500 km,
c) 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen.
Solche Ansprüche können aber verfallen. Und zwar wegen außergewöhnlicher Umstände, siehe Artikel 5 Absatz 3:
(3) Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen ist nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
Du wurdest informiert, dass ein technischer Defekt an der ersten Maschine vorgelegen haben soll. Möglicherweise ist dies ein außergewöhnlicher Umstand.
AG Rüsselsheim, Urteil vom 20.07.2011, Az. 3 C 739/11 (36) (ganz einfach zu finden, wenn Du bei Google eingibst: AG Rüsselsheim 3 C 739/11 (36) reise-recht-wiki.de)
"Außergewöhnlichen Umstände" müsse außerhalb des Verantwortungsbereichs der Fluggesellschaft liegen. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn Sabotage oder terroristische Handlungen Ursache des technischen Defektes sind.
EuGH, Urteil 19. November 2009 – Az. C-402/07 und C-432/07 (ganz einfach zu finden, wenn Du bei Google eingibst: http://reise-recht-wiki.de/ausgleichszahlung-bei-flugverspaetung-urteil-az-c40207undc43207eugh.html)
Ausgleichansprüche für Fluggäste bestehen jedoch nicht, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass als Ursache eine „Außergewöhnlicher Umstand“ vorliegt. Ein technischer Defekt des Flugzeugs zählt nicht als „Außergewöhnlicher Umstand“.
AG Rüsselsheim, Urteil vom 7.11.2006 – Az.: 3 C 717/06 (32) (ganz einfach zu finden, wenn Du bei Google eingibst: Az.: 3 C 717/06 (32) im "reise-recht-wiki")
Ein technischer Defekt mag zwar ungewöhnlich sein, ist aber nicht außergewöhnlich im Sinne der EU-Verordnung und ist auf jeden Fall in der Sphäre des Luftfahrtunternehmens angesiedelt und daher nicht unbeeinflussbar auf höhere Gewalt bzw. Einwirkung durch Dritte zurückzuführen.
EuGH, Urteil vom 22.12.2008 - Az.: C 549/07 - (ganz einfach zu finden, wenn Du bei Google eingibst: Az.: C 549/07 im "reise-recht-wiki")
Ein bei einem Flugzeug aufgetretenes technisches Problem, das zur Annullierung eines Fluges führt, fällt nicht unter den Begriff „außergewöhnliche Umstände“ im Sinne der VO 261/2004, es sei denn, das Problem geht auf Vorkommnisse zurück, die aufgrund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind. Allein der Umstand, dass ein Luftfahrtunternehmen die gesetzlich vorgeschriebenen Mindesterfordernisse an Wartungsarbeiten an einem Flugzeug durchgeführt hat, reicht nicht für den Nachweis, dass dieses Unternehmen „alle zumutbaren Maßnahmen“ im Sinne von Art. 5 Abs. 3 ergriffen hat.
Ein technischer Defekt ist also in der Regel nicht als außergewöhnlicher Umstand einzustufen. Dabei liegt die Beweislast auf Seiten der Fluggesellschaft.
Liegt ein außergewöhnlicher Umstand nicht vor, dann eröffnet sich ein Anspruch auf Ausgleichszahlungen nach Artikel 7 EU-VO. In Anbetracht der Entfernung zwischen Miami und Berlin Tegel und der entstandenden Verspätung wäre dies meiner Meinung nach vermutlich ein Anspruch in Höhe von 600 Euro pro Fluggast.
Fortsetzung folgt...