Ihr habt zwei Nur-Flüge gebucht und beide wurden leider verschoben. Euer Hinflug soll nun knapp 6 Stunden später, und euer Rückflug knapp 11 Stunden früher abfliegen. Dich irritiert, dass andere den Flug weiterhin nehmen können, und er auch noch buchbar ist.
Bei Flugverschiebungen bei Nur-Flügen denke ich zunächst an mögliche Ansprüche aus der EU-Fluggastrechteverordnung.
Werden Nur-Flüge annuliert können sich Ansprüche aus Artikel 5 EU-VO ergeben:
(1) Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen
a) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 8 angeboten,
b) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a) und Absatz 2 angeboten und im Fall einer anderweitigen Beförderung, wenn die nach vernünftigem Ermessen zu erwartende Abflugzeit des neuen Fluges erst am Tag nach der planmäßigen Abflugzeit des annullierten Fluges liegt, Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstaben b) und c) angeboten und
c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt, es sei denn,
i) sie werden über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet, oder (...)
Bei einer Annulierung können sich also theoretisch Ansprüche aus dem Artikeln 8, 9 und 7 der EU-VO ergeben.
Dabei ist fraglich, wann eine Annulierung vorliegt:
EuGH, Urteil vom 13.10.2011, Az C-83/10 (bei Google einfach zu finden unter: „C-83/10 reise-recht-wiki“)
Eine Annullierung liegt immer dann vor, wenn ein Flug nicht so durchgeführt werden kann wie geplant und der Start daher aufgegeben wird.
Die Verschiebungen eurer Flüge könnten also Annulierungen derselben sein.
Dein Hinflug wurde um 6 Stunden verschoben. Dazu ein paar Urteile:
EuGH, Urteil vom 26.2.2013, Az.: C-11/11 (einfach zu finden über Google unter ”reise-recht-wiki”
Kommt ein Fluggast mit einer Verspätung am Endziel von drei Stunden oder mehr gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit an - was unterhalb der in Artikel 6 der EU-VO festgelegten Grenzen liegt - kann diesem ein Anspruch auf Ausgleichszahlungen nach Artikel 7 EU-VO zustehen, "da diese Zahlung nicht vom Vorliegen einer Verspätung beim Abflug und somit nicht von der Einhaltung der in Art. 6 aufgeführten Voraussetzungen abhängt."
Dies ergibt sich dem EuGH nach aus einer Auslegung von Artikel 7 EU-VO. Diese Haltung vertrat der EuGH bereits in 2012:
EuGH, Urteil vom 10.2012, Az: C-629/10 (ganz einfach zu finden, wenn Du bei Google eingibst “ EuGH C 629/10 reise-recht-wiki.de“)
In diesem Urteil hat der EuGH mehrfach darauf hingewiesen, dass Grund für die Anwendungen der Ausgleichszahlungen der Umstand sei, dass ein Zeitverlust von mehr als 3 Stunden entstanden ist und die damit einhergehenden Unannehmlichkeiten ausgeglichen werden sollen. Für den Passagier ist es nämlich allein entscheidend, wann er an seinem Zielort eintrifft und nicht, ob die Verspätung vor oder nach Abflug entsteht.
Für die Annahme einer Flugannullierung beziehungsweise das Auslösen von Ansprüchen aus Artikel 7 EU-VO soll laut EuGH tatsächlich eine Verschiebung von mehr als 3 Stunden ausreichen.
6 Stunden, wie bei dir, übersteigen diese Grenze, und es kann durchaus sein, dass deshalb eine Annulierung annehmbar ist.
Dein Hinflug wurde außerdem um 11 Stunden vorverlegt.
AG Hannover, Urteil vom 21.04.2011, AZ: 512 C 15244/10 (einfach zu finden, wenn du bei Google AG Hannover 512 C 15244/10 reise-recht-wiki.de eingibst)
Bei einer Vorverlegung eines Fluges entspricht dies einer Annullierung des ursprünglichen Fluges, wenn die Vorverlegung mehr als zehn Stunden beträgt.
BGH, Urteil vom 09.06.2015, Az.: X ZR 59/14 (einfach zu finden, wenn du bei Google BGH X ZR 59/14 reise-recht-wiki.de eingibst)
Der BGH hat entschieden, dass eine Vorverlegung um 9 Stunden einer Annullierung des Fluges gleichkomme, auch wenn die Passagiere auf einen anderen Flug umgebucht werden.
Eine Vorverlegung hat also zumindest 9 Stunden zu betragen, um eine Annulierung begründen zu können. Eine 11-stündige Vorverlegung scheint mir persönlich unproblematisch in dem vom BGH geforderten Rahmen zu liegen und die Möglichkeit einer Annulierung zu eröffnen.
Ein Hinweis auf eine Annulierung kann darüber hinaus die Änderung der Flugnummern deiner Flüge sein.
Alles in allem würde ich Artikel 5 EU-VO als vorliegend bejahen.
Interessant könnten dann meine ich Ansprüche aus Artikel 7 und 8 EU-VO sein.
Artikel 7 gewährt Ausgleichzahlungen, soweit der Passagier nicht früh genug über die Annulierung unterrichtet wurde und keine außergewöhnliche Umstände zur Annulierung geführt haben. In Anbetracht der Tatsache, dass die Flüge scheinbar noch buchbar sind und andere Passagiere nicht umgebucht wurde würde ich von außergewöhnliche Umständen absehen. Möglicherweise handelt es sich um eine Überbuchung, was im Machtbereich der jeweiligen Fluggesellschaft liegt und einen Anspruch nach Artikel 7 EU-VO meine ich nicht auszuschließen vermag.
Eure Flüge sollten im Juni gehen. Ihr habt euch Ende April im Flugrechteforum gemeldet. Insofern meine ich, dass ihr früher als 2 Wochen im Voraus informiert wurdet - siehe oben in Artikel 5 EU-VO. Dann sind Ansprüche nach Artikel 7 EU-VO leider ausgeschlossen.
Es bleibt Artikel 8 EU-VO:
(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so können Fluggäste wählen zwischen
a) – der binnen sieben Tagen zu leistenden vollständigen Erstattung der Flugscheinkosten nach den in Artikel 7 Absatz 3 genannten Modalitäten zu dem Preis, zu dem der Flugschein erworben wurde, (...)
b) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt oder
c) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes, vorbehaltlich verfügbarer Plätze.
Es stehen also meine ich 3 Möglichkeiten zur Verfügung. Die Erstattung der Flugkosten und die Umbuchung auf einen entweder früheren oder späteren Zeitpunkt.
Um einen dieser Ansprüche geltend zu machen müsstest du dich bei deiner Airline melden. Leider ist eine Entschädigung meiner Meinung nach nicht möglich, aber vielleicht hilft die Nachfrage bei der Airline, wieso die ursprünglichen Flüge noch verfügbar sind. Im Rahmen von Artikel 8 EU-VO könnte eine Rückbuchung erfragt werden.