Hallo Rike,
euer Flug von Zürich nach Denpasar mit Singapur Airlines wurde leider um 4 Stunden nach hinten verschoben. Du hast diesen Flug angetreten und deshalb leider deinen Anschlussflug in Singapur verpasst. Euer Ziel habt ihr um 22 Uhr erreicht, anstatt wie geplant um 9 Uhr.
Du fragst dich, ob du eine Entschädigung von 600 Euro geltend machen kannst. Ein Büro bei dem du warst sagt außerdem, dass, weil du informiert wurdest, gar keine Verspätung vorlag, und du fragst dich, was es damit auf sicht hat.
Die von dir angesprochene mögliche Entschädigung in Höhe von 600 Euro erinnert mich persönlich an den Anspruch aus Artikel 7 EU-VO:
(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:
a) 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1500 km oder weniger,
b) 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1500 km und 3500 km,
c) 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen.
Nach Absatz 1 soll auf diesen Artikel Bezug genommen werden. Dies erfolgt beispielsweise durch Artikel 5 oder 6 EU-VO. Also im Falle einer Annullierung, oder Verspätung. Du schreibst, dass eine Verspätung vorlag, die du dir sogar noch hast bescheinigen lassen.
In Artikel 6 EU-VO wird Artikel 7 eigentlich nicht genannt, doch gibt es dazu meine ich zwei hilfreiche Urteile:
EuGH, Urteil vom 26.2.2013, Az.: C-11/11 (einfach zu finden über Google unter ”reise-recht-wiki”
Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 […]ist dahin auszulegen, dass auf seiner Grundlage dem Fluggast eines Fluges mit Anschlussflügen, dessen Verspätung zum Zeitpunkt des Abflugs unterhalb der in Art. 6 der Verordnung festgelegten Grenzen lag, der aber sein Endziel mit einer Verspätung von drei Stunden oder mehr gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit erreichte, eine Ausgleichszahlung zusteht, da diese Zahlung nicht vom Vorliegen einer Verspätung beim Abflug und somit nicht von der Einhaltung der in Art. 6 aufgeführten Voraussetzungen abhängt.
EuGH, Urteil vom 10.2012, Az: C-629/10 (ganz einfach zu finden, wenn Du bei Google eingibst “ EuGH C 629/10 reise-recht-wiki.de“)
In diesem Urteil hat der EuGH mehrfach darauf hingewiesen, dass Grund für die Anwendungen der Ausgleichszahlungen der Umstand sei, dass ein Zeitverlust von mehr als 3 Stunden entstanden ist und die damit einhergehenden Unannehmlichkeiten ausgeglichen werden sollen. Für den Passagier ist es nämlich allein entscheidend, wann er an seinem Zielort eintrifft und nicht, ob die Verspätung vor oder nach Abflug entsteht.
Aus diesen Urteilen ergibt sich, dass bei Verspätungen von mehr als 3 Stunden mit Ausgleichszahlungen, nach Artikel 7, die damit zusammenhängenden Unannehmlichkeiten ausgeglichen werden sollen.
Deine Verspätung betrug vier Stunden, und könnte somit einen solchen Anspruch auslösen.
Dazu kommt ja außerdem, dass du wegen der ersten Verspätung auch deinen Anschlussflug verpasst hast, und deshalb noch viel später am Zielort angekommen bist.
Dazu habe ich ein weiteres Urteil gefunden:
LG Frankfurt, Urteil vom 26.07.2013, Az.: 2-24 S 47/12 (einfach zu finden bei Google unter "reise-recht-wiki")
Es ist davon auszugehen, dass ein verpasster Anschlussflug und eine entsprechende Verspätung von mindestens 3 Stunden am Endziel grundsätzlich einen Ausgleichsanspruch auslösen – auch dann, wenn der Umsteigeflughafen außerhalb der EU liegt oder die Zubringer- und Anschlussflug von verschiedenen Fluggesellschaften durchgeführt wurden.
Danach wird auch bei einem verpassten Anschlussflug ein Ausgleichsanspruch ausgelöst, wenn man mindestens 3 Stunden zu spät am Endziel ankommt. Auch das liegt bei dir vor. Dabei ist dem LG Frankfurt nach auch unerheblich, ob der Umsteigeflughafen, wie bei dir, außerhalb der EU liegt - insofern scheint der Anwendungsbereich der EU-VO (Artikel 3 EU-VO) auch kein Problem. Normalerweise sind Flüge, die außerhalb der EU starten beziehugnsweise einen Drittstaat ansteuern und auch noch von einer Airline, die nicht zur Gemeinschaft gehört, operiert wurden meine ich nicht vom Anwendungsbereich umfasst.
Ich kann mir vor diesem Hintergrund vorstellen, dass Ausgleichszahlungen für dich möglich sind.
Ob des Langstreckenfluges würde ich dann auch eine Entschädigung in Höhe von 600 Euro pro Fluggast vermuten.
Nach Artikel 6 EU-VO kommen aber noch weitere Ansprüche in Betracht, soweit eine Verspätung von 4 Stunden oder mehr bei einem Flug mit der bei einer Entfernung von über 3500km liegt, wie bei dir:
i) die Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a) und Absatz 2 angeboten,
ii) (...)
iii) wenn die Verspätung mindestens fünf Stunden beträgt, die Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a) angeboten.
Und zwar nach Artikel 8 und 9 EU-VO. Du hast den Flug ja nun bereits angetreten und hinter dich gebracht, Ansprüche aus Artikel 8 erübrigen sich denke ich somit. Aber du hattest lange Aufenthalte an 2 Flughäfen, insofern könnte ich mir vorstellen, dass dich Artikel 9 EU-VO interessiert:
(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so sind Fluggästen folgende Leistungen unentgeltlich anzubieten:
a) Mahlzeiten und Erfrischungen in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit,
b) Hotelunterbringung, falls
– ein Aufenthalt von einer Nacht oder mehreren Nächten notwendig ist oder
– ein Aufenthalt zusätzlich zu dem vom Fluggast beabsichtigten Aufenthalt notwendig ist,
c) Beförderung zwischen dem Flughafen und dem Ort der Unterbringung (Hotel oder Sonstiges).
(2) Außerdem wird den Fluggästen angeboten, unentgeltlich zwei Telefongespräche zu führen oder zwei Telexe oder Telefaxe oder E-Mails zu versenden.
Betreuungsleistungen betreffen also vor allem Dinge wie Mahlzeiten und Beförderungen, oder Kontakte nachhause. Falls du etwas davon in Anspruch genommen hast, dann kannst du, im besten Fall mit Bons, eine Erstattung von deiner Airline verlangen. Dazu ist es meine ich wirklich hilfreich, wenn du versuchst noch darzulegen, dass die Ausgaben notwendig waren.