Hallo zusammen,
also grundsätzlich bestehen bei einer Stornierung, also einer Annullierung des Fluges, folgende Ansprüche des Fluggastes gegen die Fluggesellschaft gemäß Art. 5 VO (EG) 261/04:
1.) Anspruch auf Betreuungsleistungen abhängig von der Wartezeit (Mahlzeit und Erfrischung, bei Bedarf Unterbringung im Hotel und Transport dorthin, Möglichkeit der kostenlosen Nutzung von Fernkommunikationsmitteln wie Telefon oder Mail) – Art. 9 der Verordnung
Hierbei handelt es sich um eine obligatorische Betreuungspflicht der Fluggesellschaft, unabhängig davon, ob dieses die Verzögerung der Beförderung zu verschulden hat – kommt das Luftfahrtunternehmen dieser Pflicht nicht nach, so entstehen Schadensersatzansprüche. Zumindest das eigens investierte Geld für Erfrischungen, Snacks, Unterbringung und ähnliches kann zurückverlangt werden.
2.) Rücktrittsrecht vom Flug mit Erstattung des Flugscheins und Rückbeförderung oder anderweitige Beförderung zum Endziel zum nächstmöglichen Zeitpunkt – Art. 8 der Verordnung
Das Luftfahrtunternehmen muss sich also auch darum kümmern, dass die Fluggäste entsprechend Weiterbeförderung werden. Auf keinen Fall sollten die Passagiere bei der weiteren Organisation auf sich allein gestellt sein.
Wenn der Passagier also gezwungen ist, sich selbst ein Ticket zu buchen, dann sind die Kosten für dieses Ticket ersatzfähig. Denkbar ist auch ein Schadensersatz wegen Pflichtverletzung – in diesem Fall die Pflicht der Fluggesellschaft gegenüber den Reisenden zur weiteren Informierung und zur Versorgung.
3.) Anspruch auf Ausgleichszahlungen zwischen 250 € und 600 €, abhängig von der Flugstrecke – Art. 7 der Verordnung
Eben hier, bei dem Anspruch auf Ausgleichszahlung, kommt das Argument des außergewöhnlichen Umstandes zum Tragen: Die Fluggesellschaft ist nämlich nicht dazu verpflichtet eine Ausgleichszahlung zu tätigen, wenn es nachweisen kann (die Beweislast für den außergewöhnlichen Umstand trägt also das Luftfahrtunternehmen), dass die Annullierung auf einem Umstand beruht, den die Fluggesellschaft nicht hätte verhindern können.
Fällt darunter auch ein Streik?
Fälle von höherer Gewalt liegen immer dann vor, wenn die Flugannullierung trotz (hypothetischer) Ergreifung von zumutbaren Maßnahmen eingetreten wäre. Außergewöhnliche, unvermeidbare Umstände sind beispielsweise politische Instabilität, Sicherheitsrisiken wie Terrorgefahr und Wetterbedingungen.
Auch ein Streik kann als außergewöhnlicher Umstand gelten, wenn Personen streiken, die nicht zum Luftunternehmen gehören, auf die die Fluggesellschaft also faktisch keinen Einfluss hat.
AG Frankfurt, Urteil vom 09. Mai 2006, Az. 31 C 2820/05-74 - Anspruch bejaht:
Streik von Bodenpersonal der Beklagten ist nur dann ein außergewöhnlicher Umstand, wenn dieser nicht vorhersehbar, oder vermeidbar war. Das dies der Fall war konnte die Fluggesellschaft nicht ausreichend darlegen.
Die Ansprüche auf Ausgleichszahlung sind also ausgeschlossen, wenn
1.) die streikenden Personen nicht zu dem Luftfahrtunternehmen gehören und dieses infolgedessen auch keinen Einfluss auf diese Personen haben
2.) der Streik dieser Personen tatsächlich für die Flugannullierung kausal war
3.) keine zumutbaren Maßnahmen der Fluggesellschaft hätten ergriffen werden können, um die Flugannullierung zu vermeiden.
Für alle drei Punkte trägt im Übrigen die Fluggesellschaft im Streitfall die Beweislast.