Liebe Frau Wagner,
Sie schildern einen konkreten Einzelfall mit konkreten Fragen zu diesem Sachverhalt. Bitte beachten Sie, dass die folgenden Ausführungen lediglich allgemein gelten und keinen Rechtsrat in Bezug auf Ihren Einzelfall darstellen:
Grundsätzlich haben Flugpassagiere, deren Flug sich mehr als drei Stunden verspätet, die gleichen Ansprüche, wie Passagiere, deren Flug annulliert worden ist (vgl. EuGH, Urt. v. 19.11.2009, Rs. C-402/07 (Sturgeon v. Condor Flugdienst) und Rs. C-432/07 (Böck/Lepuschitz v. Air France). Dabei kommt es nicht auf den verspäteten Abflug, sondern allein auf die Ankunftsverspätung am letzten (Ziel-) Flughafen an, wie der Europäische Gerichtshof in der Nelson-Entscheidung und der Folkerts-Entscheidung für Gesamteuropa festlegte (vgl. EuGH, Urt. v. 23.10.2012, Rs. C-581/10 Nelson v. Deutsche Lufthansa AG und British Airways plc, EasyJet Airline Company Ltd. ua. v. Civil Aviation Authority; EuGH, Urt. v. 26.02.2013, Rs. C-11/11, Air France v. Folkerts).
Die Flugstrecke von Frankfurt am Main (FRA) nach Stockholm Arlanda (ARN) beträgt nach der Großkreisentfernung 1227 Kilometer. Das bedeutete, dass jeder Fluggast gemäß Artikel 7 Abs. 1 lit. a FluggastVO (EG) Nr. 261/2004 einen Anspruch auf 250,00 EUR hätte.
Einige Fluggesellschaften vertreten die Rechtsmeinung, dass Kinder, Babys bzw. generell gesprochen Fluggäste, die keinen eigenen Sitzplatz reserviert und/oder bezahlt haben, keinen Anspruch auf Ausgleichszahlung nach der Fluggastverordnung Nr. 261/2004 hätten. Das Amtsgericht Düsseldorf hat entschieden, dass auch "Infants" (d.h. Babys und Kinder unter 2 Jahre) einen Anspruch auf Ausgleichszahlung in Höhe von 250, 400 bzw. 600 Euro haben (AG Düsseldorf, Urteil vom 30. Juni 2011, Aktenzeichen: 40 C 1745/11):
"Ein Anspruch auf Ausgleichszahlung besteht auch hinsichtlich der zum Zeitpunkt des Fluges einjährigen Tochter des Klägers. Auch diese ist Fluggast im Sinne der Verordnung (EG) 261/2004. Fluggast ist jeder, der als Flugzeuginsasse nicht zum fliegenden Personal oder zum Flugpersonal zählt. Auf die Reservierung eines Sitzplatzes kommt es insoweit nicht an. Für die Tochter war jedenfalls der entsprechende Flug gebucht worden".
Fluggäste haben viele Möglichkeiten, ihre Ansprüche gegenüber der Fluggesellschaft geltend zu machen. Zunächst sollten Fluggäste die Angelegenheit gründlich überprüfen, um ihre rechtlichen Ansprüche überhaupt feststellen und beziffern zu können. Stehen die Ansprüche fest, können Fluggäste die Fluggesellschaft auffordern, die Ansprüche zu erfüllen. Verweigern Fluggesellschaften die Erfüllung berechtigter Rechtsansprüche, können Fluggäste entscheiden, die Angelegenheit einem Rechtsanwalt zur Durchsetzung zu übergeben.
Ich hoffe, Ihnen eine erste hilfreiche Orientierung gegeben zu haben.
Mit freundlichen Grüßen,
Jan Bartholl
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