Guten Tag,
was Condor vorschlägt, ist ein außergerichtlicher Vergleich.
Dies bedeutet, dass Condor mit den 200€ sämtliche Forderungen, die Sie gegen die Airline haben, als abgegolten gelten lassen will. Außergerichtliche Einigungen sind nicht unüblich (weder generell noch speziell in Luftverkehrsrechtsstreitigkeiten): Sie stellen einen Kompromiss zwischen beiden Auffassungen dar und ersparen beiden Seiten den Gang zum Gericht. Der Prozess selber wäre tatsächlich langwierig und teuer, zudem besteht immer das Risiko, dass Sie letztendlich leer ausgehen und dazu noch die Kosten des Streites inklusive Ihrer Anwaltskosten tragen müssten. Insofern hat Ihr Anwalt natürlich nicht Unrecht, dass man sich eine Klage gut überlegen sollte.
Der Nachteil eines Vergleichs ist demgegenüber, dass es damit bei den 200€ bleiben würde. Sie hätten keine weitere Möglichkeit mehr, Condor noch auf Zahlung der restlichen 200€ zu verklagen.
Die vorsorgliche Anrechnung, die Condor im letzten Schreiben erklärt, bedeutet, dass die Airline nur noch weitere 200€ bezahlen müsste, wenn Sie sie erfolgreich auf Zahlung der Ausgleichsleistung verklagt haben. Condor belegt damit auch, dass genau zu diesem Zweck eine solche Zahlung schon erfolgt ist.
Das letzte Schreiben „formuliert den Vergleich aus“. Condor macht damit deutlich, dass die 200€ dazu gedacht sind, den Anspruch zu erfüllen (dies ist die Klaglosstellung) und damit keine weiteren Ansprüche gegen sie bestehen. Zudem erklärt Condor, dass – wie es bei Vergleichen der Fall ist – daraus kein rechtskräftiges Ergebnis entsteht.
Ob Sie letztendlich prozessieren wollen oder nicht, ist Ihre Entscheidung. Klagen können Sie weiterhin. Die Vor- und Nachteile eines Prozessen habe ich bereits oben erörtert.
Hilfreich ist es natürlich, vorher das Risiko, den Prozess zu verlieren, einschätzen zu können. Dazu müssten Sie wissen, wie wahrscheinlich es ist, dass Sie einen Anspruch auf eine Ausgleichsleistung gegenüber Condor haben. Wie Sie ja selbst bereits festgestellt haben, entstünde dieser Anspruch aus der EU-Fluggastrechteverordnung und betrüge 400€. Condor beruft sich hier nun auf außergewöhnliche Umstände und begründet dies mit einem „unerwarteten Flugsicherheitsmangel“. Dies hört sich danach an, als sei ein technischer Defekt aufgetreten, der einen sicheren Flug unmöglich gemacht hätte. Technische Defekte sind jedoch in den meisten Fällen keine außergewöhnlichen Umstände, da sich die Airline eigenverantwortlich darum zu kümmern hat, ein sicheres Flugzeug bereit zu stellen. Auch wenn Condor andeutet, dies sei trotz vorgeschriebener Sicherheitsmaßnahmen geschehen, entlastet das nicht die Airline, da der Fehler dann zu ihrem betrieblichen Risiko gehört. Ein außergewöhnlicher Umstand lag daher hier nicht vor, weswegen es im Fall eines Prozessen gut für Sie aussähe.
Fazit: Sollten Sie vor Gericht gehen wollen, gewinnen Sie auch vermutlich. Die Einwände Ihres Anwalts, dass dies viel Zeit in Anspruch nehmen würde, sind dabei jedoch nicht falsch.
Urteile:
(Vergleichbar) OLG Celle, Urteil vom 26.09.2002, Az 11 U 337/01
(zu finden mit der Google-Suche „11 U 337/01 reise-recht-wiki“)
Wenn eine Airline vor dem Prozess einen Teil des möglichen Anspruchs (oder den ganzen Anspruch) bereits per Scheck an den Passagier gezahlt hatte und der Scheck an die Airline zurückgegeben wurde, muss die Airline, wenn sie den Prozess verliert, den kompletten Anspruch an den Passagier zahlen.
Analog zu Ihrem Fall bedeutet dies: Wenn Condor Ihnen nun 200€ überweisen will und Sie dies ablehnen (und die Überweisung daraufhin nicht geschieht), dann hat Condor nach verlorenem Prozess 400€ zu zahlen. Andernfalls müssen noch die zusätzlichen 200€ gezahlt werden.
LG Berlin, Urteil vom 07.02.2008, Az 57 S 26/07
(zu finden mit der Google-Suche „57 S 26/07 reise-recht-wiki“)
Zwar regelt die Fluggastrechteverordnung, dass unerwartete Flugsicherheitsmängel einen außergewöhnlichen Umstand begründen können, daraus kann man jedoch nicht schließen, dass ein technischer Defekt direkt ein außergewöhnlicher Umstand ist.