Der Fall ist in vielerlei Hinsicht problematisch: Bei einer Pauschalreise ist eigentlich der Reiseveranstalter immer Ansprechpartner bei Problemen. Gleichzeitig ist dieser vor Ort relativ machtlos, sodass die Fluggesellschaft zum Handeln verpflichtet ist. Hier prallen also zwei potentielle Anspruchsgegner aufeinander. Was kann ich als Reisender von wem verlangen? Und auf welcher gesetzlichen Grundlage beruht der Anspruch?
1. Die Anspruchsgrundlagen
Für den Pauschalreisenden ist neben der VO (EG) Nr. 261/2004, welche die Ansprüche auf Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen durch die Fluggesellschaft auch für den Fall einer Flugverspätung regelt, auch das Pauschalreiserecht im BGB relevant. Letzteres legt die Ansprüche gegen den Reisenden bei Reisemängeln fest.
2. Ansprüche aus VO (EG) Nr. 261/2004 – gegen Fluggesellschaft
Nach Art. 6 der Verordnung i. V. m. Art. 9 VO (EG) Nr. 261/2004 hat der Reisende zunächst einen Anspruch auf diverse Betreuungsleistungen (Verpflegung Unterbringung im Hotel, Transport zum Hotel und kostenlose Nutzung von Mail und Telefon).
Diese Betreuungsleistung ist nicht als Schadensersatz, sondern als „Erstversorgung“ zu qualifizieren und besteht daher unabhängig von anderen Ersatzforderungen. Es ist die Pflicht der Fluggesellschaft, dem Betroffen eine angemessene Verpflegung während der Wartezeit zu bieten. Kommt die Fluggesellschaft dieser Pflicht nicht nach, so kann der Passagier entsprechend Schadensersatz wegen Pflichtverletzung verlangen.
Ab einer Verspätung von 3 Stunden (relevant ist die Ankunftszeit am Zielflughafen) kann auch eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 VO (EG) Nr. 261/2004 von 250 €, 400 € oder 600 €, abhängig von der Flugentfernung erwartet werden.
Diese Ausgleichszahlung steht jedoch in Konkurrenz zu den Ersatz- und Minderungsansprüchen gegenüber dem Reiseveranstalter aus § 651 a–m BGB.
Beide Regelungen sind anwendbar, doch um eine Überkompensation zu vermeiden können Ausgleichszahlungen, die das Flugunternehmen bereits an den Reisenden leistete, auf den Anspruch auf Reisepreisminderung angerechnet werden.
Vgl. AG Rostock, Urteil vom 14.01.2013, Az. 47 C 256/12 (nach der Sucheingabe“ 47 C 256/12 Reise-Recht-Wiki.de“ durch google als erstes Ergebnis zu finden)
Vorrangig ist demnach der Reiseveranstalter Ansprechpartner, wenn es um Schadensersatz und Reisepreisminderung geht. Bevor also zwei Ansprüche gegenüber den verschiedenen Anspruchsgegnern (auch Passivlegitimierte) geltend gemacht, und dann miteinander verrechnet werden, kann man sich diese Mühe sparen und gleich auf den Reiseveranstalter zurückkommen.
3. Ansprüche aus dem Pauschalreiserecht § 651 a-m BGB – gegen Reiseveranstalter
Nach § 651 d BGB kann die Reise bei einem Mangel tagesanteilig gemindert werden. Ein Minderungsanspruch besteht jedoch nur bei solchen Mängeln, welche nicht im Rahmen der bloßen Unannehmlichkeit liegen, und von dem Reisenden daher nicht hinzunehmen sind.
Eine Verspätung bis zu 4 Stunden wird (vor allem beim Rückflug, wenn also nicht durch die Verspätung ein Urlaubstag verloren geht oder die nötige Nachtruhe entfällt) bei Flügen in Europa und im Mittelmeerraum wird überwiegend als Unannehmlichkeit betrachtet und rechtfertigt keine Minderung vom Reisepreis nach § 651 d BGB.
AG Kleve, Urteil vom 22.02.1996, Az. 3 C 750/95 (nach der Sucheingabe“ 3 C 750/95 Reise-Recht-Wiki.de“ durch google als erstes Ergebnis zu finden)
Flugverspätung zwischen 4 und 5 Stunden liegt bei einem Charterflug noch im Bereich des Hinnehmbaren und führt nicht zur Reisepreisminderung
AG Düsseldorf, Urteil vom 16.06.1997, Az. 46 C 548/97 (nach der Sucheingabe“ 46 C 548/97 Reise-Recht-Wiki.de“ durch google als erstes Ergebnis zu finden)
Flugverspätung von 6 Stunden gilt als Unannehmlichkeit. Minderungsansprüche wurden verneint
Ab einer Verspätung über 4 Stunden wird regelmäßig eine Minderung von 5 % des tagesanteiligen Reisepreises (der Reisepreis wird für jeden Tag berechnet; die Minderung besteht nur für die Tage, die von der Verspätung betroffen waren) bejaht.
AG Hamburg, Urteil vom 15.10.2002, Az. 9 C 54/02 (nach der Sucheingabe“9 C 54/02 Reise-Recht-Wiki.de“ durch google als erstes Ergebnis zu finden)
Bei etwa 8, 5 Stunden Verspätung hatte der Reisende ein Recht auf 5 %ige Minderung des Reisepreises je angefangene Stunde ab der 5. Verspätungsstunde.
Eine höhere Reisepreisminderung über 5 % ist nur bei erheblichen Verspätungen gerechtfertigt, in Fällen, in denen eine übliche Minderung nicht ausreichend erscheint. So etwa AG Hamburg-St. Georg, Urteil vom 12.07.2013, Az. 920 C 378/12 (nach der Sucheingabe“920 C 378/12 Reise-Recht-Wiki.de“ durch google als erstes Ergebnis zu finden). Aufgrund einer 19-stündigen Verspätung verlor der Reisende einen ganzen Urlaubstag. Dies stellte einen erheblichen Reisemangel nach § 651 c BGB dar.