Hallo Siggy,
ihr habt einen Flug von Frankfurt nach Costa Rica gebucht. Ihr seid leider mit 24 Stunden Verspätung in San Jose gelandet, da in Santo Domingo ein technisches Problem auftrat.
Condor hat dich nun darauf hingewiesen, dass eine Entschädigung nach der EU-VO für sie nicht infrage kommt, da der Flug zwischen Santo Domingo und Costa Rico auftrat und deshalb der Anwendungsbereich der EU-VO nicht eröffnet ist. So habe ich dich verstanden.
Dieser Anwendungsbereich ergibt sich aus Artikel 3 EU-VO:
(1) Diese Verordnung gilt
a) für Fluggäste, die auf Flughäfen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, einen Flug antreten;
b) sofern das ausführende Luftfahrtunternehmen ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft ist, für Fluggäste, die von einem Flughafen in einem Drittstaat einen Flug zu einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, antreten, es sei denn, sie haben in diesem Drittstaat Gegen- oder Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen erhalten.
Du dachtest, dass du, entgegen Condors Ausführungen, einen einheitlichen Flug gebucht hast - auch wegen deiner gleichen Flugnummer.
Hat beide Flüge Condor bedient? Oder war eine andere Airline beteiligt? Dann könnte denke ich noch Code-Sharing zu bedenken sein. Dazu dann mehr, falls dem so ist - ansonsten sehe ich persönlich da nämlich kein Problem. Du sagst ja, dass du den Flug zusammen gebucht hast.
Also, würde man beide Flüge getrennt sehen, dann könnte man Condor denke ich Recht geben, und siehe oben nach dem Anwendungsbereich annehmen, dass dieser nicht eröffnet ist. Dann würden dir keine Ansprüche aus der EU-VO zustehen.
Aber, möglicherweise könnten die Flüge auch als eine Verbindung zu sehen sein, gerade auch weil du sagst, dass du die Verbindung als eins gebucht hast:
EuGH, Urteil vom 26.2.2013, Az.: C-11/11 (einfach zu finden über Google unter ”reise-recht-wiki”
Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 […]ist dahin auszulegen, dass auf seiner Grundlage dem Fluggast eines Fluges mit Anschlussflügen, dessen Verspätung zum Zeitpunkt des Abflugs unterhalb der in Art. 6 der Verordnung festgelegten Grenzen lag, der aber sein Endziel mit einer Verspätung von drei Stunden oder mehr gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit erreichte, eine Ausgleichszahlung zusteht, da diese Zahlung nicht vom Vorliegen einer Verspätung beim Abflug und somit nicht von der Einhaltung der in Art. 6 aufgeführten Voraussetzungen abhängt.
Aus diesem Urteil des EuGH geht denke ich hervor, dass bei Flügen mit Anschlussflügen die Verspätung am Endziel maßgeblich ist, und nicht die Verspätung beim ersten Abflug. Ihr seid ja pünktlich abgeflogen, in Frankfurt, und hattet dann mit eurem Anschlussflug Probleme. Dies ist meiner Meinung nach, so wie ich das Urteil verstehe, irrelevant und es kommt nur auf die Verspätung am Endziel an.
Dazu auch:
LG Frankfurt, Urteil vom 26.07.2013, Az.: 2-24 S 47/12 (einfach zu finden bei Google unter "reise-recht-wiki")
Es ist davon auszugehen, dass ein verpasster Anschlussflug und eine entsprechende Verspätung von mindestens 3 Stunden am Endziel grundsätzlich einen Ausgleichsanspruch auslösen – auch dann, wenn der Umsteigeflughafen außerhalb der EU liegt oder die Zubringer- und Anschlussflug von verschiedenen Fluggesellschaften durchgeführt wurden.
EuGH, Urteil vom 04.09.2014, Az.: C-452/13 8 (einfach zu finden bei Google unter „ reise-recht-wiki“)
Der EuGH hat nun klargestellt, dass eine Verspätung beim Abflug keine Voraussetzung für die Entschädigung ist. Es kommt also allein auf die Ankunftsverspätung am Zielflughafen an. Für den Ankunftszeitpunkt ist das Öffnen einer Tür des Flugzeugs maßgebend, und nicht wie bisher von den Gerichten angenommen das Berühren des Bodens (Touch-Down) oder das Erreichen der Parkposition (on-block).
Der EuGH hat die Rechtsprechung von 2013 also in diesem Urteil aus 2014 beibehalten, und noch einmal konkretisiert, dass es auf die Verspätung am Endziel ankommt. Genauso sieht es das LG Frankfurt, welches sogar noch konkretisiert, dass es irrelevant ist, ob der Anschlussflug von einem Umsteigeflughafen außerhalb der EU abgeht.
In der etwas älteren Rechtsprechung wurde zwar nur die Verspätung des Zubringers gemessen und die Flüge wurden einzeln betrachtet (vgl. z.B. LG Berlin, Urt. v. 20.09.2011, 85 S 113/11 reise-recht-wiki.de; AG Wedding, Urt. v. 31.03.2011, 8a C 10/10 reise-recht-wiki-de), doch nach der neueren und auch höchstrichterlichen Rechtsprechung kommt es nicht mehr auf die einzelnen Flüge an, sondern auf die gesamte Flugreise (vgl. BGH, Urt. v. 07.05.2013, X ZR 127/11, einfach mal bei Google eingeben: "X ZR 127/11 Reise-Recht-Wiki.de").
So wie ich das sehe könntest du in Anbetracht der obigen Rechtsprechung Ansprüche nach der EU-VO haben. Du sagst, dass du eine einheitliche Flugreise bei Condor gebucht hast. Es könnte sein, dass Condor sich lediglich um Ausgleichszahlungen drücken möchte, und deshalb sagt, dass es sich um zwei getrennte Flüge handeln würde. Wenn Condor damit Unrecht hat, sehe ich persönlich keinen Grund wieso der Anwendungsbereich nicht eröffnet sein sollte. Prüfe diese Daten doch vielleicht noch einmal in deinen Reiseunterlagen/auf deinem Flugschein, nur zur Sicherheit, und wende dich im Zweifel vielleicht an einen Anwalt um sicher zu sein.
Liegt dann also eine Annulierung vor könntest du Ansprüche aus Artikel 5 EU-VO geltend machen, welcher auf Artikel 7, 8 und 9 EU-VO verweist.
EuGH, Urteil vom 13.10.2011, Az C-83/10 (bei Google einfach zu finden unter: „C-83/10 reise-recht-wiki“)
Eine Annullierung liegt immer dann vor, wenn ein Flug nicht so durchgeführt werden kann wie geplant und der Start daher aufgegeben wird. Wird ein Flug auf einen anderen Tag verlegt, ist darin ebenfalls eine Annullierung zu sehen. Es ergeben sich somit auch Ansprüche aus der EU-Fluggastrechteverordnung.
Bei einer Verschiebung um 24 Stunden, also quasi einer Verlegung auf einen anderen Tag - wie im Urteil des EuGH - ist, um diesem Urteil zu folgen, denke ich schon eine Annulierung zu sehen.
Fortsetzung folgt...