Hallo,
ihr FLug von Nürnberg nach London mit der Flugnummer FR8116 hatte über 3 Stunden Verspätung, und der Rückflug nach München wurde nach langer Wartezeit storniert. Jetzt fragen wie sich, welche Ansprüche sie haben.
wenn es sich bei euch um eine "Nur-Flug-Buchung" gehandelt hat, dann sollte wohl die Verordnung (EG) Nr.261/2004 als Anspruchsgrundlage herangezogen werden.
Grundsätzlich ist es korrekt, das Flugreisenden, die mit einer Verspätung von über 3 Stunden an ihrem Ankunftsort ankommen, ebenso Rechte aus der europäischen Fluggastrechteverordnung zu stehen. Dies ergibt sich aus der geltenden Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofes.
EuGH, Urteil vom 04.09.2014, Az.: C-452/13 8 (einfach zu finden bei Google unter „ reise-recht-wiki“)
Der EuGH hat nun klargestellt, dass eine Verspätung beim Abflug keine Voraussetzung für die Entschädigung ist. Es kommt also allein auf die Ankunftsverspätung am Zielflughafen an. Für den Ankunftszeitpunkt ist das Öffnen einer Tür des Flugzeugs maßgebend, und nicht wie bisher von den Gerichten angenommen das Berühren des Bodens (Touch-Down) oder das Erreichen der Parkposition (on-block).
In Art. 7 der Verordnung ist die Höhe der Ausgleichsleistungen je nach Entfernung gestaffelt:
- Ausgleichszahlung in Höhe von 250 Euro bei einer Flugstrecke von weniger als 1.500 Kilometern
- Ausgleichszahlung in Höhe von 400 Euro bei einer Flugstrecke zwischen 1.500 und 3.500 Kilometern
- Ausgleichszahlung in Höhe von 600 Euro bei einer Flugstrecke von mehr als 3.500 Kilometern
Wichtig ist dabei, dass dabei nicht die Luftlinie als Berechnungsgrundlage herangezogen wird, sondern die sog. Großkreismethode. Im Internet finden man einige Rechner.
LG Landshut, Urteil vom 16.12.2015, Az. 13 S 2291/15 (im Internet kann man das Urteil bei Interesse nachlesen, wenn man bei Google eingibst: "13 S 2291/15 reise-recht-wiki.de")
Die Berechnung der Höhe der Ausgleichszahlung ergibt sich dabei nach der Großkreismethode aus der unmittelbaren Distanz von Ausgangsflughafen bis zum letzten Zielort.
Soweit zum ersten Problem.
Das Problem mit dem zweiten Flug ist ein wenig komplexer. Grundsätzlich stehen Ihnen auch Ansprüche bei einer Annullierung zu. Unter einer Annullierung versteht man gem. Art. 2 lit. l) der EG-VO 261/2004 die Nichtdurchführung eines geplanten Fluges, für den zumindest ein Platz reserviert war. Eine große Verspätung liegt hingegen dann vor, wenn der Flugpassagier mit einer Verspätung von mind. 3 Stunden an seinem Endziel ankommt. Nach Art. 1 lit. h) der Verordnung versteht man unter Endziel den Zielort auf dem am Abfertigungsschalter vorgelegten Flugschein bzw. bei direkten Anschlussflügen den Zielort des letzten Fluges.
Diese Definitionen werden auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bestätigt, siehe hier:
EuGH, Urteil vom 13.10.2011, Az.: C-83/10 (nachzulesen über die Google-Suche „C-83/10 reise-recht-wiki“)
Eine Annullierung liegt immer dann vor, wenn ein Flug nicht so durchgeführt werden kann wie geplant und der Start daher aufgegeben wird. Wird ein Flug auf einen anderen Tag verlegt, ist darin ebenfalls eine Annullierung zu sehen. Es ergeben sich somit auch Ansprüche aus der EU-Fluggastrechteverordnung.
BGH, Urteil v. 18.02.2010, Xa ZR 166/07(Google-Suche: „BGH XA ZR 166/07 reise-recht-wiki.de“)
Beträgt die Verspätung auf einem Flug von einer Fluglänge von mindestens 1500 km mehr als drei Stunden, steht dem Fluggast ein Anspruch aus Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen zu.
Dazu kannst du dir auch gerne diesen Post durchlesen: http://flugrechte.eu/13062/abflug-stunden-sp%C3%A4ter-geplant-flugannullierung-versp%C3%A4tung?show=13062#q13062
Den meisten Reisenden ist der Anspruch auf Entschädigungszahlungen gem. Art. 7 der VO der wichtigste. Denn je nach Strecke wird eine pauschale Ausgleichsleistung angeordnet, die zwischen 250 und 600 Euro variieren kann. Hier die genaue Staffelung:
a) 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1 500 km oder weniger,
b) 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 km und 3 500 km,
c) 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen.
Meiner Meinung nach hättest du also allein für die Annullierung schon einen Anspruch auf mindestens 250 Euro pro Person.
Hinsichtlich der Frage nach einem Aufwendungsersatz ist noch dieses Urteil interessant.
LG Frankfurt a.M., Urteil vom 15.03.2011, Az 2-24 S 1/11 (zu finden über die Google-Suche „2-24 S 1/11 reise-recht-wiki“)
Neben den Ansprüchen auf eine Ausgleichszahlung kann auch ein Anspruch auf weitergehender Schadensersatz bestehen. Dies betrifft jeden Schaden, der direkt durch die Annullierung hervorgerufen wird, beispielsweise zusätzliche Flugkosten für einen Alternativflug.
Das betrifft dann alle weiteren Kosten die dir entstanden sind. Du hast also meiner Meinung nach schon recht viele Ansprüche gegen die Airline.
Dieser Beitrag stellt jedoch nur eine Rechtsmeinung dar. Für weitergehende Informationen sollten Sie sich daher an einen Rechtsanwalt für Reiserecht wenden.