Sie haben einen Flug mit Widerøe von Kristiansand nach London Stansted für Juli 2020 gebucht. Nun wurde dieser Flug jedoch auf einen anderen Flughafen umgebucht. Sie fragen nun nach Ihren Ansprüchen.
Mögliche Ansprüche ergeben sich aus der europäischen Fluggastrechteverordnung. Fraglich ist jedoch zunächst, ob diese überhaupt anwendbar ist. Der Anwendungsbereich ergibt sich aus Art. 3 VO Nr. 261/2004.
"Artikel 3 Anwendungsbereich
(1) Diese Verordnung gilt
a) für Fluggäste, die auf Flughäfen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, einen Flug antreten
b) sofern das ausführende Luftfahrtunternehmen ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft ist, für Fluggäste, die von einem Flughafen in einem Drittstaat einen Flug zu einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, antreten, es sei denn, sie haben in diesem Drittstaat Gegen- oder Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen erhalten."
Entscheidend ist also, dass entweder der Abflughafen innerhalb der EU liegt oder die Fluggesellschaft eine der europäischen Gesellschaft ist.
Sie haben einen Flug von Kristiansand nach London Stansted gebucht. Norwegen gehört nicht zur EU. Die Fluggastrechteverordnung gilt daher nicht für Flüge zwischen diesen Ländern und anderen Drittstaaten. Gleichzeitig haben Norwegen, Island und Schweiz aber einen Sonderstatus: Ihre Fluggesellschaften sind EU-Airlines gleichgestellt, die EU Fluggastrechteverordnung gilt also für sie nicht nur bei einem Start, sondern auch bei einer Landung in der EU. Nun ist die Landung in London. Das Vereinigte Königreich hat die EU am 31.01.2020 verlassen. Während der Übergangsphase (01.02.2020 bis 31.12.2020) wird Großbritannien jedoch wie ein EU-Land behandelt. In diesem Zeitraum gelten die Fluggastrechte also weiter.
Ich gehe daher davon aus, dass in Ihrem Fall die europäische Fluggastrechteverordnung Anwendung findet.
Die Ansprüche aus der Verordnung kommen dann in Betracht, wenn eine Annullierung oder große Verspätung vorliegt. In einem solchen Fall können ergeben sich dann Ansprüche gemäß Artikel 5 EU-VO.
EuGH, Urteil vom 13.10.2011, Az C-83/10 (bei Google einfach zu finden, wenn Sie eingeben: „C-83/10 reise-recht-wiki“)
Eine Annullierung liegt immer dann vor, wenn ein Flug nicht so durchgeführt werden kann wie geplant und der Start daher aufgegeben wird. Wird ein Flug auf einen anderen Tag verlegt, ist darin ebenfalls eine Annullierung zu sehen. Es ergeben sich somit auch Ansprüche aus der EU-Fluggastrechteverordnung.
in Ihrem Fall wurde der Zielflughafen verlegt, es ist also von einer Annullierung auszugehen.
Die Ansprüche ergeben sich dann aus Artikel 5 der Europäischen Fluggastrechteverordnung:
(1) Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen
a) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 8 angeboten,
b) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a) und Absatz 2 angeboten und im Fall einer anderweitigen Beförderung, wenn die nach vernünftigem Ermessen zu erwartende Abflugzeit des neuen Fluges erst am Tag nach der planmäßigen Abflugzeit des annullierten Fluges liegt, Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstaben b) und c) angeboten und
c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt, es sei denn,
i) sie werden über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet (...)
Sie könnten also zunächst einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen aus Art. 7 VO Nr. 261/2004 haben. Dieser ist ein pauschalisierter Entschädigungsanspruch, der sich nach der Entfernung der Flugstrecke bemisst.
Ein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung entfällt jedoch gemäß Artikel 5 Absatz 1 c) i) der VO Nr. 261/2004 , wenn der Fluggast früher als 2 Wochen vor Abflug über die Änderung informiert wurde. Diese Frist wurde in Ihrem Fall eingehalten, weshalb Sie leider keinen Anspruch auf Ausgleichszahlung haben.
Allerdings begründet Artikel 5 der Verordnung noch andere Ansprüche. Hier ist Artikel 8 der Verordnung entscheidend:
(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so können Fluggäste wählen zwischen
a) – der binnen sieben Tagen zu leistenden vollständigen Erstattung der Flugscheinkosten nach den in Artikel 7 Absatz 3 genannten Modalitäten zu dem Preis, zu dem der Flugschein erworben wurde
b) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt oder
c) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes, vorbehaltlich verfügbarer Plätze.
Danach haben Sie einen Anspruch auf Erstattung oder anderweitige Beförderung. Eine Erstattung kommt für Sie nicht in Betracht. Eine anderweitige Beförderung wurde Ihnen bereits angeboten, jedoch zu einem anderen Flughafen.
Sie fragen nun nach den Transferkosten zu Ihrem ursprünglichen Flughafen. Dabei ist Artikel 8 Absatz 3 VO Nr. 261/2004 zu beachten.
(3) Befinden sich an einem Ort, in einer Stadt oder Region mehrere Flughäfen und bietet ein ausführendes Luftfahrtunternehmen einem Fluggast einen Flug zu einem anderen als dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen an, so trägt das ausführende Luftfahrtunternehmen die Kosten für die Beförderung des Fluggastes von dem anderen Flughafen entweder zu dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen oder zu ei- nem sonstigen nahe gelegenen, mit dem Fluggast vereinbarten Zielort.
Die Fluggesellschaft muss Ihnen also den Transfer zum ursprünglichen Flughafen gewährleisten.
Weil es sich hierbei allerdings nur um meine persönliche Einschätzung handelt und kein Rechtsrat darstellen soll, empfehle ich jedoch das Einschalten eines Anwalts.