Hallo zusammen,
zuerst zu den (1) rechtlichen Ansprüchen bei einer Flugverspätung:
Bei einer Flugverspätung haben Passagiere mehrere Ansprüche aus Art. 6 VO (EG) Nr. 261/2004, abhängig von der Flugstrecke und der zu dieser im Verhältnis stehenden Verspätung:
1.) Anspruch auf Betreuungsleistungen wie Verpflegung und Unterbringung im Hotel, sowie Transport zu diesem i.S. d. Art. 9 VO (EG) Nr. 261/2004
2.) Anspruch auf Erstattung des Flugtickets und Rückbeförderung oder Anspruch auf anderweitige Beförderung zum Endziel zum frühestmöglichen Zeitpunkt gemäß Art. 8 VO (EG) Nr. 261/2004
3.) Anspruch auf Ausgleichszahlung zwischen 250 € und 600 € (abhängig von der Flugstrecke) bei einer Verspätung über 3 Stunden (so AG Nürtingen, Urteil vom 25.01.2013, Az. 46 C 1399/12 [leicht mittels google zu finden unter „AG Nürtingen 46 C 1399/12 Reise-Recht-Wiki.de“ als erstes Ergebnis in der Liste] in Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH) nach Art. 5 VO (EG) Nr. 261/2004
(2) Umfang der Betreuungsleistungen (besonders in Hinblick auf Personen mit besonderen Bedürfnissen)
Die Betreuungsleistungen aus 1.) sind kostenfrei von der Fluggesellschaft zu erbringen und müssen an die jeweiligen besonderen Bedürfnisse der Reisenden angepasst werden. So ist nach Art. 11 der Verordnung besonders auf die Bedürfnisse von Personen mit eingeschränkter Mobilität, aber auch auf Kinder muss Rücksicht genommen werden. Solche Personen haben ein Recht auf bevorzugte Beförderung und Betreuung.
(3) Folgen bei grober Missachtung
Die fahrlässige Missachtung der besonderen Bedürfnisse eines Passagiers stellt für sich betrachtet wiederum eine Pflichtverletzung der Fluggesellschaft dar. Durch das Eintreten der Flugverspätung i. V. m. den Regelungen der EG (VO) 261/04 wird es zur Aufgabe der Fluggesellschaft, für eine angemessene und den Bedürfnissen der Betroffenen angepasste Betreuung zu sorgen. Dieser Aufgabe kam die Fluggesellschaft offensichtlich nicht nach.
Die Folgen einer solchen Pflichtverletzung sind Gegenstand des nationalen Rechts. Denkbar wäre etwa eine Schadensersatzforderung (z. B. für im Zuge der Selbsthilfe gekaufte Verpflegung). Hat die Vernachlässigung in der Betreuung gesundheitliche Schäden zur Folge, dann kann auch Schmerzensgeld verlangt werden.
AG Rüsselsheim, Urteil vom 11.07.2013, Az. 3 C 479/13 (36) – zu finden nach der Sucheingabe „3 C 479/13 (36) reise-recht-wiki“ in google als erstes Ergebnis in der Liste
Der unter Diabetes mellitus leidende Fluggast wurde über 10 Stunden hinweg nicht ausreichend mit Nahrung und Getränken versorgt. Das Gericht sah hierin eine Verletzung der dem Luftfahrtunternehmen obliegenden, sich aus der EG (VO) ergebenden Pflicht zur Erbringung bestimmter Betreuungsleistungen und sprach dem Fluggast einen Anspruch auf Schmerzensgeld i. H. v. 200 € zu.
(4) Außergewöhnliche Umstände
Die Ansprüche auf Ausgleichszahlungen nach Art. 7 VO (EG) Nr. 261/2004 können gemäß Art. 5 III VO (EG) Nr. 261/2004 infolge von außergewöhnlichen Umständen ausgeschlossen sein.
Dabei hat ein außergewöhnlicher Umstände nie Auswirkungen auf die Ansprüche auf Betreuungsleistungen, sondern umfasst nur die Ausgleichszahlungen.
Zu den außergewöhnlichen Umständen, oder auch Fäll der „höheren Gewalt“, zählen nur unvermeidbare Umstände, wie Sicherheitsrisiken, Vogelschlag oder Wetterbedingungen.
Nicht vom Begriff der außergewöhnlichen Umstände umfasst sind hingegen solche Sachverhalte, welche die Fluggesellschaft hätte vorhersehen und vermeiden können. Darunter fallen regelmäßig Mängel an den Maschinen und technische Defekte.
Vgl. BGH Karlsruhe, Urteil vom 14.10.2008, Az. X ZR 35/08
Kein außergewöhnlicher Umstand bei technischen Defekten, die im Zuge von regelmäßiger Wartung und Instandhaltung hätten verhindert werden können.
Im Streitfall trägt übrigens die Fluggesellschaft die Darlegungs- und Beweislast bezüglich der außergewöhnlichen Umstände, auf welche sie sich beruft. Das Luftfahrtunternehmen muss dann ausführlich darlegen, dass eben unvermeidbare Umstände zu der Verspätung führten.