Sehr geehrter Fragesteller!
Ich würde gern Ihre Frage unter Berücksichtigung folgender Sachverhalte beantworten: (1) Anspruch auf eine Ausgleichszahlung, (2) technischer Defekt, (3) Nachtflugverbot.
(1) Anspruch auf eine Ausgleichszahlung
Grundsätzlich ist es bei Flugannullierungen und erheblichen Verspätungen möglich, eine Ausgleichszahlung von der Fluggesellschaft zu bekommen. Gemäß Art. 6, Abs. 1, li. a) i. V. m. Art. 7, Abs. 1, li. a) der Verordnung 261/2004 steht Fluggästen bei einer Entfernung von unter 1 500 km und einer Verspätung von mindestens 2 Stunden eine Ausgleichszahlung in Höhe von 250 Euro pro Person.
(2) Technischer Defekt
Gemäß Art. 5, Abs. 3 VO 261/2004 gilt folgendes:
„(3) Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen ist nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.“
Zu den außergewöhnlichen Umständen zählen in der Regel laut Erwägungsgrund 14: „politische Instabilität, mit der Durchführung des betreffenden Fluges nicht zu vereinbarende Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken, unerwartete Flugsicherheitsmängeln und der Betrieb eines ausführenden Luftfahrtunternehmens beeinträchtigenden Streiks.“
Technische Defekte am Flugzeug können unter Umständen zur Exkulpation führen, sind jedoch in aller Regel vorhersehbar und vermeidbar, sodass man bei technischen Defekten grundsätzlich nicht von außergewöhnlichen Umständen ausgeht. Vergleichen Sie dazu folgende Urteile:
AG Köln, Urteil v. 10. März 2010, Az. 132 C 304/07 – „Sind Grund der Annullierung – wie hier – technische Mängel des Flugzeugs, so können diese nur dann (als “unerwarteter Flugsicherheitsmangel” im Sinne von Erwägungsgrund 14 der VO) als “außergewöhnlicher Umstand” qualifiziert werden, wenn sie ein Vorkommnis betreffen, das nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens ist und aufgrund seiner Natur oder Ursache von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen ist […]“.
LG Düsseldorf, Urt. v. 07. Mai 2009, Az. 22 S 215/08
AG Köln, Urt. v. 05. April 2006, Az. 118 C 595/05 – „Die Beklagte hat jedoch nicht substantiiert vorgetragen, woraus sich ergeben könnte, dass der angegebene technische Defekt unerwartet und unvermeidbar gewesen ist.
Ihre Behauptung, das streitbefangene Flugzeug sei regelmäßig gewartet worden, ist ersichtlich zu pauschal gehalten, um die gemäß Art. 5 Abs. 3 VO (EG) 261/2004 erforderliche Exkulpation bewirken zu können.“
AG Bremen, Urt. v. 03. Juli 2007, Az. 4 C 393/06 – „Schließlich hat die Beklagte auch nicht dargelegt, inwieweit durch den Ausfall der Lautsprecheranlage überhaupt die Lufttüchtigkeit beeinträchtigt war, da es der Üblichkeit entspricht, dass Flugzeuge aufgrund stets vorhandener Mehrfachabsicherung (Redundanz) auch dann fliegen dürfen, solange die in der nach §§26, 47 LuftBO erstellten Mindestausrüstungliste vorhandenen Bauteile funktionstüchtig sind.
Letztlich hat die Beklagte auch nicht alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um den Klägern eine vertragsgemäße rechtzeitige Ankunft in Saba zu ermöglichen. Es kann vorliegend unentschieden bleiben, ob die Kläger tatsächlich den Wunsch am Flugschalter geäußert haben, nur wenige Minuten später in Hannover starten zu wollen.“
(3) Nachtflugverbot
Aufgrund dessen, dass Ihr Flugzeug bereits mit einer Verspätung von über 2 Stunden gestartet war, ändert der Nachtflugverbot nichts mehr am Bestehen oder Nicht-Bestehen der Ansprüche. Ein Nachtflugverbot auf dem Zielflughafen stellt keinen außergewöhnlichen Umstand dar, insbesondere nicht, wenn der Flug aufgrund einer Verzögerung auf dem Startflughafen vom Nachtflugverbot betroffen wird (Vgl. AG Frankfurt am Main, Urt. v. 02.08.2012, 29 C 1297/12).
Wenn die Fluggesellschaft auf Ihre Kontaktversuche nicht reagiert, steht Ihnen der Rechtsweg offen.