Lieber Fragesteller,
Sie haben letztes Jahr im Oktober eine Reise gebucht, welche diesen September stattfinden sollte. Diese Reise beinhaltet einen Flug nach Gazipasa (Türkei) mit der Airline Sun Express. Nun hat Ihnen der Reisevermittler mitgeteilt, dass Sun Express den Flugplan geändert hat und Gazipasa nicht mehr angeflogen wird. Als Alternative wurde Ihnen ein Flug nach Antalya angeboten. Dieser soll zwar an den gleichen Tagen, aber zu wesentlich schlechteren Zeiten stattfinden. Sie möchten an den gebuchten Flügen festhalten, da sie bereits einen Transfer ab/bis Gazipasa gebucht und bezahlt haben. Sie fragen sich nun, ob Sie gegen die Airline vorgehen können.
Leider fehlen mir einige Informationen. Ich hoffe jedoch das allgemeine Problem ausreichend aufgreifen zu können. Zum einen wäre hilfreich zu wissen, auf welches Urteil Sie genau anspielen. Außerdem frage ich mich, ob Ihnen ein alternativer Transfer von Antalya nach Gazipasa angeboten wurde. Schließlich sind diese 170 Km voneinander entfernt. Des Weiten hängt die passende Anspruchsgrundlage von der Art der Buchung ab. Zu unterscheiden sind die „Nur-Flug Buchungen“ von den Pauschalreisen.
Falls Sie lediglich den Flug gebucht haben, kommt die Fluggastrechte Verordnung zur Anwendung. Falls Sie jedoch eine Pauschalreise gebucht haben, ist zudem das Reiserecht des BGB anwendbar.
I. Nur Flug
Wenn Sie nur den Flug gebucht haben, könnten Sie einen Anspruch aus der Fluggastrechte Verordnung geltend machen.
Ihr Anspruchsgegner wäre in diesem Fall das ausführende Luftfahrtunternehmen. Hier als die Airline Sun Express.
Eine Anspruchsgrundlage könnte sich aus Art. 5 VO ergeben. Dieser Artikel ist anwendbar, soweit es sich bei der Umbuchung um eine Annullierung des Fluges handelt. Eine Annullierung ist laut des EuGH zu bejahen, wenn das Luftfahrtunternehmen den geplanten Flug aufgibt, also nicht weiter an diesem festhält. Dies ist meiner Ansicht nach in Ihrem Fall zu bejahen, da ihnen ein Flug mit einem anderen Ziel und zu anderen Zeiten angeboten wurde. Wahrscheinlich trägt dieser auch eine andere Flugnummer. All dies lässt die Annahme zu, dass ihr ursprünglicher Flug annulliert wurde.
Vgl. EuGH, Urteil vom 19.11.2009, Az.: C-402/07 (ganz einfach zu finden, wenn Sie bei Google eingeben: "EuGH C-402/07 reise-recht-wiki.de“)
Fraglich ist nun welche Ansprüche sich daraus ergeben können. Art. 5 VO verweist auf verschiedene Anspruchsgrundlagen. Zunächst könnte ein Anspruch auf Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 Abs. 1 VO beachtenswert sein. Dieser Zahlung kann sich die Airline jedoch entziehen, da sie Sie bereits zwei Wochen vor Abflug über die Änderung informiert hat. Des Weiteren wäre ein Anspruch gemäß Art. 8 VO denkbar.
Art. 8 Anspruch auf Erstattung oder anderweitige Beförderung.
(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so können Fluggäste wählen zwischen:
„a) – der binnen sieben Tagen zu leistenden vollständigen Erstattung der Flugscheinkosten nach den in Artikel 7 Absatz 3 genannten Modalitäten zu dem Preis, zu dem der Flugschein erworben wurde, für nicht zurückgelegte Reiseabschnitte sowie für bereits zurückgelegte Reiseabschnitte, wenn der Flug im Hinblick auf den ursprünglichen Reiseplan des Fluggastes zwecklos geworden ist, gegebenenfalls in Verbindung mit
– einem Rückflug zum ersten Abflugort zum frühestmöglichen Zeitpunkt,
b) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt oder
c) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes, vorbehaltlich verfügbarer Plätze.
(2) Absatz 1 Buchstabe a) gilt auch für Fluggäste, deren Flüge Bestandteil einer Pauschalreise sind, mit Ausnahme des Anspruchs auf Erstattung, sofern dieser sich aus der Richtlinie 90/314/EWG1) ergibt.
(3) Befinden sich an einem Ort, in einer Stadt oder Region mehrere Flughäfen und bietet ein ausführendes Luftfahrtunternehmen einem Fluggast einen Flug zu einem anderen als dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen an, so trägt das ausführende Luftfahrtunternehmen die Kosten für die Beförderung des Fluggastes von dem anderen Flughafen entweder zu dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen oder zu einem sonstigen nahe gelegenen, mit dem Fluggast vereinbarten Zielort.“
Die Airline ist meiner Meinung nach gemäß Art 8 Abs. 3 VO verpflichtet Sie zu dem vereinbarten Flughafen zu bringen. Dafür muss zumindest ein Transport von Antalya nach Gazipasa bereitgestellt werden. Es bestehen aber auch die anderen aufgelisteten Optionen.
II. Pauschalreise
Eine Pauschalreise ist regelmäßig anzunehmen, wenn mehrere Reiseleistungen zusammen bei einem Reiseveranstalter gebucht werden. Häufig umfasst ein solche Buchung den Flug, die Unterkunft und den Transfer. Ihr Anspruchsgegner wäre in einem solchen Fall der Reiseveranstalter. Ein Anspruch könnte sich aus §§ 651 a-m BGB ergeben. Dies setzt jedoch voraus, dass ein Reisemangel vorliegt. Dieser ist zu bejahen, wenn die Ist- von der vereinbarten Sollbeschaffenheit abweicht und diese Abweichung nicht zumutbar ist. Ob die Flugzeitenveränderung einen Reisemangel darstellt, ist grundsätzlich einzelfallabhängig. Häufig wird ein solcher jedoch bejaht, wenn die Nachtruhe gestört wird, oder ein beachtlicher Teil an Urlaubszeit verloren geht.
III. Anrechnung
Wichtig ist es taktisch überlegt vorzugehen, wenn das Vorliegen einer Pauschalreise bejaht wird. Es ist wichtig zunächst die Ansprüche gegen den Reiseveranstalter geltend zu machen. Danach kann man zusätzlich noch Ansprüche gegen die Airline geltend machen, ohne dass diese sich die vorherige Zahlung des Reiseveranstalters anrechnen lassen darf. Im umgekehrten Fall ist es jedoch so, dass sich der Reiseveranstalter etwaige Zahlungen der Airline anrechnen lassen kann.
Falls Sie näheres dazu erfahren möchten, wäre folgendes Urteil zu empfehlen:
LG Frankfurt am Main, Urteil vom 29.11.2012, Az. 2-24 S 67/12 (ganz einfach zu finden, wenn Sie bei Google eingeben „reise-recht-wiki LG Frankfurt a.M. 2-24 S 67/12“)
Hier hat das Landgericht entschieden, dass kein weiterer Zahlungsanspruch gegenüber des Reiseveranstalters besteht, wenn auf Grund einer Flugverspätung bereits eine Ausgleichszahlung in Höhe von 1.200 Euro nach der Fluggastverordnung Nr. 261/2004 geleistet worden ist. Dies wurde damit begründet, dass die Ansprüche gemäß Art. 12 der Fluggastverordnung Nr. 261/2004 angerechnet werden können.
Folglich sollten etwaige Ansprüche erst gegenüber des Reiseveranstalters und erst im Anschluss gegenüber der Fluggesellschaft geltend gemacht werden.
IV. Fazit
Je nach Buchungsart können somit verschiedene Ansprüche geltend gemacht werden. Falls Sie nur den Flug gebucht hätten, sollte Sun Express meiner Ansicht nach für den Transport von bzw. bis Antalya/Gazipasa erstatten müssen. Falls Sie eine Pauschalreise gebucht haben, könnten Sie des Weiteren Zahlung wegen eines Reisemangels geltend machen. Dies verlangt natürlich, dass die Voraussetzung der Unzumutbarkeit in Ihrem speziellen Fall zu bejahen ist. Die erfolgten Erläuterungen stellen keinen Rechtsrat, sondern nur meine persönliche Meinung dar. Falls Sie sich näher informieren möchten, wäre ein rechtlicher Beistand empfehlenswert.